Der Herr der Welt. Robert Hugh Benson
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Percy erhob sich.
»Haben Sie einen Geschichtsatlas, Mr. Templeton?«, fragte er.
Der Greis wies auf ein Bücherbrett. »Dort ist er.«
Ein paar Augenblicke betrachtete Percy schweigend die Karten, indem er sie auf seinen Knien aufschlug.
»Jedenfalls ist so alles viel einfacher«, sagte er zu sich selbst, während er die vielfarbige Karte des beginnenden zwanzigsten mit den drei großen Farbflächen auf jener des einundzwanzigsten Jahrhunderts verglich.
Er fuhr mit dem Finger über Asien entlang. Auf dem in Mattgelb gezeichneten Gebiete, das vom Ural im Westen bis zur Beringstraße6 im Osten reichte und sich über Indien, Australien und Neuseeland erstreckte, stand in großen Buchstaben »Reich des Ostens«. Sein Blick fiel auf das Rot; es war viel kleiner, aber doch noch bedeutend genug, da es nicht nur das eigentliche Europa, sondern auch Russland bis zum Ural und ganz Afrika bedeckte. Die in Blau gehaltene Amerikanische Republik umfasste die Gesamtheit dieses Kontinentes und verschwand gegen den Rand der westlichen Halbkugel in einer Unzahl blauer Punkte, die aus dem weißen Ozean auftauchten.
»Ja, einfacher ist es«, bemerkte der alte Herr trocken.
Percy klappte das Buch zu und stellte es neben seinen Stuhl.
»Und jetzt, Mr. Templeton, was wird zunächst geschehen?«
Der alte Tory-Staatsmann lächelte.
»Weiß Gott«, sagte er, »wenn der Osten sich entschließt, sich zu regen, können wir nichts machen. Ich weiß überhaupt nicht, warum er sich noch nicht erhoben hat. Ich glaube, die Ursache liegt in religiösen Differenzen.«
»Europa wird sich nicht spalten?«, fragte der Priester.
»Nein, nein. Wir wissen jetzt, wo auf unserer Seite die Gefahr ist. Und Amerika wird sicherlich auf unserer Seite sein. Aber, wie dem auch sei, Gott helfe uns — oder Ihnen, möchte ich eher sagen —, wenn das Reich sich regt, es kennt nun endlich seine eigene Stärke.«
Stillschweigen herrschte für einige Momente. Ein schwaches Zittern ging durch den Raum; eine der Riesenlokomotiven passierte den über ihnen gelegenen breiten Boulevard.
»Prophezeien Sie!« brach Percy das Schweigen. »Ich meine, bezüglich der Religion.«
Mr. Templeton tat einen langen Atemzug aus seinem Apparat; dann nahm er die Unterhaltung wieder auf.
»Kurz gesagt«, begann er, »wir haben drei religiöse Mächte — den Katholizismus, den Humanitarismus und die Religionen des Ostens. Was die Letzteren betrifft, kann ich nichts prophezeien, wenn ich auch glaube, dass schließlich die Sufis Sieger bleiben werden. Etwas wird geschehen; der Esoterizismus — und damit der Pantheismus — schreitet mächtig voran; und die Verschmelzung der chinesischen mit der japanischen Dynastie wirft alle unsere Berechnungen über den Haufen. Aber, und daran ist kein Zweifel, in Europa und Amerika vollzieht sich der Kampf zwischen den beiden anderen. Wir können alles Übrige beiseitelassen. Und, wenn Sie wünschen, dass ich meine Meinung sage, ich glaube, dass, menschlich gesprochen, der Katholizismus rasch zurückgehen wird. Es ist vollkommen wahr, dass der Protestantismus tot ist. Die Menschheit hat endlich erkannt, dass eine übernatürliche Religion eine absolute Autorität erfordert, und dass die Freiheit in Glaubensfragen nichts anderes ist, als der Beginn der Zersetzung. Und ebenso wahr ist es, dass, nachdem die katholische Kirche die einzige Institution ist, welche für sich übernatürliche Autorität mit all ihren erbarmungslosen Konsequenzen in Anspruch nimmt, sie allein die Anhängerschaft so ziemlich aller Christen besitzt, die sich noch irgend einen übernatürlichen Glauben bewahrt haben. Es gibt wohl einige Besserwisser, besonders in Amerika und bei uns, aber sie kommen nicht in Betracht. Das ist alles ganz gut; aber andrerseits dürfen Sie nicht vergessen, dass der Humanitarismus entgegen den Erwartungen aller im Begriff ist, selbst eine, wenn auch der übernatürlichen entgegengesetzte, Religion zu werden. Er ist nichts anderes, als Pantheismus; er schafft sich unter dem Deckmantel der Freimaurerei einen eigenen Ritus, er hat sein eigenes Credo: ›Gott ist der Mensch‹, und so fort. Er bietet daher religiösem Forschen in gewisser Beziehung wirklichen Stoff, er idealisiert, ohne dabei irgendwelche Anforderungen an geistige Fähigkeit zu stellen. Dazu kommt, dass ihm alle Kirchen und Kathedralen, die unsrigen ausgenommen, zur Verfügung stehen, und dass man dort endlich angefangen hat, dem Gefühle Rechnung zu tragen. Es ist ihm außerdem möglich, seine Symbole zur Schau zu tragen, was wir nicht dürfen. Ich glaube, in spätestens zehn Jahren wird er gesetzlich anerkannt sein.
Nun bedenken Sie, dass wir Katholiken bereits abnehmen; seit mehr als fünfzig Jahren gehen wir stetig zurück. Nach meiner Schätzung machen wir ungefähr ein Vierzigste! Amerikas aus, — und das ist das Resultat der katholischen Bewegung vom Anfang der zwanziger Jahre. In Frankreich und Spanien existieren wir nicht mehr, geschweige denn in Deutschland. Wir halten allerdings unsere Stellung im Osten, aber selbst da bilden wir ein halbes Prozent — die Statistiken sagen es wenigstens — und dieses ist sehr verstreut. In Italien. Es ist richtig, Rom gehört wieder uns, das ist aber auch alles; hier haben wir das gesamte Irland und ungefähr einen Katholiken auf sechzig Einwohner in England, Wales und Schottland, aber wir hatten noch vor siebzig Jahren einen auf vierzig. Dazu kommen die enormen Fortschritte der Psychologie, die seit mindestens einem Jahrhundert sich direkt gegen uns richten. Anfangs, sehen Sie, herrschte der reine und nackte Materialismus, — dieser versagte mehr oder weniger, — er war zu roh, — bis ihm die Psychologie zu Hilfe kam. Nunmehr beansprucht die Psychologie das ganze übrige Gebiet, und der Sinn für Übernatürliches scheint sich für jene zu erklären. So stehen die Dinge. Nein, Father, wir nehmen ab; und wir werden weiter abnehmen, und ich glaube, wir müssen jeden Moment auf eine Katastrophe gefasst sein.«
»Aber —«, begann Percy.
»Sie halten das für die Schwäche eines alten Mannes, der am Rande des Grabes steht. Nun, es ist, wie ich denke. Ich sehe keine Hoffnung. In der Tat, es scheint mir sogar,