Gesammelte Werke. Wilhelm Raabe

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Gesammelte Werke - Wilhelm  Raabe Gesammelte Werke bei Null Papier

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ge­hen al­lein! Sie las­sen uns ste­hen! Sie se­hen sich nicht ein­mal nach uns um!« stot­ter­te der Baron.

      »Das ischt rich­tig; aber – Herr­gottssa­kra­ment, wo bleibt denn da die Lo­gik? Herr­gott, ischt das a Ver­gleich mit dei­ne Läm­mer! Was? Sind wir dazu da, uns von ihne sche­re zu las­sen? O du, Fer­di­nand, wenn es dei­ner lie­ben­den Gat­tin so sehr Be­dürf­nis ist, St­rümp­fe von dei­ner Wol­le zu tra­gen, so bin ich auch noch da, und was die­se Eng­län­de­rin an­be­trifft, so – o Gott, Fer­di­nand, so ischt das weiß Gott ein gött­lichs G’­schöpf, und sie mag mir ant­wor­ten oder nicht, fürs erschte bin i noch nicht mit ihr fer­tig!«

      Die Son­ne war hin­ter die west­li­chen Ber­ge hin­ab­ge­schlüpft, auch von dem kah­len Stau­fen­gip­fel hat­te die Däm­me­rung Be­sitz er­grif­fen. Die lich­ten Som­mer­toi­let­ten der bergab schwe­ben­den Da­men leuch­te­ten im­mer mehr en mi­nia­tu­re aus der Tie­fe, dem Dor­fe zu; aber sie leuch­te­ten doch noch. Zwei Pünkt­chen, zwei sich stets ver­klei­nern­de Pünkt­chen glänz­ten sie am Ber­ges­hange, und es lag nicht an ih­nen, wenn die zwei Her­ren auf der Höhe den Ge­gen­satz zwi­schen ih­nen und der wei­ten un­er­mess­li­chen Welt nicht aufs deut­lichs­te ins Be­wusst­sein auf­nah­men.

      Wer aber macht sich das eben an­ge­deu­te­te Ge­fühl voll­stän­dig klar? Nur der­je­ni­ge, wel­cher von der Spit­ze des Mont­blanc aus sei­nen Tod­feind durch das Fern­rohr drun­ten im Tale vor dem Wirts­hau­se sit­zen sah und das in­nigs­te Be­dürf­nis fühl­te, den Lum­pen trä­nen­den Au­ges an das Herz zu zie­hen, bis – der be­schwer­li­che Rück­marsch vollen­det war, und in dem­sel­bi­gen Wirts­haus im Tal der Brief be­gon­nen wur­de, der den Ad­vo­ka­ten da­heim drin­gend auf­for­der­te, den Pro­zess ge­gen den eben ab­ge­reis­ten Ha­lun­ken ja nicht aus dem Auge zu ver­lie­ren. –

      Der Baron hat­te den ängst­lich bau­meln­den Na­senklem­mer mit zit­tern­der Hand von neu­em auf den Na­sen­bug fest­ge­drückt; der Ex­stift­ler hat­te bei­de Fäus­te in die Ho­sen­ta­schen ge­scho­ben, und bei­der Au­gen haf­te­ten an­ge­strengt an den zwei Pünkt­chen, die auf den Bu­sen oder Her­zen die­ser deut­schen Hel­den­män­ner schwe­rer wo­gen, als alle Ber­ge und Fel­sen in der Nahe und Fer­ne – Lias, Tri­as und Jura durch­ein­an­der – das gan­ze Sam­mel­su­ri­um mit sämt­li­chen Ver­stei­ne­run­gen, wie es die schwä­bi­sche Alb dem ent­zück­ten geo­lo­gi­schen For­scher dar­bie­tet.

      »O du gü­ti­ger Him­mel, was fan­gen wir an? Das ist jetzt doch die Haupt­fra­ge!« stöhn­te der Baron.

      »Ha ja, was fan­ge mer an? Eine Haupt­fra­ge ist das frei­lich«, sag­te Pechle. »Mer eine zwei­te Fra­ge ist: Wie füh­len wir uns?«

      »Wie füh­len wir uns?!« ächz­te Fer­di­nand.

      »Ich, wie ein Tee­kes­sel, der eben ins schöns­te ro­man­tisch-his­to­ri­sche Sin­gen kom­men woll­te, als er von den Koh­len ab­ge­ho­ben wur­de!« rief Pechle. »Beim Grif­fel des Ari­sto­pha­nes, was hät­te mir al­les durch die Schnau­ze aus­ge­hen kön­nen? Ich darf gar nicht dar­an den­ken, und mein ein­zi­ger Trost ist, dass ich we­nigs­tens mei­ne Ge­dich­te in der Rock­ta­sche habe. Das meis­te von Be­deu­tung steht drin, und neue Ge­sichts­punk­te hät­te mir viel­leicht selbst die Un­ter­hal­tung mit die­sem gött­li­chen Mäd­le nicht ver­lie­hen, – das trös­tet mich wahr­lich, Sechser­le.«

      »Aber mich nicht, Pech­lin.«

      »Ha ja, und das wäre denn wohl die drit­te Fra­ge, was du an­fan­gen wirst?! Es ist frei­lich schon rich­tig, dass die Wei­ber und vor­züg­lich dei­ne Frau uns mit äu­ßers­ter, we­nigs­tens an­schei­nend äu­ßers­ter Ge­müts­ru­he ha­ben ab­fah­ren las­sen, und wenn ich an ih­rer Stel­le wäre, wür­de ich wie sie da un­ten mei­nen Tri­umph zu wür­di­gen wis­sen. Wer das hilft dir frei­lich nicht! Na, weißt du, sie lo­gie­ren im Lamm, und das Lamm ken­ne ich. Es ist recht gut in sei­ner Art, für dich und mich so­gar aus­ge­zeich­net; al­lein für zwei ver­zo­ge­ne En­gel aus den höchs­ten Sphä– woll­te ich sa­gen hö­he­ren Stän­den, lässt die Be­quem­lich­keit und Ver­pfle­gung doch man­ches zu wün­schen üb­rig. Weißt du, jetzt las­sen wir’s fürs ers­te dun­kel wer­den, so dun­kel als mög­lich; denn bla­miert sind wir, das sieht fest; gründ­lich, nach­drück­lichst, er­schüt­ternd auf den – ge­setzt sind wir – und – so­lan­ge ich noch mei­ne Schan­de und Scham­rö­te er­bli­cken kann, stei­ge ich den won­ni­gen Krea­tu­ren nicht nach –«

      »Ich blie­be am liebs­ten ganz hier oben!« seufz­te der Baron lei­se.

      »Das ist ein Ge­dan­ke! Aber nein, bei bes­se­rer Über­le­gung lässt sich das doch nicht durch­füh­ren. Nach Mit­ter­nacht legt sich die Auf­re­gung und wächst die Käl­te in der Na­tur. Fer­di­nand, es bleibt uns nichts an­de­res üb­rig, als dass wir es Nacht wer­den las­sen – ägyp­ti­sche Fins­ter­nis wo­mög­lich – und uns ih­nen so­dann nach – schlei­chen, ja schlei­chen – hin­un­ter in das Lamm. Nach­her er­war­ten wir das wei­te­re und fü­gen uns in die Um­stän­de.«

      »Du hast gut re­den, Chri­stoph. Du hast nicht hin­ter dei­nem an­ge­trau­ten Wei­be her­zu­schlei­chen, und nimmst im Not­fall als ein­fa­cher Tou­rist Quar­tier im Och­sen.«

      »Das ist rich­tig; aber ist dein Weib nicht gleich­falls dann und wann hin­ter dir her­ge­schli­chen, Ripp­gen?«

      »O ge­wiss! Aber das ist doch ganz et­was an­de­res!«

      An die­ser Stel­le seufz­te auch der Ex­stift­ler, zuck­le die Ach­seln und schrie fast wü­tend:

      »Jetzt wird mer al­les ei­ner­lei! Und all­mäh­lich auch du, Ripp­gen, nimm mir’s nicht übel! Bei der drei­köp­fi­gen He­ka­te, drei­er­lei steht uns frei. Ent­we­der wir lau­fen durch die Dun­kel­heit nach Göp­pin­gen, oder wir su­chen bei­de im Och­sen ein Un­ter­kom­men, oder wir zei­gen uns als Män­ner und zie­hen den bei­den Wei­bern nach ins Lamm. Im Och­sen ist Hoch­zeit, Mu­sik und Tanz, und hin­ein­gu­cken wer­de ich je­den­falls; aber im Lamm auf dem Tanz­bo­den über­nach­te ich, und – du auch, Fer­di­nand, Baron von Ripp­gen! Bei al­len Dog­men des ein­und­zwan­zigs­ten Jahr­hun­derts, wir über­nach­ten im Lamm zu Ho­hen­stau­fen!«

      »O Pechle«, sag­te der Baron ge­bro­chen, »wenn du eine Ah­nung da­von hät­test, wie weh mir zu­mu­te ist, so wür­dest du nicht so grob und auf­fah­rend ge­gen mich sein.«

      »Nun, nun, es war eben nicht so böse g’­meint.«

      »Wenn ich das auch weiß, so än­dert es doch nichts an mei­nem Be­fin­den. Siehst du, ich habe mich dei­ner Füh­rung ein­mal an­ver­traut, und wenn ich auch nicht sa­gen kann, dass es zu mei­nem Ver­gnü­gen ge­we­sen ist, so bin ich doch au­gen­blick­lich nicht im­stan­de, et­was an­de­res zu sa­gen, als: mach, was du willst. Ach Chri­stoph, Chri­stoph, ich habe mich nie­mals in mei­nem Le­ben so schwach und hin­fäl­lig in mei­nen Bei­nen ge­fühlt, als in die­sem Mo­ment. Du bist mein Freund, und ich schä­me mich nicht, dir zu sa­gen, dass ich mich sehr

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