Gesammelte Werke. Wilhelm Raabe

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Gesammelte Werke - Wilhelm Raabe страница 232

Gesammelte Werke - Wilhelm  Raabe Gesammelte Werke bei Null Papier

Скачать книгу

von Ripp­gen; der Ex­stift­ler Chri­stoph Pechle hat­te kei­ne Ah­nung da­von, was sich un­ter der wei­ßen olym­pi­schen Stirn be­weg­te, was da­selbst durch­ein­an­der­wog­te, und wie der hil­fe­ru­fen­de Schrei, gleich ei­ner auf­ge­scheuch­ten, er­schreck­ten Möve über den wir­beln­den Was­sern im Kreis um­her­fuhr.

      »Chri­sta­bel! Chri­sta­bel! o Chri­sta­bel!« Ja, Lu­cia schrie im In­ners­ten ih­res Da­seins! Sie schrie nach Luft – nach Ra­che – nach Miss Chri­sta­bel Ed­dish, und Pechle wur­de im­mer ge­müt­li­cher, im­mer noch ge­müt­li­cher! Noch kann­te er Miss Chri­sta­bel nicht, er konn­te also auch nicht wis­sen, wen die gnä­di­ge Frau sich zur Hil­fe her­bei­rief.

      Ru­hig, ru­hig, ru­hig sah Lu­cia den Freund ih­res Man­nes an; aber von Zeit zu Zeit glitt ein Blick der Gat­tin auf den Gat­ten – auch ein ru­hi­ger Blick, und doch ent­setz­lich in sei­nem kla­ren, küh­len Glan­ze.

      Fer­di­nand er­wi­der­te ihn nicht zum zwei­ten Mal. Dass sein Haupt auf dem Blo­cke lag, wuss­te er und fühl­te er; jetzt leg­te er die fie­bern­de hei­ße Hand auf die Au­gen, und rote Feu­er­fun­ken hüpf­ten vor ih­nen um­her.

      »Ge­wiss, ge­wiss, gnä­di­ge Frau«, sprach Chri­stoph Pech­lin, »wir wer­den als gute Nach­barn und um­gäng­li­che Haus­ge­nos­sen ge­treu­lich zu­sam­men­hal­ten. Ver­las­sen Sie sich dar­auf! Se­hen Sie, ich habe Theo­lo­gie stu­diert, habe eine Über­set­zung des Pla­to im Schub­kas­ten lie­gen, und bin au­gen­blick­lich für sämt­li­che Lo­kal­blät­ter des Lan­des haupt­städ­tisch-po­li­ti­scher und kri­mi­na­lis­ti­scher Be­richt­er­stat­ter; aber mein Ge­müt habe ich mir so frisch und grün er­hal­ten, dass es al­len mei­nen nä­hern Be­kann­ten eine Freu­de und Rüh­rung ist. Da liegt mein bes­ter Freund, un­ser gu­ter Fer­di­n­and­le. Gnä­di­ge Frau, es ist nicht das ers­te Mal, dass mir das Schick­sal das Glück zu­teil wer­den ließ, ihn aus großer Ge­fahr zu er­ret­ten! In ver­gan­ge­ner Nacht schmeich­le ich mir wie­der ein­mal sei­nen Kör­per ge­ret­tet zu ha­ben; wie oft ich je­doch sein bes­se­res Teil, sei­ne herr­li­che un­er­setz­li­che See­le durch ge­schick­te Ver­mitt­lung im Kamp­fe mit den dun­kels­ten al­ler Mäch­te un­ver­letzt er­hal­ten habe, dar­über fehlt mir in der Tat eine ge­naue Be­rech­nung.«

      Hier wag­te es der Baron, sei­ner Angst zum Trotz, lei­se zu stöh­nen; doch Pech­lin fuhr rasch wei­ter fort:

      »O, leug­ne es nicht, Bes­ter! denkst du wohl noch dran, wie ich dir, nur in­fol­ge mei­ner ho­hen di­plo­ma­ti­schen Be­ga­bung, ein mit ei­nem ro­sa­sei­de­nen Bänd­chen um­wun­de­nes Brief­pa­ket wie­der ver­schaff­te! Erin­nerst du dich wirk­lich nicht mehr dar­an, wie Fräu­lein Her­si­lie Schnäpp­le in den Neckar ge­hen woll­te? Be­sin­ne dich nur; es wird dir schon ein­fal­len, wenn du dich nur recht be­sinnst.«

      »Wie ver­hält sich das, mein Herr?« ächz­te an die­ser Stel­le die Baro­nin, ih­ren fes­tes­ten Vor­sät­zen zum Trot­ze.

      »Wie ich sage. Aber be­ru­hi­gen Sie sich, gnä­di­ge Frau; es ist kein Grund zu ei­nem Sen­sa­ti­ons­ar­ti­kel vor­han­den. Das Fräu­lein ging nicht in den Neckar, son­dern nur in die fromm-volks­tüm­li­che Li­te­ra­tur. Sie schreibt un­ter dem Na­men –«

      »Ich bit­te dich, so bald als mög­lich wie­der wohl zu wer­den«, sprach mit der Käl­te ei­nes Eis­ber­ges die Gat­tin zu dem Gat­ten, er­hob sich aber­mals und ver­ließ das Ge­mach, ohne sich den ver­dor­be­nen oder viel­mehr recht wohl­ge­ra­te­nen Got­tes­ge­lehr­ten von neu­em an­zu­se­hen. Die bei­den Freun­de be­fan­den sich wie­der al­lein, und Fer­di­nand von Ripp­gen griff sich in hel­ler Verzweif­lung mit bei­den Hän­den in die Kra­wat­te, riss sie sich ab und zer­knüll­te sie, im töd­lichs­ten Er­sti­ckungs­ge­fühl nach Luft rin­gend.

      Chri­stoph Pech­lin war mit der Baro­nin von Ripp­gen auf­ge­stan­den, schritt, wie vor­hin die Dame, zum Fens­ter, sah ei­ni­ge Se­kun­den lang hin­aus, kam zu­rück, beug­te sich über das La­ger des Frei­herrn und sag­te:

      »Du, ich hal­te mich für ein mit dem zum Durch­kom­men durch die­se Welt nö­ti­gen In­tel­lekt aus­ge­rüs­te­tes We­sen!«

      »Was soll dar­aus wer­den, und was hast du mir da an­ge­tan?«

      »Ruhe, Ruhe, Al­ter­le! Was ich dir an­ge­tan habe? Ich habe für dich und mich mo­men­tan mit dei­nem gu­ten Wei­ble ge­bro­chen. Es war nicht an­ders mög­lich; aber ver­lass dich dar­auf, wir sind auf dem bes­ten Wege zu ei­ner freund­schaft­lich be­hag­li­chen Ver­stän­di­gung. Rege dich nicht un­nö­tig auf; da ich dich ein­mal wie­der­ge­fun­den habe, so wer­de ich dich nim­mer­mehr ver­las­sen – grüß dich Gott und – ge­seg­ne­te Mahl­zeit.«

      Da­mit ging auch er, und Fer­di­nand – Fer­di­nand war al­lein – al­lein in der Er­war­tung, dass sei­ne Frau dem­nächst wie­der zu ihm zu­rück­keh­ren wer­de.

      Vie­le Leu­te wer­den es nicht für mög­lich hal­ten; aber es war doch so! Pechle nann­te den im vo­ri­gen Ka­pi­tel ge­schil­der­ten ers­ten Zu­sam­men­stoß mit der Freifrau Lu­cie von Ripp­gen ein ge­lun­ge­nes Nie­der­rei­ßen sämt­li­cher zwi­schen zwei gleich­ar­ti­gen, ganz für ein­an­der ge­schaf­fe­nen Na­tu­ren durch den Gott Zu­fall auf­ge­rich­te­ter Schran­ken! – – Pechle war ei­gent­lich zu un­ver­schämt! – – Pechle war aber je­den­falls nicht der Mann, der et­was ein­mal Un­ter­nom­me­nes, das sei­ner ei­ge­nen Na­tur zu­sag­te, leicht­hin auf­gab, und die Baro­nin merk­te das bald. Sie wur­de ihn nicht mehr los aus ih­rem Da­sein.

      Chri­stoph Pech­lin aus dem Schön­buch, Pechle, der im Grun­de ge­nom­men der blö­des­te Mensch des Erd­bo­dens war, fühl­te sich als Freund und leg­te den gan­zen Wert sei­ner ei­ge­nen Na­tur of­fen­kun­dig dar.

      Acht Tage nach dem ers­ten Be­kannt­wer­den mit dem un­ab­weis­ba­ren, lie­bens­wür­di­gen Tü­bin­ger Ex-Theo­lo­gen schrieb Lu­cie in voll­stän­di­ger rat-, rand- und band­lo­ser Auf­lö­sung an ihre Freun­din Miss Chri­sta­bel Ed­dish:

      »Dea­rest! Dea­rest! Hast Du kei­nen Ruf ver­nom­men? Kei­nen leis und fern her­hal­len­den Angst­ruf in den letz­ten Ta­gen und Näch­ten? Gar kei­nen?!… Chri­sta­bel, ich war es, die rief! – Den­ke Dich in das veil­chen­duf­ti­ge Grau­en hin­ein, mit wel­chem wir an den schö­nen Ge­sta­den der Elbe je­nes herr­li­che, aus Mon­den­schein und Dei­nem sü­ßen Na­men ge­web­te, lei­der un­voll­en­de­te Ge­dicht eu­e­res herr­li­chen Dich­ters Kol­le­ritsch zu­sam­men la­sen – lass al­les hin­ter Dir und kom­me zu mir!!… Komm zu mir, Chri­sta­bel! Lass al­les von Dir – Flo­renz so­wohl als Rom! – den­ke un­se­rer durch tau­send Schwü­re be­sie­gel­ten Freund­schaft, und komm zu mir nach Stutt­gart! Als je­ner ent­setz­li­che Ple­be­jer, des­sen Na­men ich nie – nie nie­der­schrei­ben wer­de, am Elb­ge­fil­de zum ers­ten Mal über un­se­re Li­gus­ter­he­cke stier­te – als sein Weib es wag­te, ihre Vi­si­ten­kar­te bei uns ab­zu­ge­ben, warst Du an mei­ner Sei­te, und – ich lebe noch! Chri­sta­bel, das lei­se

Скачать книгу