Der Herr der Welt. Robert Hugh Benson
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»Und deine Rede für morgen?«, fragte sie, indem sie zu ihrer Gabel griff.
Oliver nahm einen etwas lebhafteren Ausdruck an und wurde gesprächiger.
Wie es schien, fing Birmingham an, unruhig zu werden. Von Neuem erhob man die Forderung des Freihandels mit Amerika; man begnügte sich nicht mehr mit den innereuropäischen Verkehrserleichterungen, und es war Olivers Aufgabe, sie zu beruhigen. Es wäre nutzlos, nahm er sich vor ihnen zu sagen, in eine Agitation einzutreten, solange die Frage des Ostens nicht erledigt wäre; sie sollten doch die Regierung gerade jetzt nicht mit solchen Kleinigkeiten belästigen. Er hatte außerdem den Auftrag, ihnen zu erklären, dass die Regierung ganz auf ihrer Seite stehe und entschlossen sei, bald zuzustimmen.
»Dickköpfe sind sie«, sagte er ärgerlich, »hartnäckig und selbstsüchtig; sie sind wie die Kinder, die zehn Minuten vor Tisch noch nach dem Essen schreien; es wird ja unbedingt dazu kommen, wenn sie nur ein wenig Geduld haben wollten.«
»Und wirst du ihnen dieses sagen?«
»Dass sie Dickköpfe sind? Selbstverständlich!«
Mabel blickte ihren Gatten mit einem wohlgefälligen Lächeln an. Sie wusste nur zu gut, dass er seine Beliebtheit zum großen Teile seiner Offenherzigkeit verdankte: Den Leuten gefiel es, sich von einem genialen, kühnen Manne, der in magnetischer Ereiferung vor ihnen herumsprang und gestikulierte, Scheltworte und Grobheiten sagen zu lassen.
»Wie wirst du hinfahren?«, fragte sie.
»Flugschiff. Ich werde mit dem um achtzehn von Blackfriars abfahren; um neunzehn ist die Versammlung, und um einundzwanzig bin ich wieder zurück.«
Er ließ sich die Vorspeise sehr gut schmecken, und seine Mutter sah mit dem geduldigen Lächeln einer alten Frau auf.
Mabel begann, leise mit den Fingern auf der Damastdecke zu trommeln.
»Sei so gut und beeile dich, mein Lieber«, sagte sie, »ich muss um drei Uhr in Brighton sein.«
Oliver schluckte den letzten Bissen hinab, schob seinen Teller in die Mitte der Tischplatte zurück, blickte umher, ob auch die übrigen Teller dort untergebracht seien, und griff mit der Hand unter den Tisch.
Sofort und ohne jedes Geräusch verschwand das Mittelstück, und die Drei warteten mit der gewohnten Gleichgültigkeit, während das Klirren der Teller von unten heraufklang.
Die alte Mrs. Brand war eine rüstig aussehende Dame und trotz der Runzeln noch von frischer Gesichtsfarbe; sie trug eine auf dem Haupt befestigte Mantilla, wie sie etwa vor fünfzig Jahren Mode war; doch auch an ihr konnte man diesen Morgen eine gedrückte Stimmung bemerken. Die Vorspeise war nach ihrer Ansicht nicht recht gelungen, der neue Nährstoff nicht so gut wie der frühere, er war ein klein wenig sandig; nach Tisch wollte sie einmal danach sehen.
Da vernahm man wieder das Klirren, ein schwaches, schiebendes Geräusch, und das Mittelstück erschien wieder an seinem Platze, eine wunderbare Nachahmung eines Brathuhnes tragend. —
Oliver und seine Gattin befanden sich nach Tisch auf einige Minuten allein, ehe Mabel sich auf den Weg machte, um den vierzehn einhalb Uhr abgehenden Zug der zweiten Hauptlinie nach dem Kreuzungspunkt zu erreichen.
»Was ist denn mit Mutter?«, sagte er.
»Ach, es ist wieder das Nährstoffpräparat; sie kann sich nicht daran gewöhnen, sie meint, es bekommt ihr nicht gut.«
»Weiter nichts?«
»Nein, Lieber, ich bin sicher, nichts weiter. Sie hat sonst kein Wort gesagt.«
Oliver blickte seiner Frau beruhigt nach, als sie den Pfad entlang ging. In letzter Zeit hatten ihm hier und da ein paar sonderbare Äußerungen seiner Mutter zu denken gegeben. Sie war während einiger Jahre im Christentum erzogen worden, und manchmal schien es ihm, als hätte dies einen Eindruck zurückgelassen. Sie hatte ein altes Gebetbuch, »Seelengarten«, das sie gern bei sich trug, obwohl sie immer mit einem Anschein von Geringschätzung protestierte, es sei nur Unsinn. Und doch wäre es Oliver lieber gewesen, sie hätte es verbrannt. Aberglaube ist ein verzweifeltes Ding, an das sich das entfliehende Leben klammert, und das mit zunehmender Gehirnschwäche sich begreiflicherweise wieder geltend macht. Das Christentum, so sagte er sich, war roh und albern; roh, wegen seiner in die Augen springenden Groteskheit und Unmöglichkeit; und albern, weil es sich so absolut fremd gegenüber dem herzerfreuenden Strome des menschlichen Lebens verhielt. Es schlich unansehnlich umher, wie er wusste, in kleinen, dunklen, da und dort verstreuten Kirchen; es rief mit hysterischer Sentimentalität zum Himmel in der Westminster-Kathedrale, in die er einmal eingetreten war und auf die er mit einer Art angewiderter Wut blickte; es schwätzte sinnloses, unwahres Zeug seinen urteilslosen Anhängern, den alten Weibern und geistig nicht ganz Zurechnungsfähigen, vor. Zu schrecklich wäre es ihm aber, wenn seine eigene Mutter es noch mit wohlwollenden Augen betrachtete.
Oliver selbst war, soweit er nur zurückdenken konnte, stets ein heftiger Gegner aller Zugeständnisse an Rom und Irland gewesen. Es war unerträglich, dass diese beiden Gebiete endgültig jenen Narrheiten, jenem hinterlistigen Blödsinn preisgegeben sein sollten; waren sie doch Pflanzstätten des Aufruhrs, Pestbeulen auf dem Angesichte der Menschheit. Nie war er mit jenen einverstanden, welche meinten, es sei besser, dass all das Gift des Westens sich an einem Orte vereinigt finde, als dass es überall verstreut sei. Auf jeden Fall war es nun einmal da. Rom war gänzlich jenem alten Manne im weißen Talar überlassen und hatte dafür sämtliche Pfarrkirchen und Kathedralen Italiens in Tausch gegeben, und es galt als ausgemacht, dass mittelalterliche Finsternis dort unumschränkt herrschte. Und Irland hatte, nachdem es vor dreißig Jahren sich selbst zur eigenen Verwaltung überlassen worden war, sich für den Katholizismus erklärt und seine Arme dem Individualismus in seiner bösartigsten Form geöffnet. England hatte lachend seine Einwilligung gegeben; war es doch durch die unmittelbare Übersiedelung der Hälfte seiner katholischen Bevölkerung nach jener Insel befreit von einer beträchtlichen Quantität