Parerga und Paralipomena. Arthur Schopenhauer

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Parerga und Paralipomena - Arthur  Schopenhauer

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so gut wie Heinrich VIII., ein defensor fidei, und erkennt hierin seinen ersten und hauptsächlichen Beruf. Nachdem also Kant allen möglichen Beweisen der spekulativen Theologie den Nerv so rein durchschnitten hatte, daß seitdem sich Niemand mehr mit ihnen hat befassen mögen; da besteht denn das philosophische Bestreben, seit fast funfzig Jahren, in allerlei Versuchen, die Theologie fein leise zu erschleichen, und die philosophischen Schriften sind meistens nichts Anderes, als fruchtlose Belebungsversuche an einem entseelten Leichnam. So haben denn z. B. die Herren von der lukrativen Philosophie im Menschen ein Gottesbewußtseyn entdeckt, welches bis dahin aller Welt entgangen war, und werfen damit, durch ihre wechselseitige Einstimmung und die Unschuld ihres nächsten Publikums dreist gemacht, keck und kühn um sich, wodurch sie am Ende gar die ehrlichen Holländer der Universität Leyden verführt haben; so daß diese, die Winkelzüge der Philosophieprofessoren richtig für Fortschritte der Wissenschaft ansehend, ganz treuherzig, am 15. Februar 1844, die Preisfrage gestellt haben: quid statuendum de Sensu Dei, qui dicitur, menti humanae indito, u. s. w. Vermöge eines solchen Gottesbewußtseyns wäre denn Das, was mühsam zu beweisen alle Philosophen, bis auf Kant, sich abarbeiteten, etwas unmittelbar Bewußtes. Welche Pinsel müßten aber dann alle jene früheren Philosophen gewesen seyn, die sich ihr Leben lang abgemüht haben, Beweise für eine Sache aufzustellen, deren wir uns geradezu bewußt sind, welches besagt, daß wir sie noch unmittelbarer erkennen, als daß 2 Mal 2 vier ist, als wozu doch schon Ueberlegung gehört. Eine solche Sache beweisen zu wollen, müßte ja seyn, wie wenn man beweisen wollte, daß die Augen sehn, die Ohren hören und die Nase rieche. Und welch unvernünftiges Vieh müßten doch die Anhänger der, nach der Zahl ihrer Bekenner, vornehmsten Religion auf Erden, die Buddhaisten, seyn, deren Religionseifer so groß ist, daß in Tibet beinahe der sechste Mensch dem geistlichen Stande angehört und damit dem Cölibat verfallen ist, deren Glaubenslehre jedoch zwar eine höchst lautere, erhabene, liebevolle, ja streng asketische Moral (die nicht, wie die Christliche, die Thiere vergessen hat) trägt und stützt, allein nicht nur entschieden atheistisch ist, sondern sogar ausdrücklich den Theismus perhorrescirt. Die Persönlichkeit ist nämlich ein Phänomen, das uns nur aus unserer animalischen Natur bekannt und daher, von dieser gesondert, nicht mehr deutlich denkbar ist: ein solches nun zum Ursprung und Prinzip der Welt zu machen, ist immer ein Satz, der nicht sogleich Jedem in den Kopf will; geschweige daß er schon von Hause aus darin wurzelte und lebte. Ein unpersönlicher Gott hingegen ist eine bloße Philosophieprofessorenflause, eine contradictio in adjecto, ein leeres Wort, die Gedankenlosen abzufinden, oder die Vigilanten zu beschwichtigen.

      Zwar athmen also die Schriften unserer UniversitätsPhilosophen den lebendigsten Eifer für die Theologie; dagegen aber sehr geringen für die Wahrheit. Denn ohne Scheu vor dieser werden Sophismen, Erschleichungen, Verdrehungen, falsche Assertionen, mit unerhörter Dreistigkeit, angewandt, ja angehäuft, werden sogar, wie oben ausgeführt, der Vernunft unmittelbare, übersinnliche Erkenntnisse, – also angeborene Ideen, – angedichtet, oder richtiger angelogen; Alles einzig und allein um Theologie herauszubringen: nur Theologie! nur Theologie! um jeden Preis, Theologie! – Ich möchte den Herren unmaaßgeblich zu bedenken geben, daß immerhin Theologie viel werth seyn mag; ich aber doch etwas kenne, das jedenfalls noch mehr werth ist, nämlich die Redlichkeit; Redlichkeit, wie im Handel und Wandel, so auch im Denken und Lehren: die sollte mir um keine Theologie feil seyn.

      Wie nun aber die Sachen stehn, muß, wer es mit der Kritik der reinen Vernunft ernstlich genommen, überhaupt es ehrlich gemeint und demnach keine Theologie zu Markte zu bringen hat, jenen Herren gegenüber, freilich zu kurz kommen. Brächte er auch das Vortrefflichste, das je die Welt gesehen, und tischte er alle Weisheit Himmels und der Erden auf; sie werden dennoch Augen und Ohren abwenden, wenn es keine Theologie ist; ja, je mehr Verdienst seine Sache hat, desto mehr wird sie, nicht ihre Bewunderung, sondern ihren Groll erregen; desto determinirteren passiven Widerstand werden sie ihr entgegenstellen, also mit desto hämischerem Schweigen sie zu ersticken suchen, zugleich aber desto lautere Enkomien über die lieblichen Geisteskinder der gedankenreichen Genossenschaft anstimmen, damit nur die ihnen verhaßte Stimme der Einsicht und Aufrichtigkeit nicht durchdringe. So nämlich verlangt es, in diesem Zeitalter skeptischer Theologen und rechtgläubiger Philosophen, die Politik der Herren, welche sich mit Weib und Kind von der Wissenschaft ernähren, welcher meiner Eins, ein langes Leben hindurch, alle seine Kräfte opfert. Denn ihnen kommt es, den Winken hoher Vorgesetzten gemäß, nur auf Theologie an: alles Andere ist Nebensache. Definiren sie doch schon von vorne herein, Jeder in seiner Sprache, Wendung und Verschleierung, die Philosophie als spekulative Theologie und geben das Jagdmachen auf Theologie ganz naiv als den wesentlichen Zweck der Philosophie an. Sie wissen nichts davon, daß man frei und unbefangen an das Problem des Daseyns gehn und die Welt, nebst dem Bewußtseyn, darin sie sich darstellt, als das allein Gegebene, das Problem, das Räthsel der alten Sphinx, vor die man hier kühn getreten ist, betrachten soll. Sie ignoriren kläglich, daß Theologie, wenn sie Eingang in die Philosophie verlangt, gleich allen andern Lehren, erst ihr Kreditiv vorzuweisen hat, das dann geprüft wird auf dem Büreau der Kritik der reinen Vernunft, als welche bei allen Denkenden noch in vollstem Ansehn steht, und an demselben, durch die komischen Grimassen, welche die Kathederphilosophen des Tages gegen sie zu schneiden bemüht sind, wahrlich nicht das Geringste eingebüßt hat. Ohne ein vor ihr bestehendes Kreditiv also findet die Theologie keinen Eintritt und soll ihn weder ertrotzen, noch erschleichen, noch auch erbetteln, mit Berufung darauf, daß Kathederphilosophen nun ein Mal nichts Anderes feil haben dürfen: – mögen sie doch die Boutique schließen. Denn die Philosophie ist keine Kirche und keine Religion. Sie ist das kleine, nur äußerst Wenigen zugängliche Fleckchen auf der Welt, wo die stets und überall gehaßte und verfolgte Wahrheit ein Mal alles Druckes und Zwanges ledig seyn, gleichsam ihre Saturnalien, die ja auch dem Sklaven freie Rede gestatten, feiern, ja sogar die Prärogative und das große Wort haben, absolut allein herrschen und kein Anderes neben sich gelten lassen soll.

      Die ganze Welt nämlich, und Alles in ihr, ist voller Absicht und meistens niedriger, gemeiner und schlechter Absicht: nur Ein Fleckchen soll, ausgemachterweise, von dieser frei bleiben und ganz allein der Einsicht offen stehn, und zwar der Einsicht in die wichtigsten, Allen angelegensten Verhältnisse: – Das ist die Philosophie. Oder versteht man es etwan anders? nun, dann ist Alles Spaaß und Komödie, – wie Das denn wohl zu Zeiten kommen mag. – Freilich nach den Kompendien der Kathederphilosophen zu urtheilen, sollte man eher denken, die Philosophie wäre eine Anleitung zur Frömmigkeit, ein Institut Kirchengänger zu bilden; da ja die spekulative Theologie meistens gleich unverholen als der wesentliche Zweck und Ziel der Sache vorausgesetzt und mit allen Segeln und Rudern nur darauf hingesteuert wird. Gewiß aber ist, daß alle und jede Glaubensartikel, sie mögen nun offen und unverholen in die Philosophie hineingetragen seyn, wie Dies in der Scholastik geschah, oder durch petitiones principii, falsche Axiome, erlogene innere Erkenntnißquellen, Gottesbewußtseyne, Scheinbeweise, hochtrabende Phrasen und Gallimathias eingeschwärzt werden, wie es heut zu Tage Brauch ist, der Philosophie zum entschiedenen Verderb gereichen; weil all Dergleichen die klare, unbefangene, rein objektive Auffassung der Welt und unsers Daseyns, diese erste Bedingung alles Forschens nach Wahrheit, unmöglich macht.

      Unter der Benennung und Firma der Philosophie und in fremdartigem Gewande die Grunddogmen der Landesreligion, welche man alsdann, mit einem Hegel’s würdigen Ausdruck, die absolute Religion titulirt, vortragen, mag eine recht nützliche Sache seyn; sofern es dient, die Studenten den Zwecken des Staates besser anzupassen, imgleichen auch das lesende Publikum im Glauben zu befestigen: aber Dergleichen für Philosophie ausgeben heißt denn doch eine Sache für Das verkaufen, was sie nicht ist. Wenn Dies und alles Obige seinen ungestörten Fortgang behält, muß mehr und mehr die Universitätsphilosophie zu einer remora der Wahrheit werden. Denn es ist um alle Philosophie geschehn, wenn zum Maaßstab ihrer Beurtheilung oder gar zur Richtschnur ihrer Sätze, etwas Anderes genommen wird, als ganz allein die Wahrheit, die, selbst bei aller Redlichkeit des Forschens und aller Anstrengung der überlegensten Geisteskraft, so schwer zu erreichende Wahrheit: es führt dahin, daß sie zu einer blossen fable convenue wird, wie Fontenelle die Geschichte nennt. Nie wird man in der Lösung der Probleme, welche unser so unendlich räthselhaftes Daseyn uns von allen Seiten

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