Gesammelte Werke. Wilhelm Raabe
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»Meine Frau!«…
»Was? Herrgott, deine Frau?« schrie Christoph Pechlin höchlichst verwundert, und setzte sofort äußerst gefasst, ruhig und gemütlich hinzu: »Richtig, sie ist es, und das Lange da neben ihr wird also wohl die andere sein!«
Die beiden Leonoren auf dem Gipfel des Berges rührten sich nicht weiter, nachdem sie gesehen hatten und ein Zweifel an der Wirklichkeit des Gesehenen nicht mehr möglich war. Sie standen wie angewurzelt, statuenhaft, im Abendsonnenglanz und überließen es den beiden Herren, näher zu kommen.
Und sie kamen näher; der Baron, da er nicht anders konnte, Pechle vergnügt wie ein Iltis auf dem Wege in den Hühnerstall.
»Was zögerst du denn? So geh doch! Freu di doch!« rief er, kräftig dem Freunde den Ellenbogen in die Seite setzend und zu gleicher Zeit als ein höflicher Mann den Hut lächelnd gegen die Damen lüftend.
»Ja, ja, Sechserle, wir sitzen drin«, flüsterte er im Voransteigen, »da ischt kei’ Zweifel, also – Mut! Courage! Manneskraft! Tu wenigstens, als ob dir ungemein leicht zumute sei, Rippgen! Lächle sie an und besiege, überwinde, stürze sie um durch heitere, fröhliche Unbefangenheit. Donnerwetter, die Engländerin ist gar so übel nicht! weiß Gott, das ischt ja a recht nettes, a ganz sauberes Mädle! Meine Damen, wir haben die Ehre – Grüß Gott, meine Damen.«
Sie waren oben, und da, wie gesagt, die beiden überraschten schönen Schwärmerinnen nicht zurückgewichen waren, so standen sie sich alle vier gegenüber, und das war unserer Meinung nach das merkwürdigste Zusammentreffen, welches der Hohenstaufengipfel je erlebt hatte!
Das zwölfte Kapitel.
Man hatte auf dem Berggipfel Platz zu allen gegenseitigen Vorstellungen. Sämtliche historischen Bauhindernisse schienen nur dieser gegenwärtigen großen Begegnung Raum gegeben zu haben, und – kein Hohenstaufenpaar, welches zwei zu Kreuze kriechende Rebellen-Gesandte von Mailand vor sich ließ, konnte sie kühler und zu gleicher Zeit im Innersten frohlockender empfangen, als Miss Christabel Eddish und die Baronin Lucie den Baron und den Freund des Barons, Herrn Christoph Pechle an sich herankommen ließen.
Dafür aber auch konnten wahrlich zwei um gutes Wetter bittende Abgeordnete der Stadt Mediolanum nicht vorsichtiger auftreten, und beim leisesten Fächerwehen und Stirnrunzeln scheuer und diplomatisch-bänglicher zurücktreten, als der Baron und sein Freund – ja auch sein Freund jetzt! – auf der Stelle, wo vielleicht vordem die Thronsessel des grimmigen Salzsäers Barbarossa und seiner kaiserlichen Hausehre standen.
O, die Reichsfreifrau Lucie von Rippgen verstand es gleichfalls, Salz auf eine Stelle zu säen, die sie vorher durch jegliches Hausmittelchen und Regierungsmittel gründlichst verheert hatte, und Miss Christabel sah auch an diesem Orte nicht aus, als ob sie es für ihren irdischen Beruf halte, bei derartigen Gelegenheiten als begütigende Vermittlerin einzutreten.
Pechle, selbst Pechle fühlte sich immer mehr eingeschüchtert, je mehr er sich den Damen näherte und je länger er, mit dem Hute in der Hand, vor ihnen stand. Verstohlene Seitenblicke, die immer länger wurden, warf er auf die britische Jungfrau, – Miss Christabel machte unbedingt einen Eindruck auf ihn und zwar einen tiefen. Eben noch hatte er sie ein »sauberes Mädle« genannt; dieses zierliche Wort nahm er sofort zurück, nachdem er die Totalität ihrer Erscheinung vollkommen in sich aufgenommen hatte.
»Sauber? Die ließ ich mir um die Hälfte wüschter als Hausfreundin gern gefallen! Das ischt a Pallas Athene, und der Rippgen ischt a Esel! Ein wenig voller wäre besser; aber zu voll ist auch nicht hübsch, – bei Gott, das Mädle muss Geischt haben, – bei den unsterblichen Göttern, sie imponiert mir, und was mir imponiert, das lass ich gerne gelten!« sagte er, jedoch nicht laut.
Dass die Baronin ihm nicht imponierte, wissen wir bereits. Der beängstigende Eindruck, den sie augenblicklich in Gesellschaft der hohen Begleiterin auf ihn machte, war zwar momentan nicht wegzuscherzen, aber konnte doch nur ein vorübergehender sein und mochte bald durch die alte Frechheit und Unverschämtheit abgelöst werden. Die empfindungsvollen Saiten, die Miss Christabel in dem Busen des gemütlich-gefühlvollen Schwaben berührte, klangen länger nach, klangen weit über dieses erste Zusammentreffen im roten Abendsonnenschein auf dem Hohenstaufen hinaus und nach.
Da sie nun einmal auf so unvermutete und sonderbare Weise zusammengetroffen waren, so konnten sie nicht anders, sie mussten ihren Empfindungen Worte oder wenigstens etwas dem Ähnliches leihen. Ferdinand, als Gatte seiner Frau und als Hauptsünder, brachte es nur zu letzterem, das heißt zu einem einer Wortfolge ähnlichen, unverständlichen, in der Seele wie in der Kehle steckenbleibenden Gemurmel. Er hätte sich auch das ersparen können; denn die Gattin schnitt ihm selbst dieses ab und sprach ihn jetzt an, und zwar in schnellen, kurzen, keuchenden Sätzen.
»Siehst du, mein Lieber«, sagte sie, »da sind wir! wo du uns nicht erwartet hast… natürlich! Siehst du, o, wir benutzten die Freiheit, unser Leben einzurichten… die ihr uns so gern gönnt!… Du scheinst nicht recht wohl zu sein?… Kommt dir dieses Zusammentreffen… wirklich so überraschend?«
»O Teure, – Lucie, es ist freilich –«
»Was ist freilich?… So sprich doch! – der Herr Doktor, dein Freund, wird dich nicht genieren – was wünschtest du, wie wünschtest du, dass… dein Weib sich gegen dich stelle?… Nicht wahr, du wünschtest uns – meine arme Christabel und mich – als die Hüterinnen deines Hauses… deines Herdes ruhig daheim dich… erwartend zu finden? O sprich dich ruhig aus, geniere dich nicht vor Christabel! Ist es nicht so? war es nicht so? wird es so nicht sein?«
»Gewiss nicht, Liebe!… Ich habe gar nicht darüber –«
»Nachgedacht?! Natürlich! Siehst du, Christabel, mein armes Herz?! Gewiss, du hattest recht, und ich hatte recht, wir beide hatten recht, als wir es für das einzig Rechte, das einzig Menschenwürdige hielten, unsere eigenen Wege zu gehen! Du hast mich vor dem Wahnsinn gerettet, Christabel,