Parerga und Paralipomena. Arthur Schopenhauer

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Parerga und Paralipomena - Arthur  Schopenhauer

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hingegeben ist, eine bedeutend stärkere Anregung von innen erfordert seyn muß; daher eben es auch nur diese Träume sind, welche, in einzelnen, sehr seltenen Fällen, prophetische, oder fatidike Bedeutung haben, und Horaz ganz richtig sagt: post medium noctem, cum somnia vera.

      Denn die letzten Morgenträume verhalten sich, in dieser Hinsicht, denen beim Einschlafen gleich, sofern das ausgeruhte und gesättigte Gehirn wieder leicht erregbar ist.

      Also jene schwachen Nachhälle aus der Werkstätte des organischen Lebens sind es, welche in die, der Apathie entgegensinkende, oder ihr bereits hingegebene, sensorielle Thätigkeit des Gehirns dringen und sie schwach, zudem auf einem ungewöhnlichen Wege und von einer andern Seite, als im Wachen, erregen: aus ihnen jedoch muß dieselbe, da allen andern Anregungen der Zugang gesperrt ist, den Anlaß und Stoff zu ihren Traumgestalten nehmen, so heterogen diese auch solchen Eindrücken seyn mögen. Denn, wie das Auge, durch mechanische Erschütterung, oder durch innere Nervenkonvulsion, Empfindungen von Helle und Leuchten erhalten kann, die den durch äußeres Licht verursachten völlig gleich sind; wie bisweilen das Ohr, in Folge abnormer Vorgänge in seinem Innern, Töne jeder Art hört; wie eben so der Geruchsnerve ohne alle äußere Ursache ganz specifisch bestimmte Gerüche empfindet; wie auch die Geschmacksnerven auf analoge Weise affizirt werden; wie also alle Sinnesnerven sowohl von innen, als von außen, zu ihren eigenthümlichen Empfindungen erregt werden können; auf gleiche Weise kann auch das Gehirn durch Reize, die aus dem Innern des Organismus kommen, bestimmt werden, seine Funktion der Anschauung raumerfüllender Gestalten zu vollziehn; wo denn die so entstandenen Erscheinungen gar nicht zu unterscheiden seyn werden von den durch Empfindungen in den Sinnesorganen veranlaßten, welche durch äußere Ursachen hervorgerufen wurden. Wie nämlich der Magen aus Allem, was er bewältigen kann, Chymus und die Gedärme aus diesem Chylus bereiten, dem man seinen Urstoff nicht ansieht; eben so reagirt auch das Gehirn, auf alle zu ihm gelangende Erregungen, mittelst Vollziehung der ihm eigenthümlichen Funktion. Diese besteht zunächst im Entwerfen von Bildern im Raum, als welcher seine Anschauungsform ist, nach allen drei Dimensionen; sodann im Bewegen derselben in der Zeit und am Leitfaden der Kausalität, als welche ebenfalls die Funktionen seiner ihm eigenthümlichen Thätigkeit sind. Denn allezeit wird es nur seine eigene Sprache reden: in dieser daher interpretirt es auch jene schwachen, während des Schlafs, von innen zu ihm gelangenden Eindrücke; eben wie die starken und bestimmten, im Wachen, auf dem regelmäßigen Wege, von außen kommenden: auch jene also geben ihm den Stoff zu Bildern, welche denen auf Anregung der äußern Sinne entstehenden vollkommen gleichen; obschon zwischen den beiden Arten von veranlassenden Eindrücken kaum irgend eine Aehnlichkeit seyn mag.

      Aber sein Verhalten hiebei läßt sich mit dem eines Tauben vergleichen, der aus einigen in sein Ohr gelangten Vokalen, sich eine ganze, wiewohl falsche, Phrase zusammensetzt; oder wohl gar mit dem eines Verrückten, den ein zufällig gebrauchtes Wort auf wilde, seiner fixen Idee entsprechende Phantasien bringt. Jedenfalls sind es jene schwachen Nachhälle gewisser Vorgänge im Innern des Organismus, welche, bis zum Gehirn hinauf sich verlierend, den Anlaß zu seinen Träumen abgeben: diese werden daher auch durch die Art jener Eindrücke specieller bestimmt, indem sie wenigstens das Stichwort von ihnen erhalten haben; ja, sie werden, so gänzlich verschieden von jenen sie auch seyn mögen, doch ihnen irgendwie analogisch, oder wenigstens symbolisch entsprechen, und zwar am genauesten denen, die während des tiefen Schlafes das Gehirn zu erregen vermögen; weil solche, wie gesagt, schon bedeutend stärker seyn müssen. Da nun ferner diese innern Vorgänge des organischen Lebens auf das zur Auffassung der Außenwelt bestimmte Sensorium ebenfalls nach Art eines ihm Fremden und Aeußeren einwirken; so werden die auf solchen Anlaß in ihm entstehenden Anschauungen ganz unerwartete und seinem etwan kurz zuvor noch dagewesenen Gedankengange völlig heterogene und fremde Gestalten seyn; wie wir Dieses, beim Einschlafen und baldigem Wiedererwachen aus demselben, zu beobachten Gelegenheit haben.

      Diese ganze Auseinandersetzung lehrt uns vor der Hand weiter nichts kennen, als die nächste Ursache des Eintritts des Traumes, oder die Veranlassung desselben, welche zwar auch auf seinen Inhalt Einfluß haben, jedoch an sich selbst diesem so sehr heterogen seyn muß, daß die Art ihrer Verwandtschaft uns ein Geheimniß bleibt.

      Noch räthselhafter ist der physiologische Vorgang im Gehirn selbst, darin eigentlich das Träumen besteht. Der Schlaf nämlich ist die Ruhe des Gehirns, der Traum dennoch eine gewisse Thätigkeit desselben: sonach müssen wir, damit kein Widerspruch entstehe, jene für eine nur relative und diese für eine irgendwie limitirte und nur partielle erklären. In welchem Sinne nun sie dieses sei, ob den Theilen des Gehirns, oder dem Grad seiner Erregung, oder der Art seiner innern Bewegung nach, und wodurch eigentlich sie sich vom wachen Zustande unterscheide, wissen wir wieder nicht. – Es giebt keine Geisteskraft, die sich im Traume nie thätig erwiese: dennoch zeigt der Verlauf desselben, wie auch unser eigenes Benehmen darin, oft außerordentlichen Mangel an Urtheilskraft, imgleichen, wie schon oben erörtert, an Gedächtniß.

      Hinsichtlich auf unsern Hauptgegenstand bleibt die Thatsache stehn, daß wir ein Vermögen haben zur anschaulichen Vorstellung raumerfüllender Gegenstände und zum Vernehmen und Verstehn von Tönen und Stimmen jeder Art, Beides ohne die äußere Anregung der Sinnesempfindungen, welche hingegen zu unsrer wachen Anschauung die Veranlassung, den Stoff, oder die empirische Grundlage, liefern, mit derselben jedoch darum keineswegs identisch sind; da solche durchaus intellektual ist und nicht bloß sensual; wie ich dies öfter dargethan und bereits oben die betreffenden Hauptstellen angeführt habe. Jene, keinem Zweifel unterworfene Thatsache nun aber haben wir fest zu halten: denn sie ist das Urphänomen, auf welches alle unsere ferneren Erklärungen zurückweisen, indem sie nur die sich noch weiter erstreckende Thätigkeit des bezeichneten Vermögens darthun werden.

      Zur Benennung desselben wäre der bezeichnendeste Ausdruck der, welchen die Schotten für eine besondere Art seiner Aeußerung oder Anwendung sehr sinnig gewählt haben, geleitet von dem richtigen Takt, den die eigenste Erfahrung verleiht: er heißt: second sight, das zweite Gesicht. Denn die hier erörterte Fähigkeit zu träumen ist in der That ein zweites, nämlich nicht, wie das erste, durch die äußern Sinne vermitteltes Anschauungsvermögen, dessen Gegenstände jedoch, der Art und Form nach, dieselben sind, wie die des ersten; woraus zu schließen, daß es, eben wie dieses eine Funktion des Gehirns ist. Jene Schottische Benennung würde daher die passendeste seyn, um die ganze Gattung der hieher gehörigen Phänomene zu bezeichnen und sie auf ein Grund-Vermögen zurückzuführen: da jedoch die Erfinder derselben sie zur Bezeichnung einer besonderen seltenen und höchst merkwürdigen Aeußerung jenes Vermögens verwendet haben; so darf ich nicht, so gern ich es auch möchte, sie gebrauchen, die ganze Gattung jener Anschauungen, oder genauer, das subjektive Vermögen, welches sich in ihnen allen kund giebt, zu bezeichnen. Für dieses bleibt mir daher keine passendere Benennung, als die des Traumorgans, als welche die ganze in Rede stehende Anschauungsweise durch diejenige Aeußerung derselben bezeichnet, die Jedem bekannt und geläufig ist. Ich werde mich also derselben zur Bezeichnung des dargelegten, vom äußern Eindruck auf die Sinne unabhängigen Anschauungsvermögens bedienen.

      Die Gegenstände, welche dasselbe im gewöhnlichen Traume uns vorführt, sind wir gewohnt als ganz illusorisch zu betrachten; da sie beim Erwachen verschwinden. Inzwischen ist Diesem doch nicht allemal so, und es ist, in Hinsicht auf unser Thema, sehr wichtig, die Ausnahme hievon aus eigener Erfahrung kennen zu lernen, was vielleicht Jeder könnte, wenn er die gehörige Aufmerksamkeit auf die Sache verwendete. Es giebt nämlich einen Zustand, in welchem wir zwar schlafen und träumen; jedoch eben nur die uns umgebende Wirklichkeit selbst träumen. Demnach sehn wir alsdann unser Schlafgemach, mit Allem, was darin ist, werden auch etwan eintretende Menschen gewahr, wissen uns selbst im Bett, Alles richtig und genau. Und doch schlafen wir, mit fest geschlossenen Augen: wir träumen; nur ist was wir träumen wahr und wirklich. Es ist nicht anders, als ob alsdann unser Schädel durchsichtig geworden wäre, so daß die Außenwelt nunmehr, statt durch den Umweg und die enge Pforte der Sinne, geradezu und unmittelbar ins Gehirn käme. Dieser Zustand ist vom wachen viel schwerer zu unterscheiden, als der gewöhnliche Traum; weil beim Erwachen daraus keine Umgestaltung der Umgebung, also gar keine objektive Veränderung, vorgeht. Nun ist aber (siehe Welt als W. u. V. Bd. l. §. 5.) das Erwachen das

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