Parerga und Paralipomena. Arthur Schopenhauer

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Parerga und Paralipomena - Arthur  Schopenhauer

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er sich befreundet hat. Dadurch erhalten denn dergleichen philosophische Mißgeburten eine ihnen sonst Unmögliche Verbreitung, ihre Urheber aber eine einträgliche Celebrität. Wie hätte es außerdem geschehn können, daß z. B. ein solcher Komplex von Verkehrtheiten, wie die Einleitung in die Philosophie von Herbart, fünf Auflagen erlebte? Daher schreibt sich denn wieder der Narrenübermuth, mit welchem (z. B. S. 234, 35, der 4. Aufl.) dieser entschiedene Oueerkopf vornehm auf Kant herabsieht und ihn mit Nachsicht zurechtweist. —

      Betrachtungen dieser Art und namentlich der Rückblick auf das ganze Treiben mit der Philosophie auf Universitäten seit Kants Abgange, stellen in mir mehr und mehr die Meinung fest, daß, wenn es überhaupt eine Philosophie geben soll, d. h. wenn es dem menschlichen Geiste vergönnt seyn soll, seine höchsten und edelsten Kräfte dem, ohne allen Vergleich, wichtigsten aller Probleme zuwenden zu dürfen, Dies nur dann mit Erfolg geschehn kann, wann die Philosophie allem Einflusse des Staates entzogen bleibt, und daß demnach dieser schon ein Großes für sie thut und ihr seine Humanität und seinen Edelmuth genugsam beweist, wenn er sie nicht verfolgt, sondern sie gewähren läßt und ihr Bestand vergönnt, als einer freien Kunst, die übrigens ihr eigener Lohn seyn muß; wogegen er des Aufwandes für Professuren derselben sich überhoben achten kann; weil die Leute, die von der Philosophie leben wollen, höchst selten eben Die seyn werden, welche eigentlich für sie leben, bisweilen aber sogar Die seyn können, welche versteckterweise gegen sie machiniren.

      Oeffentliche Lehrstühle gebüren allein den bereits geschaffenen, wirklich vorhandenen Wissenschaften, welche man daher eben nur gelernt zu haben braucht, um sie lehren zu können, die also im Ganzen bloß weiter zu geben sind, wie das auf dem schwarzen Brette gebräuchliche tradere besagt; wobei es jedoch den fähigeren Köpfen unbenommen bleibt, sie zu bereichern, zu berichtigen, und zu vervollkommnen. Aber eine Wissenschaft, die noch gar nicht existirt, die ihr Ziel noch nicht erreicht hat, nicht ein Mal ihren Weg sicher kennt, ja deren Möglichkeit noch bestritten wird, eine solche Wissenschaft durch Professoren lehren zu lassen ist eigentlich absurd. Die natürliche Folge davon ist, daß Jeder von Diesen glaubt, sein Beruf sei, die noch fehlende Wissenschaft zu schaffen; nicht bedenkend, daß einen solchen Beruf nur die Natur, nicht aber das Ministerium des öffentlichen Unterrichts ertheilen kann.

      Er versucht es daher, so gut es gehn will, setzt baldigst seine Mißgeburt in die Welt und giebt sie für die lang ersehnte Sophia aus, wobei es an einem dienstwilligen Kollegen, der bei ihrer Taufe als solcher zu Gevatter steht, gewiß nicht fehlen wird. Danach werden dann die Herren, weil sie ja von der Philosophie leben, so dreist, daß sie sich Philosophen nennen, und demnach auch vermeinen, ihnen gebüre das große Wort und die Entscheidung in Sachen der Philosophie, ja, daß sie am Ende gar noch Philosophenversammlungen (eine contradictio in adjecto, da Philosophen selten im Dual und fast nie im Plural zugleich auf der Welt sind) ansagen und dann schaarenweise zusammenlaufen, das Wohl der Philosophie zu berathen25!

      Vor Allem jedoch werden solche Universitätsphilosophen bestrebt seyn, der Philosophie diejenige Richtung zu geben, welche den ihnen am Herzen liegenden, oder vielmehr gelegten Zwecken entspricht, und hiezu, erforderlichen Falls, sogar die Lehren der ächten frühern Philosophen modeln und verdrehen, zur Noth sogar verfälschen, nur damit herauskomme was sie brauchen. Da nun das Publikum so kindisch ist, stets nach dem Neuesten zu greifen, ihre Schriften aber doch den Titel Philosophie führen; so ist die Folge, daß, durch die Abgeschmacktheit, oder Verkehrtheit, oder Unsinnigkeit, oder wenigstens marternde Langweiligkeit derselben, gute Köpfe, welche Neigung zur Philosophie spüren, von ihr wieder zurückgeschreckt werden, wodurch sie selbst allmälig in Mißkredit geräth, wie Dies bereits der Fall ist.

      Aber nicht nur steht es mit den eigenen Schöpfungen der Herren schlecht, sondern die Periode seit Kant beweist auch, daß sie nicht ein Mal im Stande sind, das von großen Köpfen Geleistete, als solches Anerkannte und demnach ihrer Obhut Uebergebene fest zu halten und zu bewahren. Haben sie sich nicht die Kantische Philosophie aus den Händen spielen lassen, durch Fichte und Schelling? Nennen sie nicht noch, durchgängig und höchst skandalöser und ehrenrühriger Weise, den Windbeutel Fichte stets neben Kant, als ungefähr seines Gleichen? Trat nicht, nachdem die oben genannten zwei Philosophaster Kants Lehre verdrängt und antiquirt hatten, an die Stelle der strengen, von Kant aller Metaphysik gesetzten Kontrole die zügelloseste Phantasterei?

      Haben sie diese nicht theils brav mitgemacht, theils unterlassen, ihr, mit der Kritik der Vernunft in der Hand, sich fest entgegenzustellen? weil sie nämlich es gerathener fanden, die eingetretene laxe Observanz zu benutzen, um entweder ihre selbstausgeheckten Sächelchen, z. B. Herbartische Possen und Friesisches Altweibergeschwätz, und überhaupt Jeder seine eigene Marotte, zu Markte zu bringen, oder auch um Lehren der Landesreligion als philosophische Ergebnisse einschwärzen zu können. Hat dies Alles nicht den Weg gebahnt zur skandalösesten philosophischen Scharlatanerie, deren je die Welt sich zu schämen gehabt hat, zum Treiben des Hegels und seiner erbärmlichen Gesellen? Haben nicht selbst Die, welche dem Unwesen sich widersetzten, dabei stets, unter tiefen Bücklingen, vom großen Genie und gewaltigen Geiste jenes Scharlatans und Unsinnsschmierers geredet und dadurch bewiesen, daß sie Pinsel sind? Sind nicht hievon (der Wahrheit zur Steuer sei es gesagt) Krug und Fries allein auszunehmen, welche gegen den Kopfverderber geradezu auftretend, ihm bloß die Schonung erwiesen haben, die nun ein Mal jeder Philosophieprofessor unwiderruflich gegen den andern ausübt? Hat nicht der Lerm und das Geschrei, welches die deutschen Universitätsphilosophen, in Bewunderung jener drei Sophisten, erhoben, endlich auch in England und Frankreich allgemeine Aufmerksamkeit erregt, welche jedoch, nach näherer Untersuchung der Sache, sich in Gelächter auflöste? – Besonders aber zeigen sie sich als treulose Wächter und Bewahrer der im Laufe der Jahrhunderte schwer errungenen und endlich ihrer Obhut anvertrauten Wahrheiten, sobald es solche sind, die nicht in ihren Kram passen, d. h. nicht zu den Resultaten einer platten, rationalistischen, optimistischen, eigentlich bloß Jüdischen Theologie stimmen, als welche der im Stillen vorherbeschlossene Zielpunkt ihres ganzen Philosophirens und seiner hohen Redensarten ist. Dergleichen Lehren also, welche die ernstlich gemeinte Philosophie nicht ohne große Anstrengung zu Tage gefördert hat, werden sie zu obliteriren, zu vertuschen, zu verdrehen und herabzuziehn suchen zu Dem, was in ihren Studentenerziehungsplan und besagte Rockenphilosophie paßt. Ein empörendes Beispiel dieser Art giebt die Lehre von der Freiheit des Willens. Nachdem die strenge Nothwendigkeit aller menschlichen Willensakte durch die vereinten und successiven Anstrengungen großer Köpfe, wie Hobbes, Spinoza, Priestley und Hume unwiderleglich dargethan worden, auch Kant die Sache als bereits vollkommen ausgemacht genommen hatte26; thun sie mit Einem Male, als wäre nichts geschehn, verlassen sich auf die Unwissenheit ihres Publikums und nehmen in Gottes Namen, noch am heutigen Tage, in fast allen ihren Lehrbüchern die Freiheit des Willens als eine ausgemachte und sogar unmittelbar gewisse Sache. Wie verdient ein solches Verfahren benannt zu werden? Wenn eine solche, von allen den eben genannten Philosophen so fest als irgend eine, begründete Lehre dennoch von ihnen verhehlt, oder verleugnet wird, um statt ihrer die entschiedene Absurdität vom freien Willen, weil sie ein nothwendiges Bestandstück ihrer Rockenphilosophie ist, den Studenten aufzubinden, sind da die Herren nicht eigentlich die Feinde der Philosophie? Und weil nun (denn conditio optima est ultimi. Sen. ep. 79) die Lehre von der strengen Necessitation aller Willensakte nirgends so gründlich, klar, zusammenhängend und vollständig dargethan ist, als in meiner von der Norwegischen Societät der Wissenschaften redlich gekrönten Preisschrift; so findet man, ihrer alten Politik, mir überall mit dem passiven Widerstande zu begegnen, gemäß, diese Schrift weder in ihren Büchern, noch in ihren gelehrten Journalen und Litteraturzeitungen irgend erwähnt: sie ist aufs strengste sekretirt und wird comme non avenue angesehn, wie Alles, was nicht in ihren erbärmlichen Kram paßt, wie meine Ethik überhaupt, ja, wie alle meine Werke. Meine Philosophie interessirt eben die Herren nicht: das kommt aber daher, daß die Ergründung der Wahrheit sie nicht interessirt. Was sie hingegen interessirt, das sind ihre Gehalte, ihre Honorarlonisd’ors und ihre Hofrathstitel.

      Zwar interessirt sie auch die Philosophie: insofern nämlich, als sie ihr Brod von derselben haben: insofern interessirt sie die Philosophie. Sie sind es, welche schon Giordano Bruno charakterisirt, als sordidi

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