Im Thale des Todes. Karl May
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»Jeden Schwur, den Ihr nur wollt.«
Da faßte er Roulin an beiden Armen und schrie:
»Verdammter Narr! Ich sollte Euch sogleich mein Messer in die Gurgel stoßen! Wißt Ihr, daß Ihr nicht nur mich und diesen Sennor, sondern auch Euch selbst in die allergrößte Gefahr bringt!«
»Das weiß ich!« antwortete Roulin sehr ruhig. »Aber ich bitte Euch, nehmt Eure Hände von mir weg! Ich bin kein Knabe, mit dem man machen kann, was Einem beliebt. Droht Ihr mir mit Eurem Messer, so habe ich auch das meinige und die Pistolen dazu!«
»Was! Wollt Ihr auch noch aufbegehren!«
»Ich verlange, daß man mich höflich behandle.«
»Soll ich einem Menschen, der so kopflos handelt, auch noch Höflichkeiten sagen?«
»Das ist nicht nöthig. Ihr sollt weder sehr höflich, noch aber so grob wie bisher sein. Das Letztere verbitte ich mir allen Ernstes! Ich pflege zu wissen, was ich thue.«
»Als Ihr die Beiden am Leben ließet, habt Ihr nicht gewußt, was Ihr thatet.«
»Sehr genau habe ich es gewußt!«
»Ah! Meint Ihr die beiden Gründe, von denen Ihr vorhin spracht?«
»Jawohl, diese meine ich.«
»Nun, so habt doch einmal die Gewogenheit, sie uns zu sagen, mein bester Sennor Roulin!«
Er sprach höhnisch und im höchsten Grimme. Roulin hingegen antwortete in ruhigem, wie geschäftlichem Tone:
»Ihr wißt doch, daß es in einem Quecksilberbergwerk nicht sehr gesund ist – –?«
»Da« weiß ich. Was aber soll das?«
»Die Ouecksilberdünste zerfressen die menschlichen Eingeweide, darum ist es so sehr schwer, Arbeiter zu bekommen. Und bekommt man ja welche, so hat man einen geradezu horrenten Arbeitslohn zu zahlen – –«
»Das geht mich gar nichts an und das gehört ja auch ganz und gar nicht hierher!«
»Es gehört sehr wohl hierher. Ich fand keine Arbeiter. Da brachtet Ihr mir diesen Arthur Wilkins. Ich sollte ihn tödten. Ich war nicht so dumm, ihn zu erschießen, sondern ich steckte ihn in meine Quecksilbergrube, wo er arbeiten mußte.«
»Alle Teufel! Wenn er nun entfloh?«
»Pah! Er ist gefangen und kann nicht heraus. Er arbeitet für mich, und wenn er faullenzt, so bekommt er Prügel und Kostentziehung.«
»Und Adler, der deutsche – –?«
»Genießt ganz dasselbe Glück.«
Da trat Walker einen Schritt von ihm zurück und sagte unter einem sichtbaren Grauen:
»Roulin, Ihr seid ein Teufel!«
»Ah! Gefalle ich Euch jetzt?«
»Ihr seid wirklich ein Teufel! Ich tödte die Leute, welche mir im Wege find, aber ich lasse sie nicht eines so langsamen, entsetzlichen Vergiftungstodes sterben.«
»Jeder thut, was ihm beliebt. Ich habe noch mehr solcher Arbeiter, welche nie mehr das Tageslicht sehen werden. Die Hoffnung auf Erlösung erhält sie dennoch ziemlich bei Kräften.«
Es war ein wirklich teuflisches Lächeln, unter welchem er dies sagte. Auch Leflor graute es vor ihm. Die schöne Miranda aber nickte ihm zu und sagte:
»Sennor, Ihr seid ein tüchtiger Kerl. Entweder muß der Mensch sehr gut oder sehr schlecht sein. Einen Mittelweg kennt der Charakter gar nicht. Ich gestehe Euch, daß Ihr mir gefallt!«
»Sehr viel Ehre! Ich hatte, wie ich bereits erwähnte, noch einen zweiten Grund. Wenn ich Euch denselben auch noch mittheile, so könnt Ihr daraus ersehen, daß ich nicht nur sehr aufrichtig, sondern auch ebenso furchtlos bin. Spitzbuben dürfen einander niemals ganz trauen. Auch ich traute Master Walker nicht ganz. Wenn ich Wilkins und Adler nicht tödtete, so hätte ich in ihnen zwei sehr gute Waffen gegen ihn in den Händen gehabt. Darum blieben sie leben.«
»Verdammter Kerl!« fuhr Walker auf.
»Pah! Ich war vorsichtig! Das ist Alles!«
»Aber ein Zufall konnte oder kann die Beiden befreien!«
»Das ist unmöglich.«
»Sprecht Ihr denn mit ihnen?«
»Darüber mache ich keine Bemerkung. Ich erinnere Euch überhaupt daran, daß ich verfolgt werde und daß die Verfolger jeden Augenblick hier sein können. Wir dürfen nur das Nöthigste sprechen.«
»Leider, leider,« stimmte Walker zornig bei. »Wenn dies nicht wäre, so würde ich mit Euch anders reden. Wie nun, wenn die Verfolger nach dem Todesthale gehen, he?«
»Ich bin überzeugt, daß die Apachen und Maricopas hingehen werden. Diese Magda wird sie hinführen. Und das ist der Grund, daß ich zu Euch komme. Ihr sollt mir helfen.«
»Ah so! Ihr macht die Dummheiten und wir sollen diese Fehler wieder gut machen! Horch!«
Man hörte Hufschlag. Die beiden Sicherheitswächter kehrten zurück. Alfonzo kam herauf in das Zimmer und meldete, daß zwei Reiter binnen einer Stunde hier sein würden. Aus seiner Beschreibung ging hervor, daß Steinbach und Sam Barth im Anzuge seien.
»Was thun wir?« fragte Roulin.
»Es bleibt uns nichts Anderes übrig, als ihnen das Feld einstweilen zu überlassen,« antwortete Walker.
»Unsinn! Wir machen sie sogleich unschädlich!«
»Unvorsichtiger könnten wir gar nicht sein. Diese Beiden kommen, um zu recognosciren. Kehren sie nicht zurück, so haben wir die Andern auf dem Pelze. Man weiß in der Stadt, daß sie hier sind. Hier im Hause dürfen sie also nicht verschwinden. Ich habe heut Abend in der Stadt zu thun. Wir reiten jetzt hin, natürlich auf einem Umwege. Für Euch Beide, die Sennores Leflor und Roulin, habe ich eine Venta, wo Ihr Euch verbergen könnt und – –«
»Doch nicht etwa diejenige der Sennorita Emeria?« fiel Roulin ein.
»Nein, denn dort sind ja Eure Verfolger abgestiegen.«
»Und was thue ich?« fragte Miranda.
»Du behandelst die Beiden, wenn sie ja Eintritt verlangen, auf das Freundlichste.«
»Was antworte ich aber auf ihre Fragen?«
»Sie müssen Vertrauen zu Dir fassen, denn durch Dich sollen sie gefangen werden. Darum mußt Du ihnen scheinbar die Wahrheit sagen. Du weißt nur, daß ich Robin heiße. Ein Fremder, nämlich Sennor Roulin, dessen Namen Du aber nicht kennst, ist gekommen, und ich bin mit ihm sogleich spazieren geritten, werde aber nach Mitternacht oder gegen Morgen mit ihm wieder zurückkehren. Wende Deine ganze Liebenswürdigkeit auf, um besonders diesen Fürsten der Bleichgesichter