Gesammelte Werke. Wilhelm Raabe

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Gesammelte Werke - Wilhelm Raabe страница 243

Gesammelte Werke - Wilhelm  Raabe Gesammelte Werke bei Null Papier

Скачать книгу

Fer­di­nand von Ripp­gen, mit bei­den Hän­den kramp­fig ein­knei­fend, den Arm sei­nes Beglei­ters, stand, riss den Ex­stift­ler gleich­falls rück­wärts, starr­te auf­wärts und sag­te ton­los:

      »Mei­ne Frau!«…

      »Was? Herr­gott, dei­ne Frau?« schrie Chri­stoph Pech­lin höch­lichst ver­wun­dert, und setz­te so­fort äu­ßerst ge­fasst, ru­hig und ge­müt­lich hin­zu: »Rich­tig, sie ist es, und das Lan­ge da ne­ben ihr wird also wohl die an­de­re sein!«

      Die bei­den Leo­no­ren auf dem Gip­fel des Ber­ges rühr­ten sich nicht wei­ter, nach­dem sie ge­se­hen hat­ten und ein Zwei­fel an der Wirk­lich­keit des Ge­se­he­nen nicht mehr mög­lich war. Sie stan­den wie an­ge­wur­zelt, sta­tu­en­haft, im Abend­son­nenglanz und über­lie­ßen es den bei­den Her­ren, nä­her zu kom­men.

      Und sie ka­men nä­her; der Baron, da er nicht an­ders konn­te, Pechle ver­gnügt wie ein Il­tis auf dem Wege in den Hüh­ner­stall.

      »Was zö­gerst du denn? So geh doch! Freu di doch!« rief er, kräf­tig dem Freun­de den El­len­bo­gen in die Sei­te set­zend und zu glei­cher Zeit als ein höf­li­cher Mann den Hut lä­chelnd ge­gen die Da­men lüf­tend.

      »Ja, ja, Sechser­le, wir sit­zen drin«, flüs­ter­te er im Voran­stei­gen, »da ischt kei’ Zwei­fel, also – Mut! Cou­ra­ge! Man­nes­kraft! Tu we­nigs­tens, als ob dir un­ge­mein leicht zu­mu­te sei, Ripp­gen! Lächle sie an und be­sie­ge, über­win­de, stür­ze sie um durch hei­te­re, fröh­li­che Un­be­fan­gen­heit. Don­ner­wet­ter, die Eng­län­de­rin ist gar so übel nicht! weiß Gott, das ischt ja a recht net­tes, a ganz sau­be­res Mäd­le! Mei­ne Da­men, wir ha­ben die Ehre – Grüß Gott, mei­ne Da­men.«

      Sie wa­ren oben, und da, wie ge­sagt, die bei­den über­rasch­ten schö­nen Schwär­me­rin­nen nicht zu­rück­ge­wi­chen wa­ren, so stan­den sie sich alle vier ge­gen­über, und das war un­se­rer Mei­nung nach das merk­wür­digs­te Zu­sam­men­tref­fen, wel­ches der Ho­hen­stau­fen­gip­fel je er­lebt hat­te!

      Man hat­te auf dem Berg­gip­fel Platz zu al­len ge­gen­sei­ti­gen Vor­stel­lun­gen. Sämt­li­che his­to­ri­schen Bau­hin­der­nis­se schie­nen nur die­ser ge­gen­wär­ti­gen großen Be­geg­nung Raum ge­ge­ben zu ha­ben, und – kein Ho­hen­stau­fen­paar, wel­ches zwei zu Kreu­ze krie­chen­de Re­bel­len-Ge­sand­te von Mai­land vor sich ließ, konn­te sie küh­ler und zu glei­cher Zeit im In­ners­ten frohlo­cken­der emp­fan­gen, als Miss Chri­sta­bel Ed­dish und die Baro­nin Lu­cie den Baron und den Freund des Barons, Herrn Chri­stoph Pechle an sich her­an­kom­men lie­ßen.

      Da­für aber auch konn­ten wahr­lich zwei um gu­tes Wet­ter bit­ten­de Ab­ge­ord­ne­te der Stadt Me­dio­la­num nicht vor­sich­ti­ger auf­tre­ten, und beim lei­ses­ten Fä­cher­we­hen und Stirn­run­zeln scheu­er und di­plo­ma­tisch-bäng­li­cher zu­rück­tre­ten, als der Baron und sein Freund – ja auch sein Freund jetzt! – auf der Stel­le, wo viel­leicht vor­dem die Thron­ses­sel des grim­mi­gen Salz­sä­ers Bar­ba­ros­sa und sei­ner kai­ser­li­chen Hau­seh­re stan­den.

      O, die Reichs­frei­frau Lu­cie von Ripp­gen ver­stand es gleich­falls, Salz auf eine Stel­le zu säen, die sie vor­her durch jeg­li­ches Haus­mit­tel­chen und Re­gie­rungs­mit­tel gründ­lichst ver­heert hat­te, und Miss Chri­sta­bel sah auch an die­sem Orte nicht aus, als ob sie es für ih­ren ir­di­schen Be­ruf hal­te, bei der­ar­ti­gen Ge­le­gen­hei­ten als be­gü­ti­gen­de Ver­mitt­le­rin ein­zu­tre­ten.

      Pechle, selbst Pechle fühl­te sich im­mer mehr ein­ge­schüch­tert, je mehr er sich den Da­men nä­her­te und je län­ger er, mit dem Hute in der Hand, vor ih­nen stand. Ver­stoh­le­ne Sei­ten­bli­cke, die im­mer län­ger wur­den, warf er auf die bri­ti­sche Jung­frau, – Miss Chri­sta­bel mach­te un­be­dingt einen Ein­druck auf ihn und zwar einen tie­fen. Eben noch hat­te er sie ein »sau­be­res Mäd­le« ge­nannt; die­ses zier­li­che Wort nahm er so­fort zu­rück, nach­dem er die To­ta­li­tät ih­rer Er­schei­nung voll­kom­men in sich auf­ge­nom­men hat­te.

      »Sau­ber? Die ließ ich mir um die Hälf­te wüsch­ter als Haus­freun­din gern ge­fal­len! Das ischt a Pal­las Athe­ne, und der Ripp­gen ischt a Esel! Ein we­nig vol­ler wäre bes­ser; aber zu voll ist auch nicht hübsch, – bei Gott, das Mäd­le muss Geischt ha­ben, – bei den un­s­terb­li­chen Göt­tern, sie im­po­niert mir, und was mir im­po­niert, das lass ich ger­ne gel­ten!« sag­te er, je­doch nicht laut.

      Dass die Baro­nin ihm nicht im­po­nier­te, wis­sen wir be­reits. Der be­ängs­ti­gen­de Ein­druck, den sie au­gen­blick­lich in Ge­sell­schaft der ho­hen Beglei­te­rin auf ihn mach­te, war zwar mo­men­tan nicht weg­zu­scher­zen, aber konn­te doch nur ein vor­über­ge­hen­der sein und moch­te bald durch die alte Frech­heit und Un­ver­schämt­heit ab­ge­löst wer­den. Die emp­fin­dungs­vol­len Sai­ten, die Miss Chri­sta­bel in dem Bu­sen des ge­müt­lich-ge­fühl­vol­len Schwa­ben be­rühr­te, klan­gen län­ger nach, klan­gen weit über die­ses ers­te Zu­sam­men­tref­fen im ro­ten Abend­son­nen­schein auf dem Ho­hen­stau­fen hin­aus und nach.

      Da sie nun ein­mal auf so un­ver­mu­te­te und son­der­ba­re Wei­se zu­sam­men­ge­trof­fen wa­ren, so konn­ten sie nicht an­ders, sie muss­ten ih­ren Emp­fin­dun­gen Wor­te oder we­nigs­tens et­was dem Ähn­li­ches lei­hen. Fer­di­nand, als Gat­te sei­ner Frau und als Haupt­sün­der, brach­te es nur zu letz­te­rem, das heißt zu ei­nem ei­ner Wort­fol­ge ähn­li­chen, un­ver­ständ­li­chen, in der See­le wie in der Keh­le ste­cken­blei­ben­den Ge­mur­mel. Er hät­te sich auch das er­spa­ren kön­nen; denn die Gat­tin schnitt ihm selbst die­ses ab und sprach ihn jetzt an, und zwar in schnel­len, kur­z­en, keu­chen­den Sät­zen.

      »Siehst du, mein Lie­ber«, sag­te sie, »da sind wir! wo du uns nicht er­war­tet hast… na­tür­lich! Siehst du, o, wir be­nutz­ten die Frei­heit, un­ser Le­ben ein­zu­rich­ten… die ihr uns so gern gönnt!… Du scheinst nicht recht wohl zu sein?… Kommt dir die­ses Zu­sam­men­tref­fen… wirk­lich so über­ra­schend?«

      »O Teu­re, – Lu­cie, es ist frei­lich –«

      »Was ist frei­lich?… So sprich doch! – der Herr Dok­tor, dein Freund, wird dich nicht ge­nie­ren – was wünsch­test du, wie wünsch­test du, dass… dein Weib sich ge­gen dich stel­le?… Nicht wahr, du wünsch­test uns – mei­ne arme Chri­sta­bel und mich – als die Hü­te­rin­nen dei­nes Hau­ses… dei­nes Her­des ru­hig da­heim dich… er­war­tend zu fin­den? O sprich dich ru­hig aus, ge­nie­re dich nicht vor Chri­sta­bel! Ist es nicht so? war es nicht so? wird es so nicht sein?«

      »Ge­wiss nicht, Lie­be!… Ich habe gar nicht dar­über –«

      »Nach­ge­dacht?! Na­tür­lich! Siehst du, Chri­sta­bel, mein ar­mes Herz?! Ge­wiss, du hat­test recht, und ich hat­te recht, wir bei­de hat­ten recht, als wir es für das ein­zig Rech­te, das ein­zig Men­schen­wür­di­ge hiel­ten, un­se­re ei­ge­nen Wege zu ge­hen! Du hast mich vor dem Wahn­sinn ge­ret­tet, Chri­sta­bel,

Скачать книгу