Parerga und Paralipomena. Arthur Schopenhauer

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Parerga und Paralipomena - Arthur  Schopenhauer

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gelehrt hat, alle Völker verehrten den wahren Gott, wenn auch unter andern Namen. Hieran fehlt jedoch nicht nur viel, sondern Alles. Daß der Buddhaismus, also die Religion, welche durch die überwiegende Anzahl ihrer Bekenner die vornehmste auf Erden ist, durchaus und ausdrücklich atheistisch sei, ist durch die Uebereinstimmung aller unverfälschten Zeugnisse und Urschriften außer Zweifel gesetzt. Auch die Veden lehren keinen Gott-Schöpfer, sondern eine Weltseele, genannt das Brahm (im neutro), wovon der, dem Nabel des Wischnu entsprossene Brahma, mit den vier Gesichtern und als Theil des Trimurti, bloß eine populäre Personifikation, in der so höchst durchsichtigen Indischen Mythologie ist. Er stellt offenbar die Zeugung, das Entstehen der Wesen, wie Wischnu ihre Akme, und Schiwa ihren Untergang dar. Auch ist sein Hervorbringen der Welt ein sündlicher Akt, eben wie die Weltinkarnation des Brahm. Sodann dem Ormuzd der Zendavesta ist, wie wir wissen, Ahriman ebenbürtig, und beide sind aus der ungemessenen Zeit, Zervane Akerene (wenn es damit seine Richtigkeit hat), hervorgegangen. Ebenfalls in der von Sanchoniathon niedergeschriebenen und von Philo Byblius uns aufbehaltenen sehr schönen und höchst lesenswerten Kosmogonie der Phönicier, die vielleicht das Urbild der Mosaischen ist, finden wir keine Spur von Theismus oder Weltschöpfung durch ein persönliches Wesen. Nämlich auch hier sehn wir, wie in der Mosaischen Genesis, das ursprüngliche Chaos in Nacht versenkt; aber kein Gott tritt auf, befehlend, es werde Licht, und werde Dies und werde Das: o nein! sondern ήρασθη το πνευμα των ίδιων άρχων: der in der Masse gährende Geist verliebt sich in sein eigenes Wesen, wodurch eine Mischung jener Urbestandtheile der Welt entsteht, aus welcher, und zwar, sehr treffend und bedeutungsvoll, in Folge eben der Sehnsucht, ποθος, welche, wie der Kommentator richtig bemerkt, der Eros der Griechen ist, sich der Urschlamm entwickelt, und aus diesem zuletzt Pflanzen und endlich auch erkennende Wesen, d. i. Thiere hervorgehn. Denn bis dahin ging, wie ausdrücklich bemerkt wird, Alles ohne Erkenntniß vor sich: αυτο δε ουκ ελιλνωσκε την έαυτου κτισιν. So steht es, fügt Sanchoniathon hinzu, in der von Taant, dem Aegypter, niedergeschriebenen Kosmogonie. Auf seine Kosmogonie folgt sodann die nähere Zoogonie. Gewisse atmosphärische und terrestrische Vorgänge werden beschrieben, die wirklich an die folgerichtigen Annahmen unserer heutigen Geologie erinnern: zuletzt folgt auf heftige Regengüsse Donner und Blitz, von dessen Krachen aufgeschreckt die erkennenden Thiere in’s Daseyn erwachen, und nunmehr bewegt sich, auf der Erde und im Meer, das Männliche und Weibliche. – Eusebius, dem wir diese Bruchstücke des Philo Byblius verdanken (S. Praeparat. evangel. L. II, c. 10), klagt demnach mit vollem Recht diese Kosmogonie des Atheismus an: Das ist sie unstreitig, wie alle und jede Lehre von der Entstehung der Welt, mit alleiniger Ausnahme der Jüdischen. – In der Mythologie der Griechen und Römer finden wir zwar Götter, als Väter von Göttern und beiläufig von Menschen (obwohl diese ursprünglich die Töpferarbeit des Prometheus sind), jedoch keinen Gott-Schöpfer. Denn daß späterhin ein Paar mit dem Judenthum bekannt gewordene Philosophen den Vater Zeus zu einem solchen haben umdeuten wollen, kümmert diesen nicht; so wenig, wie daß ihn, ohne seine Erlaubniß dazu eingeholt zu haben, Dante, in seiner Hölle, mit dem Domeneddio, dessen unerhörte Rachsucht und Grausamkeit daselbst celebrirt und ausgemalt wird, ohne Umstände identificiren will; z. B. C. 14, 70. C. 31, 92. Endlich (denn man hat nach Allem gegriffen) ist auch die unzählige Mal wiederholte Nachricht, daß die nordamerikanischen Wilden unter dem Namen des großen Geistes Gott, den Schöpfer Himmels und der Erden, verehrten, mithin reine Theisten wären, ganz unrichtig. Dieser Irrthum ist neuerlich widerlegt worden, durch eine Abhandlung über die nordamerikanischen Wilden, welche John Scouler in einer 1846 gehaltenen Sitzung der Londoner ethnographischen Gesellschaft vorgelesen hat und von welcher l’institut, journal des sociétés savantes, Sect. 2, Juillet 1847, einen Auszug giebt. Er sagt: Wenn man uns, zu den Berichten über die Superstitionen der Indianer, vom großen Geiste spricht, sind wir geneigt, anzunehmen, daß dieser Ausdruck eine Vorstellung bezeichne, die mit der, welche wir daran knüpfen, übereinstimmt und daß ihr Glaube ein einfacher, natürlicher Theismus sei. Allein diese Auslegung ist von der richtigen sehr weit entfernt. Die Religion dieser Indianer ist vielmehr ein reiner Fetischismus, der in Zaubermitteln und Zaubereien besteht. In dem Berichte Tanner’s, der von Kindheit an unter ihnen gelebt hat, sind die Details getreu und merkwürdig, hingegen weit verschieden von den Erfindungen gewisser Schriftsteller: man ersieht nämlich daraus, daß die Religion dieser Indianer wirklich nur ein Fetischismus ist, dem ähnlich, welcher ehemals bei den Finnen und noch jetzt bei den sibirischen Völkern angetroffen wird. Bei den östlich vom Gebirge wohnenden Indianern besteht der Fetisch bloß aus erstwelchem Gegenstande, dem man geheimnißvolle Eigenschaften beilegt u. s. w.

      Diesem Allen zufolge hat die hier in Rede stehende Meinung vielmehr ihrem Gegentheile Platz zu machen, daß nämlich nur ein einziges, zwar sehr kleines, unbedeutendes, von allen gleichzeitigen Völkern verachtetes und ganz allein unter allen ohne irgend einen Glauben an Fortdauer nach dem Tode lebendes, aber nun ein Mal dazu auserwähltes Volk reinen Monotheismus, oder die Erkenntniß des wahren Gottes, gehabt habe; und auch dieses nicht durch Philosophie, sondern allein durch Offenbarung; wie es auch dieser angemessen ist: denn welchen Werth hätte eine Offenbarung, die nur das lehrte, was man auch ohne sie wüßte? – Daß kein anderes Volk einen solchen Gedanken jemals gefaßt hat, muß demnach zur Werthschätzung der Offenbarung beitragen.

      §. 14. Einige Bemerkungen über meine eigene Philosophie.

      Wohl kaum ist irgend ein philosophisches System so einfach und auf so wenigen Elementen zusammengesetzt, wie das meinige; daher sich dasselbe mit Einem Blick leicht überschauen und zusammenfassen läßt. Dies beruht zuletzt auf der völligen Einheit und Uebereinstimmung seiner Grundgedanken, und ist überhaupt ein günstiges Zeichen für seine Wahrheit, die ja der Einfachheit verwandt ist: άπλους ό της αληθειας λογος εφυ. simplex sigillum veri. Man könnte mein System bezeichnen als immanenten Dogmatismus: denn seine Lehrsätze sind zwar dogmatisch, gehn jedoch nicht über die in der Erfahrung gegebene Welt hinaus; sondern erklären bloß was diese sei, indem sie dieselbe in ihre letzten Bestandtheile zerlegen. Nämlich der alte, von Kant umgestoßene Dogmatismus (nicht weniger die Windbeuteleien der drei modernen Universitäts-Sophisten) ist transscendent; indem er über die Welt hinausgeht, um sie aus etwas Anderem zu erklären: er macht sie zur Folge eines Grundes, auf welchen er aus ihr schließt. Meine Philosophie hingegen hub mit dem Satz an, daß es allein in der Welt und unter Voraussetzung derselben Gründe und Folgen gebe; indem der Satz vom Grunde, in seinen vier Gestalten, bloß die allgemeinste Form des Intellekts sei, in diesem aber allein, als dem wahren locus mundi, die objektive Welt dastehe. —

      In andern philosophischen Systemen ist die Konsequenz dadurch zu Wege gebracht, daß Satz aus Satz gefolgert wird. Hiezu aber muß nothwendigerweise der eigentliche Gehalt des Systems schon in den allerobersten Sätzen vorhanden seyn; wodurch denn das Uebrige, als daraus abgeleitet, schwerlich anders, als monoton, arm, leer und langweilig ausfallen kann, weil es eben nur entwickelt und wiederholt, was in den Grundsätzen schon ausgesagt war. Diese traurige Folge der demonstrativen Ableitung wird am fühlbarsten bei Chr. Wolf: aber sogar Spinoza, der jene Methode streng verfolgte, hat diesem Nachtheil derselben nicht ganz entgehn können; wiewohl er, durch seinen Geist, dafür zu kompensiren gewußt hat. – Meine Sätze hingegen beruhen meistens nicht auf Schlußketten, sondern unmittelbar auf der anschaulichen Welt selbst, und die, in meinem Systeme, so sehr wie in irgend einem, vorhandene strenge Konsequenz ist in der Regel nicht eine auf bloß logischem Wege gewonnene; vielmehr ist es diejenige natürliche Uebereinstimmung der Sätze, welche unausbleiblich dadurch eintritt, daß ihnen sämmtlich die intuitive Erkenntniß, nämlich die anschauliche Auffassung des selben, nur successive von verschiedenen Seiten betrachteten Objekts, also der realen Welt, in allen ihren Phänomenen, unter Berücksichtigung des Bewußtseyns, darin sie sich darstellt, zum Grunde liegt. Deshalb auch habe ich über die Zusammenstimmung meiner Sätze stets außer Sorgen seyn können; sogar noch dann, wann einzelne derselben mir, wie bisweilen eine Zeit lang der Fall gewesen, unvereinbar schienen: denn die Uebereinstimmung fand sich nachher richtig von selbst ein, in dem Maaße, wie die Sätze vollzählig zusammenkamen; weil sie bei mir eben nichts Anderes ist,

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