Parerga und Paralipomena. Arthur Schopenhauer

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Parerga und Paralipomena - Arthur  Schopenhauer

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den eigenen Ansichten des Herrn Professors möglichst wenig Spielraum gestatte und bloß als Leitfaden zum künftigen eigenen Studium auftrete.

      Denn die eigentliche Bekanntschaft mit den Philosophen läßt sich durchaus nur in ihren eigenen Werken machen und keineswegs durch Relationen aus zweiter Hand; – wovon ich die Gründe bereits in der Vorrede zur zweiten Ausgabe meines Hauptwerkes dargelegt habe. Zudem hat das Lesen der selbsteigenen Werke wirklicher Philosophen jedenfalls einen wohlthätigen und fördernden Einfluß auf den Geist, indem es ihn in unmittelbare Gemeinschaft mit so einem selbstdenkenden und überlegenen Kopfe setzt, statt daß bei jenen Geschichten der Philosophie er immer nur die Bewegung erhält, die ihm der hölzerne Gedankengang so eines Alltagskopfs ertheilen kann, der sich die Sache auf seine Weise zurecht gelegt hat. Daher also möchte ich jenen Kathedervortrag beschränken auf den Zweck einer allgemeinen Orientirung auf dem Felde der bisherigen philosophischen Leistungen, mit Beseitigung aller Ausführungen, wie auch aller Pragmaticität der Darstellung, die weiter gehn wollte, als bis zur Nachweisung der unverkennbaren Anknüpfungspunkte der successiv auftretenden Systeme an früher dagewesene; also ganz im Gegensatz der Anmaaßung Hegelianischer Geschichtschreiber der Philosophie, welche jedes System als nothwendig eintretend darthun, und sonach, die Geschichte der Philosophie a priori konstruirend, uns beweisen, daß jeder Philosoph gerade Das, was er gedacht hat, und nichts Anderes, habe denken müssen; wobei denn der Herr Professor so recht bequem sie Alle von oben herab übersieht, wo nicht gar belächelt. Der Sünder! als ob nicht Alles das Werk einzelner und einziger Köpfe gewesen wäre, die sich in der schlechten Gesellschaft dieser Welt eine Weile haben herumstoßen müssen, damit solche gerettet und erlöst werde aus den Banden der Rohheit und Verdummung; Köpfe, die eben so individuell, wie selten sind, daher von jedem derselben das Ariostische natura il fece, e poi ruppe lo stampo in vollem Maaße gilt; – und als ob, wenn Kant an den Blattern gestorben wäre, auch ein Andrer die Kritik der reinen Vernunft würde geschrieben haben, – wohl einer von Jenen, aus der Fabrikwaare der Natur und mit ihrem Fabrikzeichen auf der Stirn, so Einer mit der normalen Ration von drei Pfund groben Gehirns, hübsch fester Textur, in zolldicker Hirnschaale wohl verwahrt, beim Gesichtswinkel von 70°, dem matten Herzschlag, den trüben, spähenden Augen, den stark entwickelten Freßwerkzeugen, der stockenden Rede und dem schwerfälligen, schleppenden Gange, als welcher Takt hält mit der Krötenagilität seiner Gedanken: – ja, ja, wartet nur, die werden euch Kritiken der reinen Vernunft und auch Systeme machen, sobald nur der vom Professor berechnete Zeitpunkt da und die Reihe an sie gekommen ist, – dann, wann die Eichen Aprikosen tragen. – Die Herren haben freilich gute Gründe, möglichst viel der Erziehung und Bildung zuzuschreiben, sogar, wie wirklich Einige thun, die angeborenen Talente ganz zu leugnen und auf alle Weise sich gegen die Wahrheit zu verschanzen, daß Alles darauf ankommt, wie Einer aus den Händen der Natur hervorgegangen sei, welcher Vater ihn gezeugt und welche Mutter ihn empfangen habe, ja, auch noch zu welcher Stunde; daher man keine Iliaden schreiben wird, wenn man zur Mutter eine Gans und zum Vater eine Schlafmütze gehabt hat; auch nicht, wenn man auf sechs Universitäten studirt.

      Es ist nun aber doch nicht anders: aristokratisch ist die Natur, aristokratischer, als irgend ein Feudal-und Kastenwesen. Demgemäß läuft ihre Pyramide von einer sehr breiten Basis in einen gar spitzen Gipfel aus. Und wenn es dem Pöbel und Gesindel, welches nichts über sich dulden will, auch gelänge, alle andern Aristokratien umzustoßen; so müßte es diese doch bestehn lassen, – und soll keinen Dank dafür haben: denn die ist so ganz eigentlich von Gottes Gnaden.

      Transscendente Spekulation

      über die

      anscheinende Absichtlichkeit

      im

      Schicksale des Einzelnen.

      Το εικη ουκ εστι εν τη ζωη, αλλα

      μια αρμονια και ταξις.

      Plotin. Enn. IV, L. 4, c. 35.

      Ueber die anscheinende Absichtlichkeit im Schicksale des Einzelnen.

      Inhaltsverzeichnis

      Obgleich die hier mitzutheilenden Gedanken zu keinem festen Resultate führen, vielleicht eine bloße metaphysische Phantasie genannt werden könnten; so habe ich mich doch nicht entschließen können, sie der Vergessenheit zu übergeben; weil sie Manchem, wenigstens zum Vergleich mit seinen eigenen, über denselben Gegenstand gehegten, willkommen seyn werden. Auch ein Solcher jedoch ist zu erinnern, daß an ihnen Alles zweifelhaft ist, nicht nur die Lösung, sondern sogar das Problem. Demnach hat man hier nichts weniger, als entschiedene Aufschlüsse zu erwarten, vielmehr die bloße Ventilation eines sehr dunkeln Sachverhältnisses, welches jedoch vielleicht Jedem, im Verlaufe seines eigenen Lebens, oder beim Rückblick auf dasselbe, sich öfter aufgedrungen hat. Sogar mögen unsere Betrachtungen darüber vielleicht nicht viel mehr seyn, als ein Tappen und Tasten im Dunkeln, wo man merkt, daß wohl etwas dasei, jedoch nicht recht weiß, wo, noch was. Wenn ich dabei dennoch bisweilen in den positiven, oder gar dogmatischen Ton gerathen sollte; so sei hier ein für alle Mal gesagt, daß dies bloß geschieht, um nicht durch stete Wiederholung der Formeln des Zweifels und der Muthmaaßung weitschweifig und matt zu werden; daß es mithin nicht ernstlich zu nehmen ist.

      Der Glaube an eine specielle Vorsehung, oder sonst eine übernatürliche Lenkung der Begebenheiten im individuellen Lebenslauf, ist zu allen Zeiten allgemein beliebt gewesen, und sogar in denkenden, aller Superstition abgeneigten Köpfen findet er sich bisweilen unerschütterlich fest, ja, wohl gar außer allem Zusammenhange mit irgend welchen bestimmten Dogmen. – Zuvörderst läßt sich ihm entgegensetzen, daß er, nach Art alles Götterglaubens, nicht eigentlich aus der Erkenntniß, sondern aus dem Willen entsprungen, nämlich zunächst das Kind unsrer Bedürftigkeit sei. Denn die Data, welche bloß die Erkenntniß dazu geliefert hätte, ließen sich vielleicht darauf zurückführen, daß der Zufall, welcher uns hundert arge, und wie durchdacht tückische Streiche spielt, dann und wann ein Mal auserlesen günstig ausfällt, oder auch mittelbar sehr gut für uns sorgt. In allen solchen Fällen erkennen wir in ihm die Hand der Vorsehung, und zwar am deutlichsten dann, wann er, unsrer eigenen Einsicht zuwider, ja, auf von uns verabscheuten Wegen, uns zu einem beglückenden Ziele hingeführt hat; wo wir alsdann sagen tunc bene navigavi, cum naufragium feci, und der Gegensatz zwischen Wahl und Führung ganz unverkennbar, zugleich aber zum Vortheil der letzteren, fühlbar wird. Eben dieserhalb trösten wir, bei widrigen Zufällen, uns auch wohl mit dem oft bewährten Sprüchlein wer weiß wozu es gut ist, – welches eigentlich aus der Einsicht entsprungen ist, daß, obwohl der Zufall die Welt beherrscht, er doch den Irrthum zum Mitregenten hat und, weil wir Diesem, eben so sehr als Jenem, unterworfen sind, vielleicht eben Das ein Glück ist, was uns jetzt als ein Unglück erscheint. So fliehen wir dann von den Streichen des einen Welttyrannen zum andern, indem wir vom Zufall an den Irrthum appelliren.

      Hievon jedoch abgesehn, ist, dem bloßen, reinen, offenbaren Zufall eine Absicht unterzulegen, ein Gedanke, der an Verwegenheit seines Gleichen sucht. Dennoch glaube ich, daß Jeder, wenigstens Ein Mal in seinem Leben, ihn lebhaft gefaßt hat. Auch findet man ihn bei allen Völkern und neben allen Glaubenslehren; wiewohl am entschiedensten bei den Mohammedanern. Es ist ein Gedanke, der, je nachdem man ihn versteht, der absurdeste, oder der tiefsinnigste seyn kann. Gegen die Beispiele inzwischen, wodurch man ihn belegen möchte, bleibt, so frappant sie auch bisweilen seyn mögen, die stehende Einrede diese, daß es das größte Wunder wäre, wenn niemals ein Zufall unsere Angelegenheiten gut, ja, selbst besser besorgte, als unser Verstand und unsere Einsicht es vermocht hätten.

      Daß Alles, ohne Ausnahme, was geschieht, mit strenger Nothwendigkeit eintritt, ist eine a priori

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