Parerga und Paralipomena. Arthur Schopenhauer

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Parerga und Paralipomena - Arthur  Schopenhauer

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aus, indem diese die Wirkung ist, zu welcher der Verstand die Ursache setzt. Warum aber sollte es nicht möglich seyn, daß auch ein Mal eine von einer ganz andern Seite, also von innen, vom Organismus selbst ausgehende Erregung zum Gehirn gelangen und von diesem, mittelst seiner eigenthümlichen Funktion und dem Mechanisimus derselben gemäß, eben so wie jene verarbeitet werden könnte? nach dieser Verarbeitung aber würde die Verschiedenheit des ursprünglichen Stoffes nicht mehr zu erkennen seyn; so wie am Chylus nicht die Speise, aus der er bereitet worden. Bei einem etwanigen wirklichen Falle dieser Art würde sodann die Frage entstehen, ob auch die entferntere Ursache der dadurch hervorgebrachten Erscheinung niemals weiter zu suchen wäre, als im Innern des Organismus; oder ob sie, beim Ausschluß aller Sinnesempfindung, dennoch eine äußere seyn könne, welche dann freilich, zu diesem Falle, nicht physisch oder körperlich gewirkt haben würde; und, wenn Dies, welches Verhältniß die gegebene Erscheinung zur Beschaffenheit einer solchen entfernten äußern Ursache haben könne, also ob sie Indicia über diese enthielte, ja wohl gar das Wesen derselben in ihr ausgedrückt wäre. Demnach würden wir auch hier, eben wie bei der Körperwelt, auf die Frage nach dem Verhältniß der Erscheinung zum Dinge an sich geführt werden. Dies aber ist der transscendentale Standpunkt, von welchem aus es sich vielleicht ergeben könnte, daß der Geistererscheinung nicht mehr noch weniger Idealität anhinge, als der Körpererscheinung, die ja bekanntlich unausweichbar dem Idealismus unterliegt und daher nur auf weitem Umwege auf das Ding an sich, d. h. das wahrhaft Reale, zurückgeführt werden kann. Da nun wir als dieses Ding an sich den Willen erkannt haben; so giebt dies Anlaß zu der Vermuthung, daß vielleicht ein solcher, wie den Körpererscheinungen, so auch den Geistererscheinungen zum Grunde liege. Alle bisherigen Erklärungen der Geistererscheinungen sind spiritualistische gewesen: eben als solche erleiden sie die Kritik Kants, im ersten Theile seiner Träume eines Geistersehers. Ich versuche hier eine idealistische Erklärung. —

      Nach dieser übersichtlichen und anticipirenden Einleitung zu den jetzt folgenden Untersuchungen, nehme ich den ihnen angemessenen, langsamen Gang an. Nur bemerke ich, daß ich den Thatbestand, worauf sie sich beziehn, als dem Leser bekannt voraussetze. Denn theils ist mein Fach nicht das erzählende, also auch nicht die Darlegung von Thatsachen, sondern die Theorie zu denselben; theils müßte ich ein dickes Buch schreiben, wenn ich alle die magnetischen Krankengeschichten, Traumgesichte, Geistererscheinungen u. s. w., die unserm Thema als Stoff zum Grunde liegen und bereits in vielen Büchern erzählt sind, wiederholen wollte; endlich auch habe ich keinen Beruf den Skepticismus der Ignoranz zu bekämpfen, dessen superkluge Gebärden täglich mehr außer Kredit kommen und bald nur noch in England Cours haben werden. Wer heut zu Tage die Thatsachen des animalischen Magnetismus und seines Hellsehns bezweifelt, ist nicht ungläubig, sondern unwissend zu nennen. Aber ich muß mehr, ich muß die Bekanntschaft mit wenigstens einigen der in großer Anzahl vorhandenen Bücher über Geistererscheinungen, oder anderweitige Kunde von diesen voraussetzen. Selbst die auf solche Bücher verweisenden Zitate gebe ich nur dann, wann es specielle Angaben oder streitige Punkte betrifft. Im übrigen setze ich bei meinem Leser, den ich mir als einen mich schon anderweitig kennenden denke, das Zutrauen voraus, daß, wenn ich etwas als faktisch feststehend annehme, es mir aus guten Quellen, oder aus eigener Erfahrung, bekannt sei.

      Znnächst nun also frägt sich, ob denn wirklich in unserm anschauenden Intellekt, oder Gehirn, anschauliche Bilder, vollkommen und ununterscheidbar gleich denen, welche daselbst die auf die äußeren Sinne wirkende Gegenwart der Körper veranlaßt, ohne diesen Einfluß entstehn können. Glücklicherweise benimmt uns hierüber eine uns sehr vertraute Erscheinung jeden Zweifel: nämlich der Traum.

      Die Träume für bloßes Gedankenspiel, bloße Phantasiebilder ausgeben zu wollen, zeugt von Mangel an Besinnung, oder an Redlichkeit: denn offenbar sind sie von diesen specifisch verschieden. Phantasiebilder sind schwach, matt, unvollständig, einseitig und so flüchtig, daß man das Bild eines Abwesenden kaum einige Sekunden gegenwärtig zu erhalten vermag, und sogar das lebhafteste Spiel der Phantasie hält keinen Vergleich aus mit jener handgreiflichen Wirklichkeit, die der Traum uns vorführt. Unsere Darstellungsfähigkeit im Traum übertrifft die unserer Einbildungskraft himmelweit; jeder anschauliche Gegenstand hat im Traum eine Wahrheit, Vollendung, konsequente Allseitigkeit bis zu den zufälligsten Eigenschaften herab, wie die Wirklichkeit selbst, von der die Phantasie himmelweit entfernt bleibt; daher jene uns die wundervollsten Anblicke verschaffen würde, wenn wir nur den Gegenstand unserer Träume auswählen könnten. Es ist ganz falsch, Dies daraus erklären zu wollen, daß die Bilder der Phantasie durch den gleichzeitigen Eindruck der realen Außenwelt gestört und geschwächt würden: denn auch in der tiefsten Stille der finstersten Nacht vermag die Phantasie nichts hervorzubringen, was jener objektiven Anschaulichkeit und Leibhaftigkeit des Traumes irgend nahe käme. Zudem sind Phantasiebilder stets durch die Gedankenassociation, oder durch Motive herbeigeführt und vom Bewußtseyn ihrer Willkürlichkeit begleitet. Der Traum hingegen steht da, als ein völlig Fremdes, sich, wie die Außenwelt, ohne unser Zuthun, ja wider unsern Willen Aufdringendes. Das gänzlich unerwartete seiner Vorgänge, selbst der unbedeutendesten, drückt ihnen den Stempel der Objektivität und Wirklichkeit auf. Alle seine Gegenstände erscheinen bestimmt und deutlich, wie die Wirklichkeit, nicht etwan bloß in Bezug auf uns, also flächenartig-einseitig, oder nur in der Hauptsache und in allgemeinen Umrissen angegeben; sondern genau ausgeführt, bis auf die kleinsten und zufälligsten Einzelheiten und die uns oft hinderlichen und im Wege stehenden Nebenumstände herab: da wirft jeder Körper seinen Schatten, jeder fällt genau mit der seinem specifischen Gewicht entsprechenden Schwere und jedes Hinderniß muß erst beseitigt werden, gerade wie in der Wirklichkeit. Das durchaus Objektive desselben zeigt sich ferner darin, daß seine Vorgänge meistens gegen unsre Erwartung, oft gegen unsern Wunsch ausfallen, sogar bisweilen unser Erstaunen erregen; daß die agirenden Personen sich mit empörender Rücksichtslosigkeit gegen uns betragen; überhaupt in der rein objektiven dramatischen Richtigkeit der Charaktere und Handlungen, welche die artige Bemerkung veranlaßt hat, daß Jeder, während er träumt, ein Shakespeare sei. Denn die selbe Allwissenheit in uns, welche macht, daß im Traum jeder natürliche Körper genau seinen wesentlichen Eigenschaften gemäß wirkt, macht auch, daß jeder Mensch in vollster Gemäßheit seines Charakters handelt und redet. In Folge alles Diesen ist die Täuschung, die der Traum erzeugt, so stark, daß die Wirklichkeit selbst, welche beim Erwachen vor uns steht, oft erst zu kämpfen hat und Zeit gebraucht, ehe sie zum Worte kommen kann, um uns von der Trüglichkeit des schon nicht mehr vorhandenen, sondern bloß dagewesenen Traumes zu überzeugen. Auch hinsichtlich der Erinnerung sind wir, bei unbedeutenden Vorgängen, bisweilen im Zweifel, ob sie geträumt oder wirklich geschehn seien: wenn hingegen Einer zweifelt, ob etwas geschehn sei, oder er es sich bloß eingebildet habe; so wirft er auf sich selbst den Verdacht des Wahnsinns. Dies Alles beweist, daß der Traum eine ganz eigenthümliche Funktion unsers Gehirns und durchaus verschieden ist von der blossen Einbildungskraft und ihrer Rumination. – Auch Aristoteles sagt: το ενυπνιον εστιν αισθημα, τροπον τινα (somnium quodammodo sensum est): de somno et vigilia. c. 2. Auch macht er die feine und richtige Bemerkung, daß wir, im Traume selbst, uns abwesende Dinge noch durch die Phantasie vorstellen. Hieraus aber läßt sich folgern, daß, während des Traumes, die Phantasie noch disponibel, also nicht sie selbst das Medium, oder Organ, des Traumes sei.

      Andrerseits wieder hat der Traum eine nicht zu leugnende Aehnlichkeit mit dem Wahnsinn. Nämlich, was das träumende Bewußtseyn vom wachen hauptsächlich unterscheidet, ist der Mangel an Gedächtniß, oder vielmehr an zusammenhängender, besonnener Rückerinnerung. Wir träumen uns in wunderliche, ja unmögliche Lagen und Verhältnisse, ohne daß es uns einfiele, nach den Relationen derselben zum Abwesenden und den Ursachen ihres Eintritts zu forschen; wir vollziehen ungereimte Handlungen, weil wir des ihnen Entgegenstehenden nicht eingedenk sind. Längst Verstorbene figuriren noch immer als Lebende in unsern Träumen; weil wir im Traume uns nicht darauf besinnen, daß sie todt sind. Oft sehn wir uns wieder in den Verhältnissen, die in unsrer frühen Jugend bestanden, von den damaligen Personen umgeben, Alles beim Alten; weil alle seitdem eingetretenen Veränderungen und Umgestaltungen vergessen sind. Es scheint also wirklich, daß im Traume, bei der Thätigkeit aller Geisteskräfte, das Gedächtniß allein nicht recht disponibel sei. Hierauf eben beruht seine Aehnlichkeit mit dem

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