Parerga und Paralipomena. Arthur Schopenhauer

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Parerga und Paralipomena - Arthur  Schopenhauer

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Leben, welcher nachher in den vollendetesten Erscheinungen der Welt auftritt, das im Innern Wirkende und Leitende ist und er, schon dort, mittelst strenger Naturgesetze, auf seine Zwecke hinarbeitend, die Grundfeste zum Bau der Welt und ihrer Ordnung vorbereitet, indem z. B. der zufälligste Stoß, oder Schwung, die Schiefe der Ekliptik und die Schnelligkeit der Rotation auf immer bestimmt, und das Endresultat die Darstellung seines ganzen Wesens seyn muss, eben weil dieses schon in jenen Urkräften selbst thätig ist; – eben so nun sind alle, die Handlungen eines Menschen bestimmenden Begebenheiten, nebst der sie herbeiführenden Kausalverknüpfung doch auch nur die Objektivation des selben Willens, der auch in diesem Menschen selbst sich darstellt; woraus sich, wenn auch nur wie im Nebel, absehn läßt, daß sie sogar zu den speciellsten Zwecken jenes Menschen stimmen und passen müssen, in welchem Sinne sie alsdann jene geheime Macht bilden, die das Schicksal des Einzelnen leitet und als sein Genius, oder seine Vorsehung, allegorisirt wird.

      Rein objektiv betrachtet aber ist und bleibt es der durchgängige, Alles umfassende, ausnahmslose Kausalzusammenhang, – vermöge dessen Alles, was geschieht, durchaus und streng nothwendig eintritt, – welcher die Stelle der bloß mythischen Weltregierung vertritt, ja, den Namen derselben zu führen ein Recht hat.

      Dieses uns näher zu bringen, kann folgende allgemeine Betrachtung dienen. Zufällig bedeutet das Zusammentreffen, in der Zeit, des kausal nicht Verbundenen. Nun ist aber nichts absolut zufällig; sondern auch das Zufälligste ist nur ein auf entfernterem Wege herangekommenes Nothwendiges; indem entschiedene, in der Kausalkette hoch herauf liegende Ursachen schon längst nothwendig bestimmt haben, daß es gerade jetzt, und daher mit jenem Andern gleichzeitig, eintreten mußte. Jede Begebenheit nämlich ist das einzelne Glied einer Kette von Ursachen und Wirkungen, welche in der Richtung der Zeit fortschreitet. Solcher Ketten aber giebt es unzählige, vermöge des Raums, neben einander.

      Jedoch sind diese nicht einander ganz fremd und ohne allen Zusammenhang unter sich; vielmehr sind sie vielfach miteinander verflochten: z. B. mehrere jetzt gleichzeitig wirkende Ursachen, deren jede eine andere Wirkung hervorbringt, sind hoch herauf aus einer gemeinsamen Ursache entsprungen und daher einander so verwandt, wie die Urenkel eines Ahnherrn: und andrerseits bedarf oft eine jetzt eintretende einzelne Wirkung des Zusammentreffens vieler verschiedener Ursachen, die, jede als Glied ihrer eigenen Kette, aus der Vergangenheit herankommen. Sonach nun bilden alle jene, in der Richtung der Zeit fortschreitenden Kausalketten ein großes, gemeinsames, vielfach verschlungenes Netz, welches ebenfalls, mit seiner ganzen Breite, sich in der Richtung der Zeit fortbewegt und eben den Weltlauf ausmacht. Versinnlichen wir uns jetzt jene einzelnen Kausalketten durch Meridiane, die in der Richtung der Zeit lägen; so kann überall das Gleichzeitige und eben deshalb nicht in direktem Kausalzusammenhange Stehende, durch Parallelkreise angedeutet werden. Obwohl nun das unter demselben Parallelkreise Gelegene nicht unmittelbar von einander abhängt; so steht es doch, vermöge der Verflechtung des ganzen Netzes, oder der sich, in der Richtung der Zeit fortwälzenden Gesammtheit aller Ursachen und Wirkungen, mittelbar in irgend einer, wenn auch entfernten, Verbindung: seine jetzige Gleichzeitigkeit ist daher eine nothwendige.

      Hierauf nun beruht das zufällige Zusammentreffen aller Bedingungen einer in höherem Sinne nothwendigen Begebenheit; das Geschehn Dessen, was das Schicksal gewollt hat. Hierauf z. B. beruht es, dass, als in Folge der Völkerwanderung die Fluth der Barbarei sich über Europa ergoß, alsbald die schönsten Meisterwerke der Griechischen Skulptur, der Laokoon, der Vatikanische Apoll, u. a. m. wie durch theatralische Versenkung verschwanden, indem sie ihren Weg hinabfanden in den Schooß der Erde, um nunmehr daselbst, unversehrt, ein Jahrtausend hindurch, auf eine mildere, edlere, die Künste verstehende und schützende Zeit zu harren, beim endlichen Eintritt dieser aber, gegen Ende des 15. Jahrhunderts, unter Papst Julius II. wieder hervorzutreten ans Licht, als die wohl erhaltenen Muster der Kunst und des wahren Typus der menschlichen Gestalt. Und ebenso nun beruht hierauf auch das Eintreffen zur rechten Zeit der im Lebenslauf des Einzelnen wichtigen und entscheidenden Anlässe und Umstände, ja endlich wohl gar auch der Eintritt der Omina, an welche der Glaube so allgemein und unvertilgbar ist, daß er selbst in den überlegensten Köpfen nicht selten Raum gefunden hat. Denn da nichts absolut zufällig ist, vielmehr Alles nothwendig eintritt und sogar die Gleichzeitigkeit selbst, des kausal nicht Zusammenhängenden, die man den Zufall nennt, eine nothwendige ist, indem ja das jetzt Gleichzeitige schon durch Ursachen in der entferntesten Vergangenheit als ein solches bestimmt wurde; so spiegelt sich Alles zu Allem, klingt Jedes in Jedem wieder und ist auch auf die Gesammtheit der Dinge jener bekannte, dem Zusammenwirken im Organismus geltende Ausspruch des Hippokrates de alimento (opp. ed. Kühn, Tom. II, p. 20) anwendbar: Ευρροια μια, συμπνοια μια, συμπαθεα παντα.. – Der unvertilgbare Hang des Menschen, auf Omina zu achten, seine extispicia und ορνιθοσκοπια, sein Bibelaufschlagen, sein Kartenlegen, Bleigießen, Kaffeesatzbeschauen u. dgl. m. zeugen von seiner, den Vernunftgründen trotzenden Voraussetzung, daß es irgendwie möglich sei, aus dem ihm Gegenwärtigen und klar vor Augen Liegenden das durch Raum oder Zeit Verborgene, also das Entfernte, oder Zukünftige zu erkennen; so daß er wohl aus Jenem Dieses ablesen könnte, wenn er nur den wahren Schlüssel der Geheimschrift hätte.

      Eine zweite Analogie, welche, von einer ganz andern Seite, zu einem indirekten Verständniß des in Betrachtung genommenen transscendenten Fatalismus beitragen kann, giebt der Traum, mit welchem ja überhaupt das Leben eine längst anerkannte und gar oft ausgesprochene Aehnlichkeit hat; so sehr, daß sogar Kants transscendentaler Idealismus aufgefaßt werden kann als die deutlichste Darlegung dieser traumartigen Beschaffenheit unsers bewußten Daseyns; wie ich Dies in meiner Kritik seiner Philosophie auch ausgesprochen habe. – Und zwar ist es diese Analogie mit dem Traume, welche uns, wenn auch wieder nur in neblichter Ferne, absehn läßt, wie die geheime Macht, welche die uns berührenden, äußeren Vorgänge, zum Behufe ihrer Zwecke mit uns, beherrscht und lenkt, doch ihre Wurzel in der Tiefe unseres eigenen, unergründlichen, Wesens haben könnte. Auch im Traume nämlich treffen die Umstände, welche die Motive unserer Handlungen daselbst werden, als äußerliche und von uns selbst unabhängige, ja oft verabscheute, rein zufällig zusammen: dabei aber ist dennoch zwischen ihnen eine geheime und zweckmäßige Verbindung; indem eine verborgene Macht, welcher alle Zufälle im Traume gehorchen, auch diese Umstände, und zwar einzig und allein in Beziehung auf uns, lenkt und fügt. Das Allerseltsamste hiebei aber ist, daß diese Macht zuletzt keine andere seyn kann, als unser eigener Wille, jedoch von einem Standpunkte aus, der nicht in unser träumendes Bewußtseyn fällt; daher es kommt, daß die Vorgänge des Traums so oft ganz gegen unsere Wünsche in demselben ausschlagen, uns in Erstaunen, in Verdruß, ja, in Schrecken und Todesangst versetzen, ohne daß das Schicksal, welches wir doch heimlich selbst lenken, zu unserer Rettung herbeikäme; imgleichen, daß wir begierig nach etwas fragen, und eine Antwort erhalten, über die wir erstaunen; oder auch wieder, – daß wir selbst gefragt werden, wie etwan in einem Examen, und unfähig sind, die Antwort zu finden, worauf ein Anderer, zu unserer Beschämung, sie vortrefflich giebt; während doch im einen, wie im andern Fall, die Antwort immer nur aus unsern eigenen Mitteln kommen kann. Diese geheimnißvolle, von uns selbst ausgehende Leitung der Begebenheiten im Traume noch deutlicher zu machen und ihr Verfahren dem Verständniß näher zu bringen, giebt es noch eine Erläuterung, welche allein dieses leisten kann, die nun aber unumgänglich obscöner Natur ist; daher ich von Lesern, die werth sind, daß ich zu ihnen rede, voraussetze, daß sie daran weder Anstoß nehmen, noch die Sache von der lächerlichen Seite auffassen werden. Es giebt bekanntlich Träume, deren die Natur sich zu einem materiellen Zwecke bedient, nämlich zur Ausleerung der überfüllten Saamenbläschen.

      Träume dieser Art zeigen natürlich schlüpfrige Scenen: dasselbe thun aber mitunter auch andere Träume, die jenen Zweck gar nicht haben, noch erreichen. Hier tritt nun der Unterschied ein, daß, in den Träumen der ersten Art, die Schönen und die Gelegenheit sich uns bald günstig erweisen; wodurch die Natur ihren Zweck erreicht: in den Träumen der andern Art hingegen treten der Sache, die wir auf das heftigste begehren, stets neue Hindernisse in den Weg, welche zu überwinden wir vergeblich streben, so daß wir am Ende doch nicht zum Ziele gelangen. Wer diese Hindernisse schafft und unsern lebhaften Wunsch Schlag auf Schlag vereitelt, das

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