Parerga und Paralipomena. Arthur Schopenhauer

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Parerga und Paralipomena - Arthur  Schopenhauer

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als unerbittliches Schicksal auftritt.

      – Sollte es nun mit dem Schicksal in der Wirklichkeit und mit der Planmäßigkeit, die vielleicht Jeder, in seinem eigenen Lebenslaufe, demselben abmerkt, nicht ein Bewandtniß haben können, das dem am Traume dargelegten analog wäre? Bisweilen geschieht es, daß wir einen Plan entworfen und lebhaft ergriffen haben, von dem sich später ausweist, daß er unserm wahren Wohl keineswegs gemäß war; den wir inzwischen eifrig verfolgen, jedoch nun hiebei eine Verschwörung des Schicksals gegen denselben erfahren, als welches alle seine Maschinerie in Bewegung setzt, ihn zu vereiteln; wodurch es uns dann endlich, wider unsern Willen, auf den uns wahrhaft angemessenen Weg zurückstößt. Bei einem solchen absichtlich scheinenden Widerstande brauchen manche Leute die Redensart: ich merke, es soll nicht seyn; andere nennen es ominös, noch andere einen Fingerzeig Gottes: sämmtlich aber theilen sie die Ansicht, daß, wenn das Schicksal sich einem Plane mit so offenbarer Hartnäckigkeit entgegenstellt, wir ihn aufgeben sollten; weil er, als zu unserer uns unbewußten Bestimmung nicht passend, doch nicht verwirklicht werden wird und wir uns, durch halsstarriges Verfolgen desselben, nur noch härtere Rippenstöße des Schicksals zuziehn, bis wir endlich wieder auf dem rechten Wege sind; oder auch weil, wenn es uns gelänge, die Sache zu forciren, solche uns nur zum Schaden und Unheil gereichen würde.

      Hier findet das oben angeführte ducunt volentem fata, nolentem trahunt seine ganze Bestätigung. In manchen Fällen kommt nun hinterher wirklich zu Tage, daß die Vereitelung eines solchen Planes unserm wahren Wohle durchaus förderlich gewesen ist: Dies könnte daher auch da der Fall seyn, wo es uns nicht kund wird; zumal wenn wir als unser wahres Wohl das metaphysisch-moralische betrachten. – Sehn wir nun aber von hier zurück auf das Hauptergebniß meiner gesammten Philosophie, daß nämlich Das, was das Phänomen der Welt darstellt und erhält, der Wille ist, der auch in jedem Einzelnen lebt und strebt, und erinnern wir uns zugleich der so allgemein anerkannten Aehnlichkeit des Lebens mit dem Traume; so können wir, alles Bisherige zusammenfassend, es uns, ganz im Allgemeinen, als möglich denken, daß, auf analoge Weise, wie Jeder der heimliche Theaterdirektor seiner Träume ist, so auch jenes Schicksal, welches unsern wirklichen Lebenslauf beherrscht, irgendwie zuletzt von jenem Willen ausgehe, der unser eigener ist, welcher jedoch hier, wo er als Schicksal aufträte, von einer Region aus wirkte, die weit über unser vorstellendes, individuelles Bewußtseyn hinausliegt, während hingegen dieses die Motive liefert, die unsern empirisch erkennbaren, individuellen Willen leiten, der daher oft auf das heftigste zu kämpfen hat mit jenem unserm, als Schicksal sich darstellenden Willen, unserm leitenden Genius, unserm Geist, der außerhalb uns wohnt und seinen Stuhl in die obern Sterne setzt, als welcher das individuelle Bewußtseyn weit übersieht und daher, unerbittlich gegen dasselbe, als äußern Zwang Das veranstaltet und feststellt, was herauszufinden er demselben nicht überlassen durfte und doch nicht verfehlt wissen will.

      Das Befremdliche, ja Exorbitante dieses gewagten Satzes zu mindern mag zuvörderst eine Stelle im Skotus Erigena dienen, bei der zu erinnern ist, daß sein Deus, als welcher ohne Erkenntniß ist und von welchem Zeit und Raum, nebst den zehn Aristotelischen Kategorien, nicht zu prädiciren sind, ja, dem überhaupt nur Ein Prädikat bleibt, Wille, – offenbar nichts Anders ist, als was bei mir der Wille zum Leben: est etiam alia species ignorantiae in Deo, quando ea, quae praescivit et praedestinavit, ignorare dicitur, dum adhuc in rerum factarum cursibus experimento non apparuerint (De divis. nat. p. 83 edit. 0xon.). Und bald darauf: tertia species divinae ignorantiae est, per quam Deus dicitur ignorare ea, quae nondum experimento actionis et operationis in effectibus manifeste apparent; quorum tamen invisibiles rationes in seipso, a seipso creatas et sibi ipsi cognitas possidet. —

      Wenn wir nun, um die dargelegte Ansicht uns einigermaaßen faßlich zu machen, die anerkannte Aehnlichkeit des individuellen Lebens mit dem Traume zu Hülfe genommen haben; so ist andrerseits auf den Unterschied aufmerksam zu machen, daß im bloßen Traume das Verhältniß einseitig ist, nämlich nur ein Ich wirklich will und empfindet, während die Uebrigen nichts, als Phantome sind; im großen Traume des Lebens hingegen ein wechselseitiges Verhältniß Statt findet, indem nicht nur der Eine im Traume des Andern, gerade so wie es daselbst nöthig ist, figurirt, sondern auch dieser wieder in dem seinigen; so daß, vermöge einer wirklichen harmonia praestabilita, Jeder doch nur Das träumt, was ihm, seiner eigenen metaphysischen Lenkung gemäß, angemessen ist, und alle Lebensträume so künstlich in einander geflochten sind, daß Jeder erfährt, was ihm gedeihlich ist und zugleich leistet, was Andern nöthig; wonach denn eine etwanige große Weltbegebenheit sich dem Schicksale vieler Tausende, Jedem auf individuelle Weise, anpaßt. Alle Ereignisse im Leben eines Menschen ständen demnach in zwei grundverschiedenen Arten des Zusammenhangs: erstlich, im objektiven, kausalen Zusammenhange des Naturlaufs; zweitens, in einem subjektiven Zusammenhange, der nur in Beziehung auf das sie erlebende Individuum vorhanden und so subjektiv wie dessen eigene Träume ist, in welchem jedoch ihre Succession und Inhalt ebenfalls nothwendig bestimmt ist, aber in der Art, wie die Succession der Scenen eines Drama’s durch den Plan des Dichters.

      Daß nun jene beiden Arten des Zusammenhangs zugleich bestehn und die nämliche Begebenheit, als ein Glied zweier ganz verschiedener Ketten, doch beiden sich genau einfügt, in Folge wovon jedes Mal das Schicksal des Einen zum Schicksal des Andern paßt und Jeder der Held seines eigenen, zugleich aber auch der Figurant im fremden Drama ist, dies ist freilich etwas, das alle unsere Fassungskraft übersteigt und nur vermöge der wundersamsten harmonia praestabilita als möglich gedacht werden kann. Aber wäre es andrerseits nicht engbrüstiger Kleinmuth, es für unmöglich zu halten, daß die Lebensläufe aller Menschen in ihrem Ineinandergreifen eben so viel concentus und Harmonie haben sollten, wie der Komponist den vielen, scheinbar durch einander tobenden Stimmen seiner Symphonie zu geben weiß? Auch wird unsere Scheu vor jenem kolossalen Gedanken sich mindern, wenn wir uns erinnern, daß das Subjekt des großen Lebenstraumes in gewissem Sinne nur Eines ist, der Wille zum Leben, und daß alle Vielheit der Erscheinungen durch Zeit und Raum bedingt ist. Es ist ein großer Traum, den jenes Eine Wesen träumt: aber so, daß alle seine Personen ihn mitträumen. Daher greift Alles in einander und paßt zu einander. Geht man nun darauf ein, nimmt man jene doppelte Kette aller Begebenheiten an, vermöge deren jedes Wesen einerseits seiner selbst wegen da ist, seiner Natur gemäß mit Nothwendigkeit handelt und wirkt und seinen eigenen Gang geht, andrerseits aber auch für die Auffassung eines fremden Wesens und die Einwirkung auf dasselbe so ganz bestimmt und geeignet ist, wie die Bilder in dessen Träumen; – so wird man Dieses auf die ganze Natur, also auch auf Thiere und erkenntnißlose Wesen, auszudehnen haben. Da eröffnet sich dann abermals eine Aussicht auf die Möglichkeit der omina, praesagia und portenta, indem nämlich Das, was, nach dem Laufe der Natur, nothwendig eintritt, doch andrerseits wieder anzusehn ist als bloßes Bild für mich und Staffage meines Lebenstraumes, bloß in Bezug auf mich geschehend und existirend, oder auch als bloßer Widerschein und Widerhall meines Thuns und Erlebens; wonach dann das Natürliche und ursächlich nachweisbar Nothwendige eines Ereignisses das Ominose desselben keineswegs aufhöbe, und eben so dieses nicht jenes. Daher sind Die ganz auf dem Irrwege, welche das Ominose eines Ereignisses dadurch zu beseitigen vermeinen, daß sie die Unvermeidlichkeit seines Eintritts darthun, indem sie die natürlichen und nothwendig wirkenden Ursachen desselben recht deutlich und, wenn es ein Naturereigniß ist, mit gelehrter Miene, auch physikalisch nachweisen. Denn an diesen zweifelt kein vernünftiger Mensch, und für ein Mirakel will Keiner das Omen ausgeben; sondern gerade daraus, daß die ins Unendliche hinausreichende Kette der Ursachen und Wirkungen, mit der ihr eigenen, strengen Nothwendigkeit und unvordenklichen Prädestination, den Eintritt dieses Ereignisses, in solchem bedeutsamen Augenblick, unvermeidlich festgestellt hat, erwächst demselben das Ominose; daher jenen Altklugen, zumal wenn sie physikalisch werden, das there are more things in heaven and earth, than are dreamt of in your philosophy (Hamlet, Act I, Sc. 5) vorzüglich zuzurufen ist. Andrerseits jedoch sehn wir mit dem Glauben an die Omina auch der Astrologie wieder die Thüre geöffnet; da die geringste, als ominos geltende Begebenheit, der Flug eines Vogels, das Begegnen eines Menschen u. dgl. durch eine eben so unendlich lange und eben so streng nothwendige Kette

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