Gesammelte Werke. Wilhelm Raabe

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Gesammelte Werke - Wilhelm  Raabe Gesammelte Werke bei Null Papier

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ein­mal einen be­le­ben­den Ein­fluss, und als der Schur­wald die bei­den Tou­ris­ten in sei­nen Schat­ten auf­nahm, da dreh­te sich un­ter den ers­ten Bäu­men des Ge­höl­zes Herr Chri­stoph Pech­lin auf ei­nem Bein drei­mal im Krei­se, schwang den Hut und stieß ein weit­hin schal­len­des Lust­ge­schrei aus. Dann sag­te er:

      »Das ist mir doch zum ers­ten Mal in mei­nem Le­ben pas­siert, dass mich der Alp am hel­len Tage im Mit­tags­schlaf ge­drückt hat. Nimm es mir nicht übel, Sechser­le, aber du hast dich mir schwer auf die Brust ge­legt. Eine süße Last wa­rest we­der du noch dei­ne Gat­tin, und dann – dann, wie konn­test du es wa­gen, mir Miss Chri­sta­bel Ed­dish im Trau­me vor­zu­stel­len?«

      »Ich ver­si­che­re dich, Chri­stoph –«

      »Sei ganz ru­hig! Ich ver­zich­te auf alle dei­ne Ver­si­che­run­gen, Be­teue­run­gen und Ent­schul­di­gun­gen; al­lein, wie es mir dem­nächst mög­lich sein wird, mich der Dame per­sön­lich zu prä­sen­tie­re, das weiß ich in die­sem Au­gen­blick wirk­lich nicht, und dich, – ehr­lich ge­stan­den, – sehe ich, bis die Vor­stel­lung statt­ge­fun­den hat, mit nicht zu bän­di­gen­dem Wi­der­wil­len, um nicht zu sa­gen Ekel und Ab­scheu an.«

      Sie wan­der­ten für­bass durch den Schur­wald, hü­gel­auf und hü­gel­ab bis un­ter den stei­len Ke­gel des Ho­hen­stau­fen. Auf die­sem Wege hat­ten sie die Land­stra­ße stets zu ih­rer rech­ten Hand, bald nah, bald wei­ter ab, jetzt voll­stän­dig zu über­se­hen, jetzt teil­wei­se oder gänz­lich durch das Ge­büsch oder die Baum­stäm­me ih­ren Au­gen ver­deckt. Es konn­te ih­nen also nicht ent­ge­hen, dass die zwei Gäu­le ei­nes Kutschwa­gens ziem­lich glei­chen Schritt mit ih­nen hiel­ten, ih­nen zur Zeit einen Vor­sprung ab­ge­wan­nen, um dann wie­der hin­ter ih­nen zu­rück­zu­blei­ben.

      »Wir wer­den Ge­sell­schaft beim Nachtes­sen im Lamm ha­ben«, sag­te Pechle. »Ich pfei­fe zwar dar­auf, denn der er­lauch­te Berg zieht son­der­bar lang­wei­li­ges Volk an; al­lein es kit­zelt mich doch im­mer. Hä, ihr Sach­sen, ihr Ober­sach­sen, ihr Meiß­ner, ihr Ein­wan­de­rer auf sla­vi­sches Ge­biet, da sitzt ihr mit eu­rem an­ge­maß­ten Stam­mes­na­men und eu­rem Hau­se Wet­tin und är­gert euch gren­zen­los, wenn wir euch von hier aus eine Nase zu­dre­hen.«

      »Was mich an­be­trifft, gar nicht!« sag­te der Baron Fer­di­nand von Ripp­gen, kö­nig­lich säch­si­scher As­ses­sor au­ßer Dienst. »Üb­ri­gens habe ich über die Sa­che auch noch gar nicht nach­ge­dacht.«

      Da­rauf sah ihn der schwä­bi­sche Ex-Theo­lo­ge eine Wei­le an und sprach dann treu­her­zig:

      »Siehscht du, Al­ter­le, das ischt auch ei­ner der Grün­de, wes­we­gen wir zwei deut­sche Brü­der im­mer so gut zu­sam­men aus­ge­kom­men sind! Da ist der Wa­gen wie­der – na­tür­lich voll Frau­en­zim­mer! Und hier sind wir am Ende des Wal­des, der Weg nach dem Dor­fe hin­auf ist noch ein schwe­res Stück Ar­beit. Ein halb Stünd­le im Schat­ten wirft mei­ne Uhr noch ab. Nimm Platz und er­lau­be mir als Au­to­chtho­nen, dich am Fuße die­ses al­ler­höchs­ten ger­ma­ni­schen Berg­ke­gels noch­mals herz­lich will­kom­men zu hei­ßen.«

      »Ei ja frei­lich, hier sit­ze ich!« seufz­te der Frei­herr, den Schweiß von der er­hitz­ten Stirn trock­nend, und der im Son­nen­bran­de den Weg zum Dorf Ho­hen­stau­fen hin­auf­krie­chen­den Kut­sche nach­bli­ckend.

      Süß wa­ren die­se letz­ten Mo­men­te der Ruhe im Schat­ten, selbst für den Baron. Die Auf­re­gun­gen, Ver­wir­run­gen und Kämp­fe, wel­che aber schon die nächs­te Stun­de im Scho­ße trug, wirk­ten beim Aus­schüt­teln eben die­ses Scho­ßes dann umso mäch­ti­ger durch den Kon­trast.

      Der Göp­pin­ger Miets­wa­gen war längst hin­ter ei­ner Bie­gung des We­ges ver­schwun­den, als Pechle sei­nen Zi­gar­ren­stumpf auf den Fahr­weg warf und sag­te:

      »Jetzt wird es aber Zeit. Ge­hen wir also.«

      Müh­sam such­te der säch­si­sche Frei­herr sei­ne Ge­bei­ne aber­mals zu­sam­men und stand auf, so gut es sich tun ließ.

      Schweiß­trie­fend er­reich­ten die zwei Freun­de die ers­ten Hüt­ten des Dor­fes Ho­hen­stau­fen, und Pechle be­merk­te:

      »Das Be­tre­ten die­ser sel­te­nen Stät­te scheint nicht den ge­wünsch­ten be­le­ben­den Ein­druck auf dich zu ma­chen, Fer­di­nand. Da set­ze ich denn mei­ne letz­te Hoff­nung auf das Lamm. Au­ßer­ge­wöhn­lich un­an­ge­nehm wär’s, wenn wir das Quar­tier be­reits be­legt fän­den.«

      Das hat­te ganz den An­schein, denn als die bei­den Wan­de­rer, im­mer noch bergan stei­gend, das Lamm in Sicht be­ka­men, hielt der Göp­pin­ger na­tür­lich schon un­ter der Hau­stür­trep­pe, sei­ner schö­nen Last ent­le­digt, und Pechle kratz­te sich nach­denk­lich hin­ter dem Ohr und sprach weh­mü­tig-ver­drieß­lich:

      »Mei­ne Ah­nun­gen trü­gen mich doch nie. Da un­ten im Och­sen ist Mu­sik und setzt es heu­te Abend si­cher­lich Hie­be, und hier ins Lamm hat sich dicht vor un­se­rer Nase das an­de­re Ge­schlecht ein­ge­legt, und nennt das wahr­schein­lich auch, Ro­sen ins ir­di­sche Le­ben win­den. Das muss i sage! Na, wie ischt’s, Lamm­wirt?«

      Von der Trep­pe sei­nes Hau­ses her­ab zuck­te der Wirt zum Lamm in Ho­hen­stau­fen selbst­ver­ständ­lich die Ach­seln, wäh­rend flachs­haa­ri­ge Dorf­ju­gend, zu Hau­fen um die bei­den An­kömm­lin­ge ver­sam­melt, sich kein Wort und kei­nen Ges­tus der Ver­hand­lun­gen ent­ge­hen ließ, son­dern mit auf­ge­sperr­tem Maul und Ohr al­les in sich hin­ein­schlang.

      »Auf dem Tanz­saal kann ich Ihne noch a Bett hin­stel­le. Das Lum­pen­volk, für wel­ches da der rech­te Platz wär, hält sei­ne Bet­tel­hoch­zeit ja doch im Och­se. Tre­te die Her­re ein, die frem­den Stadt­da­me sind schon auf den Berg ’nauf – wie ge­wöhn­lich!«

      Also sprach der Wirt zum Lamm in Ho­hen­stau­fen von sei­ner Hau­stür­trep­pe her­ab, und Pechle rief: »Was Bes­se­res hab’ ich mir nim­mer ge­wünscht. Es gilt für den Tanz­saal, Lamm­wirt. Mu­tig, Sechser­le – noch einen Schop­pen Ro­ten, und dann gleich­falls den Berg hin­auf – wie ge–wöhn­lich!«

      Ge­folgt vom Baron er­stieg er die Trep­pe und trat in die nie­de­re Ho­no­ra­tio­ren­stu­be zur Lin­ken der Tür, und sämt­li­che flachs­haa­ri­ge ho­hen­stau­fen­sche Dorf­ju­gend mach­te den Ver­such, eben­falls mit ein­zu­tre­ten, und konn­te nur mit Mühe vom Wirt be­wo­gen wer­den, den Ver­such auf­zu­ge­ben.

      In dem Gast­zim­mer stütz­te Fer­di­nand von Ripp­gen so­fort wie­der bei­de El­len­bo­gen auf den Tisch und den Kopf auf bei­de Hän­de; Pechle je­doch, al­les Le­bens­durs­tes voll, be­stell­te den Ro­ten, rieb sich mun­ter auf- und ab­lau­fend die Hän­de und mur­mel­te:

      »Im­mer ver­gnüg­ter wird man! Jetzt fehlt mir nur noch der Alte vom Kyff­häu­ser, um auf der Stel­le Brü­der­schaft mit ihm zu ma­chen. Das wäre et­was! Nach­her käme man auch zu ei­nem ver­nünf­ti­gen Ge­spräch, er­füh­re die Mei­nung des Al­ten über die Zu­kunft Deutsch­lands, und – dann gin­gen wir alle

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