Parerga und Paralipomena. Arthur Schopenhauer
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Solcher Vorbereitung jedoch entsprechend, ist bei den Kathederphilosophen das eigentliche und wesentliche Thema der Metaphysik die Auseinandersetzung des Verhältnisses Gottes zur Welt: die weitläuftigsten Erörterungen desselben füllen ihre Lehrbücher. Diesen Punkt ins Reine zu bringen, glauben sie sich vor Allem berufen und bezahlt; und da ist es nun ergötzlich zu sehn, wie altklug und gelehrt sie vom Absolutum, oder Gott, reden, sich ganz ernsthaft gebärdend, als wüßten sie wirklich irgend etwas davon: es erinnert an den Ernst, mit welchem die Kinder ihr Spiel betreiben. Da erscheint denn jede Messe eine neue Metaphysik, welche aus einem weitläuftigen Bericht über den lieben Gott besteht, auseinandersetzt, wie es eigentlich mit ihm stehe und wie er dazu gekommen sei, die Welt gemacht oder geboren, oder sonst wie hervorgebracht zu haben, so daß es scheint, sie erhielten halbjährlich über ihn die neuesten Nachrichten. Manche gerathen nun aber dabei in eine gewisse Verlegenheit, deren Wirkung hochkomisch ausfällt. Sie haben nämlich einen ordentlichen, persönlichen Gott, wie er im A. T. steht, zu lehren: das wissen sie. Andrerseits jedoch ist, seit ungefähr 40 Jahren, der Spinozistische Pantheismus, nach welchem das Wort Gott ein Synonym von Welt ist, unter den Gelehrten, und sogar den bloß Gebildeten, durchaus vorherrschend und allgemeine Mode: das möchten sie doch auch nicht so ganz fahren lassen; dürfen jedoch nach dieser verbotenen Schüssel eigentlich die Hand nicht ausstrecken. Nun suchen sie sich durch ihr gewöhnliches Mittel, dunkle, verworrene, konfuse Phrasen und hohlen Wortkram zu helfen, wobei sie sich jämmerlich drehen und winden: da sieht man denn Einige, in Einem Athem versichern, der Gott sei von der Welt total, unendlich und himmelweit, ganz eigentlich himmelweit, verschieden, zugleich aber ganz und gar mit ihr verbunden und Eins, ja, stecke bis über die Ohren drinne; wodurch sie mich dann jedes Mal an den Weber Bottom im Johannisnachtstraum erinnern, welcher verspricht, zu brüllen, wie ein entsetzlicher Löwe, zugleich aber doch so sanft, wie nur irgend eine Nachtigal flöten kann. In der Ausführung gerathen sie dabei in die seltsamste Verlegenheit: sie behaupten nämlich, außerhalb der Welt sei kein Platz für ihn: danach können sie ihn aber innerhalb auch nicht brauchen, rockiren nun mit ihm hin und her, bis sie sich mit ihm zwischen zwei Stühlen niederlassen27.
Hingegen die Kritik der reinen Vernunft, mit ihren Beweisen a priori der Unmöglichkeit aller Gotteserkenntniß, ist ihnen Schnickschnack, durch den sie sich nicht irre machen lassen: sie wissen wozu sie dasind. Ihnen einzuwenden, daß sich nichts Unphilosophischeres denken läßt, als immerfort von etwas zu reden, von dessen Daseyn man erwiesenstermaaßen keine Kenntniß und von dessen Wesen man gar keinen Begriff hat, – ist naseweises Einreden: sie wissen wozu sie dasind. – Ich bin ihnen bekanntlich Einer, der tief unter ihrer Notiz und Aufmerksamkeit steht, und durch die gänzliche Nichtbeachtung meiner Werke haben sie an den Tag zu legen vermeint, was ich sei (wiewohl sie gerade dadurch an den Tag gelegt haben, was sie sind): daher wird es, wie Alles, was ich seit 35 Jahren vorgebracht habe, in den Wind geredet seyn, wenn ich ihnen sage, daß Kant nicht gescherzt hat, daß wirklich und im vollsten Ernst, die Philosophie keine Theologie ist, noch jemals seyn kann; daß sie vielmehr etwas ganz Anderes, von jener völlig Verschiedenes ist. Ja, wie bekanntlich jede andere Wissenschaft durch Einmischung von Theologie verdorben wird, so auch die Philosophie, und zwar am allermeisten; wie Solches die Geschichte derselben bezeugt: daß Dies sogar auch von der Moral gelte, habe ich in meiner Abhandlung über das Fundament derselben sehr deutlich dargethan; daher die Herren auch über diese mäuschenstill gewesen sind; getreu ihrer Taktik des passiven Widerstandes. Die Theologie nämlich deckt mit ihrem Schleier alle Probleme der Philosophie zu und macht daher nicht nur die Lösung, sondern sogar die Auffassung derselben unmöglich. Also, wie gesagt, die Kritik der reinen Vernunft ist ganz ernstlich der Kündigungsbrief der bisherigen ancilla theologiae gewesen, welche darin, Ein für alle Mal, ihrer gestrengen Gebieterin den Dienst aufgesagt hat. Seitdem hat nun diese sich mit einem Miethling begnügt, der die zurückgelassene Livree des ehemaligen Dieners, bloß zum Schein, gelegentlich anzieht; wie in Italien, wo dergleichen Substitute zumal am Sonntage häufig zu sehn und daher unter dem Namen der Domenichini bekannt sind.
Allein an der Universitätsphilosophie haben Kants Kritiken und Argumente freilich scheitern müssen. Denn da heißt es: sic volo, sic jubeo, sit pro ratione voluntas: die Philosophie soll Theologie seyn, und wenn die Unmöglichkeit der Sache von zwanzig