Metaphysik. Aristoteles

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Metaphysik - Aristoteles

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wir unter denjenigen, die jene Wissenschaften betreiben, als den besten Kenner dieses unseres Gebietes ansehen? Ist es doch ganz wohl möglich, daß bei einem und demselben Gegenstande alle Arten des Grundes zusammentreffen; so beim Hause als bewegende Ursache die Kunst und der Baumeister, als Zweckursache der Dienst, den das Haus leistet, als Materie Erde und Steine, als Formursache der Begriff im Geiste des Baumeisters. Nach dem, was wir oben bereits an begrifflichen Bestimmungen über die Frage gegeben haben, welche unter den Wissenschaften als Philosophie zu gelten hat, gibt es gute Gründe, unter den Wissenschaften, die eines jener Prinzipien behandeln, jede als die gesuchte zu bezeichnen. Als oberste Herrscherin und Führerin von allen, als diejenige, der die anderen Wissenschaften als unterwürfige Dienerinnen nicht einmal zu widersprechen das Recht haben, würde die Wissenschaft vom Zweck und vom Guten diesen Anspruch erheben dürfen; denn um des Zweckes willen ist alles andere. Sofern aber die Philosophie bestimmt worden ist als die Wissenschaft von den letzten Gründen und von dem was im höchsten Grade erkennbar ist, würde es die Wissenschaft von der reinen Wesenheit sein, die dieser Bestimmung entspricht. Da es nämlich ein Wissen von einem und demselben Gegenstande in mehrfacher Bedeutung gibt, so schreiben wir demjenigen ein Wissen in höherem Sinne zu, der erkennt, was der Gegenstand ist, als demjenigen, der erkennt, was er nicht ist, und unter jenen wieder dem einen ein eigentlicheres Wissen als dem anderen, und das höchste Wissen dem, der weiß, was die Sache ist, nicht wie groß oder wie beschaffen sie ist oder was zu tun oder zu leiden in ihrer Natur liegt. Und so auch auf den anderen Gebieten meinen wir, daß das Wissen von jeglichem, auch da, wo es strenge Beweisführung gibt, dann vorhanden sei, wenn wir wissen, was der Gegenstand ist, z.B. was die Verwandlung in ein Quadrat ist, nämlich, daß sie das Finden der mittleren Proportionale bedeutet. Und das Gleiche gilt von allem anderen. Von Entstehung aber, von Tätigkeit und überhaupt von jeder Veränderung haben wir ein Wissen dann, wenn wir den Ausgangspunkt der Bewegung kennen. Dies aber bedeutet etwas anderes als den Zweck, ja es steht zu ihm im Gegensätze. Und so könnte man wohl zu der Ansicht kommen, daß die Erforschung jedes einzelnen dieser obersten Gründe einer besonderen Wissenschaft angehört.

      Das zweite Problem

      Eine weitere Streitfrage ist die über die Prinzipien des Beweisens. Gehören sie einer Wissenschaft oder mehreren an? Unter den Prinzipien des Beweisens verstehe ich die gemeinsamen Grundsätze, auf Grund deren man überall einen Beweis führt, z.B. den Grundsatz, daß man notwendig jegliches entweder bejahen oder verneinen muß, und daß es unmöglich ist, daß eines und dasselbe zugleich sei und nicht sei, und was es etwa sonst an derlei obersten Sätzen geben möchte. Die Frage ist, ob alles dies einer und derselben Wissenschaft wie der Wissenschaft von der reinen Wesenheit angehört, oder einer anderen, und wenn nicht einer und derselben, welche von beiden man als die Wissenschaft, die wir im Auge haben, anzusprechen hat.

      Nun ist es nicht wohl annehmbar, daß alle jene Sätze einer einzigen Wissenschaft zu überweisen seien. Denn warum sollte es mit mehr Recht die eigentümliche Aufgabe der Mathematik als irgend einer anderen Wissenschaft sein, von jenen Dingen eine Erkenntnis zu gewinnen? Ist es aber die Aufgabe jeder beliebigen Wissenschaft in gleichem Maße, und kann es doch unmöglich die Aufgabe aller insgesamt sein, so wird die Erkenntnis dieser Dinge, wie sie nicht Aufgabe der anderen Wissenschaften ist, so auch nicht die eigentümliche Aufgabe derjenigen Wissenschaft sein, die sich mit der Erkenntnis der reinen Wesenheit beschäftigt.

      Zugleich aber: in welchem Sinne kann es eine Wissenschaft von diesen Dingen geben? Was ein jeglicher von den obersten Grundsätzen bedeutet, das wissen wir ja schon ohnedas. Es wenden sie wenigstens auch die anderen Zweige der Wissenschaft an, gerade so als wären sie ihnen bekannt. Gibt es aber eine Wissenschaft, die sie zu beweisen hat, so wird dazu ein zugrunde liegendes allgemeines Objekt erforderlich sein, und teils besondere Bestimmungen desselben, teils Axiome für die Ableitung der letzteren. Denn daß es von allem einen Beweis gebe, ist undenkbar. Zu einem Beweise gehört dreierlei: eine Grundlage, von der aus, ein Gegenstand, betreffs dessen, und gewisse Bestimmungen an ihm, für die er geführt wird. Es ergibt sich daraus, daß es eine einheitliche Gattung ist, auf die sich alle bewiesenen Sätze beziehen. Denn überall, wo etwas bewiesen wird, stützt man sich auf die allgemeinsten Axiome.

      Aber andrerseits: gesetzt, die Wissenschaft von der reinen Wesenheit sei eine andere als die Wissenschaft von diesen Grundsätzen: welche von beiden ist dann die ihrer Natur nach höher stehende und prinzipiellere? Das am meisten Allgemeine, das für alles Grundlegende sind die Axiome. Wenn es nun nicht die Aufgabe des Philosophen sein sollte, inbetreff dieser die Frage nach dem Wahren und dem Falschen zu behandeln, welchem anderen sonst möchte man diese Aufgabe überweisen?

      Das dritte Problem

      Überhaupt ist zu fragen, ob es für alles, was selbständige Wesenheit ist, eine einzige Wissenschaft oder eine Mehrheit von Wissenschaften gibt. Wenn es nicht bloß eine einzige Wissenschaft ist, welche Art von Wesenheiten soll man der Wissenschaft überweisen, von der wir sprechen? Daß es aber für alle Wesenheiten eine einzige Wissenschaft geben sollte, das will doch auch nicht recht einleuchten. Dann würde auch eine einzige Wissenschaft die Aufgabe haben, für alle Bestimmungen, die den Wesenheiten zufallen, den Beweis zu führen, wenn doch jede Wissenschaft von strengem Charakter auf einem bestimmten Gebiete das, was dem Gegenstande an und für sich an Bestimmungen zukommt, auf Grund der allgemeinen Grundsätze zu erforschen hat. Soweit es sich also um ein und dasselbe Gebiet handelt, hat eine und dieselbe Wissenschaft die Aufgabe, die Bestimmungen, die dem Gegenstande an und für sich zukommen, auf Grund derselben Grundsätze zu erforschen. Denn gehört das Gebiet, auf dem man sich bewegt, einer einzigen Wissenschaft an, so gilt dasselbe auch für die Grundsätze, von denen man ausgeht, ganz gleich ob die Wissenschaft von diesen Grundsätzen dieselbe wie die Wissenschaft von den Wesenheiten ist oder eine andere, und deshalb ist es auch eine einheitliche Wissenschaft, die die Bestimmungen, die dem Gegenstande zufallen, zu erforschen hat, ganz gleich ob jene Wissenschaften selbst, oder eine von ihnen diese Aufgabe hat.

      Das vierte Problem

      Ferner fragt es sich, ob die Untersuchung nur die selbständigen Wesenheiten selbst zum Gegenstande hat, oder auch die ihnen zufallenden Bestimmungen; z.B. wenn der Körper eine solche Wesenheit ist und die Linien und die Flächen auch, ob es die Aufgabe einer und derselben Wissenschaft ist, diese Gegenstände zu erkennen und zugleich die Eigenschaften jeder einzelnen Gattung von Gegenständen, um die sich die Untersuchungen der Mathematik drehen, oder ob dies die Aufgabe einer anderen Wissenschaft ist. Ist beides die Aufgabe derselben Wissenschaft, so würde diese Wissenschaft, auch wo sie von der Wesenheit handelt, eine beweisende Wissenschaft sein müssen; und doch nimmt man eher an, daß es von dem an sich seienden Wesen keinen Beweis gibt. Ist es aber die Aufgabe einer anderen Wissenschaft, was ist das dann für eine Wissenschaft, die die Eigenschaften der Wesenheit untersucht? Es möchte außerordentlich schwer sein, sie anzugeben.

      Das fünfte Problem

      Ferner aber: soll man sagen, die sinnlich wahrnehmbaren Gegenstände seien die einzigen Wesenheiten, oder soll man neben diesen noch andere annehmen? Und wenn das letztere der Fall ist, gibt es nur eine einzige oder gibt es mehrere Arten solcher Wesenheiten, wie sie diejenigen annehmen, die Ideen und außerdem noch ein Mittleres setzen, das sie in dem Objekt der mathematischen Wissenschaften finden? Daß man die Ideen als Ursachen und an sich seiende Wesenheiten bezeichnet, darüber haben wir gehandelt, wo zuerst auf sie die Rede gekommen ist. Wenn nun diese Annahme zu vielfachen Bedenken Anlaß gibt, so möchte der Satz keinem anderen an Wunderlichkeit nachstehen, wenn man einerseits sagt, es existierten neben den Dingen in der Welt noch gewisse andere Wesen, andererseits aber diesen die gleiche Beschaffenheit wie den sinnlich wahrnehmbaren Dingen zuschreibt, nur daß sie ewig sein sollen, während jene vergänglich sind. So spricht man von dem Menschen an sich, von dem Pferde an sich und von der Gesundheit an sich, ohne daß eine weitere Änderung im Gegenstande damit einträte; ganz ähnlich wie wenn man zwar das Dasein von Göttern behauptet,

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