Gesammelte Werke. Wilhelm Raabe

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Gesammelte Werke - Wilhelm  Raabe Gesammelte Werke bei Null Papier

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im Kyff­häu­ser. Ich füh­le mich wie fest­ge­wach­sen, wenn auch nicht mit dem Bar­te am Tisch, so doch mit den Fü­ßen und Bei­nen am Bo­den. Au­ßer­dem ist mein Kopf sehr ein­ge­nom­men –«

      »Du soll­test wirk­lich noch einen Schop­pen zu dir neh­men.«

      Fer­di­nand von Ripp­gen schau­der­te.

      »Ich weiß fest, dass das mir den Rest ge­ben wür­de. O Chri­stoph, Chri­stoph, du bist mein Freund, aber of­fen ge­stan­den, dass ich dir zu mei­nem Be­ha­gen wie­der in die Hän­de ge­ra­ten sei, glau­be ich nicht mehr. Lie­ber Pech­lin, ich bit­te dich herz­lich, über­lass mich mir, mei­ner Er­mü­dung und mei­nem Schick­sal, we­nigs­tens für heu­te Abend. Erklim­me al­lein je­nen un­heim­li­chen kah­len Gip­fel, du kannst mir ja nach­her er­zäh­len, was du da oben ge­se­hen, er­fah­ren und er­lebt hast.«

      »Das wür­de dei­ne Frau mir in ih­rem gan­zen Le­ben nicht ver­zei­hen. Ich habe mir ver­spro­chen, dich ihr bes­ser, sitt­li­cher und ver­stän­di­ger zu­rück­zu­lie­fern, und ich wer­de mir Wort hal­ten. Ripp­gen, ich ver­las­se dich nicht, aber auch du wirst bei mir blei­ben, wirst mit mir ge­hen, und wirst vor al­len Din­gen nach fünf Mi­nu­ten, die ich dir noch zur Samm­lung dei­ner Le­bens­geis­ter ge­stat­te, mit mir den Fleck be­se­hen, wo die Burg dei­ner größ­ten Kai­ser stand.«

      »Pechle, mor­gen sind wir wie­der in Stutt­gart!« Ohne zu ah­nen, wie sehr er sich täusch­te, er­wi­der­te der Ex­stift­ler:

      »Umso mehr soll das Heu­te uns ge­hö­ren. Da steht der Rote, ver­scheu­che die bleich­gel­be Möre durch ihn und tu mir den Ge­fal­len, und sperr dich nicht län­ger. Weischt du, ich habe mich um den Mor­gen nie ge­küm­mert und bin stets gut da­bei ge­fah­ren.«

      »Ja, du auch!« seufz­te der Freund aus Sach­sen, und er hob sich müh­se­lig von sei­ner Bank hin­ter dem Tisch im Lamm zu Ho­hen­stau­fen.

      Es ist für einen den­ken­den, mit et­was po­li­ti­schem Sinn und vor al­len Din­gen mit Fan­ta­sie be­gab­ten Men­schen im­mer­hin et­was, die stei­le Gas­se des Dor­fes Ho­hen­stau­fen ge­gen den Burg­berg hin zu durch­wan­dern. Es liegt, ab­ge­se­hen von man­chem an­de­ren ein ziem­li­cher Trost für un­serei­nen in der For­texis­tenz die­ses Dor­fes mit dem be­rühm­ten Na­men. Die­se Bau­ern­häu­ser und Hüt­ten und das Volk in ih­nen ha­ben vie­ler­lei über­dau­ert, was vor­dem, wenn nicht mit Ver­ach­tung, so doch mit lä­cheln­der Ge­ring­schät­zung auf sie her­ab sah, und sie je­den­falls beim Auf­bau und Aus­bau sei­ner stol­zen Plä­ne we­nig in Rech­nung zog. Die ho­hen Zin­nen sind ge­fal­len, die Fürs­ten, die ge­wal­ti­gen Herr­scher der Welt zer­sto­ben; aber die Hüt­ten ste­hen noch auf­recht, und die Bau­ern von Ho­hen­stau­fen schla­gen heu­te noch wie vor tau­send Jah­ren auf den Tisch, hal­ten ihr Da­sein für et­was ganz Selbst­ver­ständ­li­ches und ha­ben si­cher­lich über die Be­rech­ti­gung die­ses ih­res Da­seins noch nie nach­ge­dacht.

      Es ist eine große Merk­wür­dig­keit, und wer ein­mal an­ge­fan­gen hat, dar­über nach­zu­den­ken, oder gar münd­lich oder schrift­lich et­was dar­über von sich zu ge­ben, der fin­det nicht leicht das Ende sei­ner Be­trach­tun­gen. An­ge­fan­gen ha­ben wir lei­der; aber wir wis­sen uns zu mä­ßi­gen und bre­chen kurz ab, in der fröh­li­chen Aus­sicht, heu­te Abend im Och­sen mit der kai­ser­lich-ho­hen­stau­fen­schen Hin­ter­sas­sen­schaft von neu­em zu­sam­men­zu­tref­fen. –

      Die bei­den Freun­de, Fer­di­nand und Chri­stoph, Wet­tin und Beu­tels­bach – stie­gen, nach­dem sie vor­her das Quar­tier im Tanz­saal in Au­gen­schein ge­nom­men und an­nehm­bar ge­fun­den hat­ten, jetzt der al­ten Kir­che zu, und – be­trach­te­ten sie von au­ßen. Hin­ein ging Pechle nicht, be­haup­tend, das kön­ne man von ihm, als frü­he­ren Tü­bin­ger Stift­ler, nicht ver­lan­gen. Da­für aber er­ging er sich in den ku­rio­ses­ten Mut­ma­ßun­gen über die Fra­ge, was für eine Art von Pa­tro­nats­herr wohl der frei­geis­ti­ge zwei­te Fried­rich ge­we­sen sein möge, und kam zu dem En­dre­sul­tat, dass der kai­ser­li­che Schlau­kopf hier auf der ei­ge­nen Schol­le un­be­dingt den Or­tho­do­xen reins­ten Was­sers ge­spielt und die Pfar­re nie ver­ge­ben ha­ben wer­de, ohne dem Herrn Kan­di­da­ten sel­ber scharf auf den Zahn zu füh­len, oder vom Kon­sis­to­rio füh­len zu las­sen.

      Mit ei­ner Schul­ter­be­we­gung ge­gen das Dorf hin, sprach Pechle ge­drückt:

      »Sie stim­men heu­te noch in der Furcht des Herrn nach der Rich­tung!«

      Doch lei­der war der säch­si­sche Frei­herr und As­ses­sor au­ßer Diens­ten all­zu matt und da­her nicht im­stan­de, dem bie­de­ren Rei­se­ge­nos­sen auf sei­nen fei­nen We­gen durch die­se, je­den Theo­lo­gen und vor al­lem je­den vor­ma­li­gen In­sas­sen des Stif­tes zu Tü­bin­gen höch­lichst in­ter­es­sie­ren­den Fra­gen mit dem nö­ti­gen Ver­ständ­nis zu fol­gen. Er, der Baron, ging ein­fach hin­ter dem Ex­stift­ler her, stand still, wenn je­ner still stand, folg­te mit den Au­gen der deu­ten­den Hand des Freun­des und wand­te sich ohne Teil­nah­me mit, als Chri­stoph Pech­lin dem ur­al­ten Got­tes­hau­se den Rücken kehr­te. Wi­der­wil­lig und doch auch ohne Wil­len stol­per­te er dann auch dem Füh­rer nach, als die­ser den auf die Höhe des Burg­ber­ges füh­ren­den Fuß­pfad wei­ter be­schritt.

      »Bei Ba­pho­met! wird der im­pe­ra­to­ri­sche Fuchs je­des Mal ge­sagt ha­ben, wenn er ir­gend­wo in Apu­li­en das An­stel­lungs­pa­tent sei­nes hie­si­gen schwä­bi­schen Hair­le un­ter­schrieb. Ich wüss­te nicht, was er sonst ge­sagt ha­ben könn­te, Ripp­gen!« brumm­te Chri­stoph Pechle im Berg­auf­stei­gen.

      Gründ­li­cher als die­se Stau­fen­burg ist wohl nie ein Feu­dal­sitz vom Erd­bo­den weg­ge­fegt wor­den. Man hat auf dem Gip­fel des Ber­ges den schran­ken­lo­ses­ten Spiel­raum für Erin­ne­rung, Ge­fühl und Ein­bil­dungs­kraft; denn er ist voll­stän­dig kahl. Und in un­se­rem be­son­dern Fal­le kann uns das nur im höchs­ten Gra­de an­ge­nehm sein, denn im höchs­ten Gra­de ver­drieß­lich wäre es, wenn ir­gend­ein zer­trüm­mer­tes Ge­mäu­er von Palas, Wall oder Turm die Aus­sicht nach ir­gend­ei­ner Sei­te hin hin­der­te. Aber die Aus­sicht ist frei nach al­len Sei­ten, so­wohl von oben den Ke­gel hin­un­ter, wie von un­ten den Berg hin­auf. Das we­ni­ge, kunst­gärt­ne­risch an­ge­pflanz­te Ge­büsch hält sich be­schei­den am Bo­den, und man braucht sich kei­nes­wegs auf die Ze­hen zu stel­len, um über es weg den Ho­hen­zol­lern, das Stamm­haus je­nes an­de­ren frei­geis­ti­gen zwei­ten Fried­richs zu er­bli­cken.

      Um die­sen Kö­nig und je­nen Kai­ser küm­mer­ten sich die bei­den, in die­sem Au­gen­blick in tiefer Ein­sam­keit auf dem Gip­fel des Zucker­hu­tes ste­hen­den Da­men na­tür­lich nicht. Ohne sich ein­ge­hend mit Phi­lo­so­phie der Ge­schich­te zu be­fas­sen, stan­den sie auf­ein­an­der­ge­stützt, wie die bei­den Leo­no­ren auf dem be­kann­ten Düs­sel­dor­fer Bil­de und fan­den schon dar­an al­lein ihr see­li­sches Ge­nü­gen; – doch dar­an nicht al­lein, wie wir so­gleich aus ih­rer Un­ter­hal­tung er­fah­ren wer­den.

      Sie

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