Harald Harst Krimis: Über 70 Kriminalromane & Detektivgeschichten in einem Buch. Walther Kabel
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»Du hättest Dir diese Mühe sparen können, Junge,« meinte Harst. »Trotzdem, wenn du wieder mal zu solchen Feststellungen Gelegenheit hast, spiele nur abermals den heimlichen Verfolger, – zur Übung! – Den Rest von den zwanzig Mark behalte. Hier hast Du weitere Fünfzig für notwendige Auslagen.«
Karl schob etwas enttäuscht ab. Er hatte gehofft, Harst würde den Hageren von ihm beobachten lassen. Er bedauerte, jetzt wieder »ohne Arbeit« zu sein. Das Abenteuer heute hatte ihm so viel Spaß gemacht, wenn ihn auch die Kellner so merkwürdig lächelnd bei Kempinski und im Tauentzien betrachtet hatten.
4. Kapitel
Nächtliche Streife
Harst saß wieder am Flügel. Er spielte jetzt Beethoven. Dabei überlegte er, ob er sich mit diesem Arpad Tzigan, der ihm nach des Jungen Beschreibung ein völlig Fremder war, näher beschäftigen solle. Dann sagte er sich, daß es in keinem Falle etwas schaden könnte, wenn er sich diesen »Künstler« selbst einmal ansehen würde, zumal er sich ohnedies für verpflichtet hielt, bei der Kriminalpolizei den Taschendieb anzuzeigen. Da er annehmen konnte, daß der Gauner den gegen Abend wieder lebhafter werdenden Straßenverkehr für sein nur in dichten Menschenmassen auszuübendes Gewerbe ausnutzen würde, schrieb er zunächst an Stolten einen Rohrpostbrief und erklärte darin, aus eigener Tasche eine Belohnung von 5000 Mark dem zuzusichern, der über die verstümmelte Tote nähere Angaben liefern könnte. – Dann fuhr er nach der Kantstraße, kaufte sich dort bei einem Optiker zur Vorsicht eine Sonnenbrille mit grauen Gläsern, um sich für alle Fälle wenigstens etwas unkenntlich zu machen. Es war dies sein erster Versuch auf dem Gebiete der Verkleidungskunst. Es blieb nicht der letzte. Später, als er auch hierin Besseres als der beste Schauspieler leistete, belächelte Harst noch oft diese harmlose graue Brille.
Kantstraße 5 schräg gegenüber lag eine Buchhandlung. Dort vor dem Schaufenster längere Zeit die Bücherschätze sich anzusehen, konnte kaum auffallen. Harsts Geduld wurde auf eine schlimme Probe gestellt. Erst kurz vor sieben Uhr abends verließ ein Herr, auf den Karls Beschreibung in jeder Einzelheit paßte, das Haus. Im Menschenstrom der Tauentzienstraße, in dem der Hagere nun verschwand, gelang es Harst sehr bald, ihn sich genauer und aus der Nähe anzusehen. Sein Personengedächtnis und seine Fähigkeit, selbst anders zurechtgestutzte Gesichter schnell zu erkennen, bewährte sich auch jetzt wieder.
Arpad Tzigan, dachte Harst, du warst früher blond, hattest einen Spitzbart und starke blonde Augenbrauen. Aber ein Taschendieb warst Du auch als Paul Menkwitz, nebenbei auch noch Einbrecher, doch stets ein sehr eleganter. Fraglos hast du auf dem Stettiner Bahnhof Deinen Zunftgenossen Komiker-Maxe wiedererkannt und angesprochen, denn umgekehrt wär’s kaum geschehen. Ich glaube nicht, daß Schraut sich über die Begegnung mit Dir gefreut hat, – genau so wenig, wie Du bei meinem Anblick in Entzücken geraten würdest.
So dachte Harst und hielt sich nun in größerer Entfernung hinter dem »Künstler«. Vielleicht gelang es ihm, Paul Menkwitz alias Monokel-Paul bei einer neuen Fingerfertigkeit zu ertappen. Ein weitergehendes Interesse hatte er nicht an dessen Person. Aber er hatte zur Zeit nichts Besseres vor, und nur deshalb gab er diese Beobachtung des eleganten Spitzbuben noch nicht auf. Sehr bald sprach ihn dann jedoch ein Bekannter an, der gleich ihm Mitglied des Universum-Klubs war, einer Vereinigung, die neben der Pflege der Geselligkeit auch wissenschaftliche Vorträge auf allen Gebieten eine verfeinerte geistige Kost bot. Harst sah gerade noch, daß Monokel-Paul den Laden des Juweliers Birnbacher betrat.
»Lieber Harst, haben Sie kranke Augen?« meinte der Kommerzienrat Kammler und drückte ihm herzlich die Hand. »Ich hätte Sie beinahe nicht wiedererkannt. Die Brille entstellt Sie sehr.«
»Nur eine ganz leichte Bindehautentzündung.«
Sie schritten zusammen weiter.
»Harst, Sie sollten sich mal wieder im Klub sehen lassen,« sagte der noch recht stattliche Großkaufmann und schob seinen Arm vertraulich in den des Assessors. »Gewiß, Sie haben Trauer. Aber die Vortragsabende versäumen Sie nicht. Heute abend spricht unser Kriminalist von Perbram – er ist ja wohl ein Schulfreund von Ihnen – über »Moderne Verbrecherjagd«. Das muß Sie als Assessor bei der Staatsanwaltschaft doch auch interessieren.«
Harst erklärte, er würde sich den Vortrag vielleicht anhören. – Dann kam der Kommerzienrat auf Margas Tod zu sprechen. »Wenn die Polizei doch nur Erfolg hätte und den Mörder erwischte,« meinte er.
»Ich habe wenig Hoffnung. Vielleicht gelingt es einem Privat- oder einem Liebhaberdetektiv, der sich ausschließlich mit dem einen Fall beschäftigt.«
»Lassen Sie mich mit der ganzen Detektivspielerei in Ruhe!« meinte Kammler geringschätzig. »Die Erfolge solcher Leute möchte ich mal sehen! Ich bitte Sie: wo die mit tausend Hilfsmitteln arbeitende Polizei nichts erreicht, kann doch ein Privatmann erst recht nichts ausrichten! Ich ließe gern eine runde Million springen, wenn mir jemand so ’n Wundertier mal zeigt, das zum Beispiel imstande wäre, Ihre arme Braut zu rächen. Jede Wette gehe ich ein: nur die Polizei fängt den Täter, falls er überhaupt zu fangen ist!«
»Wette – hm?! Vielleicht würde sich’s lohnen,« sagte Harst sinnend.
Gleich darauf trennten sie sich. Kammler hatte es wie immer sehr eilig. Er war Junggeselle, schwerreich und alles in allem ein Original.
Juwelier Birnbacher wollte gerade den Laden schließen, als Harst noch Einlaß begehrte. Einen so guten Kunden wie den Assessor durfte man nicht abweisen. Birnbacher verriegelte hinter ihm die Tür und zog die Vorhänge zu.
»Herr Birnbacher,« begann Harst, »Sie könnten mir einen Gefallen tun. Soeben muß ein Herr hier bei Ihnen gewesen sein – groß, hager, Zylinder, Monokel, Perle in der Krawatte.« – Der Juwelier nickte. – »Würden Sie mir vielleicht sagen, was dieser Herr gewollt hat?« fragte Harst weiter. »Ich nehme an, er wird Ihnen etwas zum Kauf angeboten haben.«
Birnbacher nickte wieder. »Halb und halb trifft’s zu, Herr Assessor. Er wollte etwas repariert haben. Als ich ihm dann jedoch erklärte, die Reparatur lohne kaum mehr, da sie sehr teuer werden würde, wurden wir schnell über den Verkauf hadelseinig.«
»Und – was für ein Gegenstand war’s?«
Der Juwelier zog eine Schublade unter dem Verkaufstisch und legte das Betreffende auf eins der sammetbespannten Brettchen.
Harald Harst griff danach. Birnbacher sah, daß der Assessor für einen Augenblick die Farbe wechselte. Dann sagte Harst schon: »Was verlangen Sie dafür?«
Als der Assessor nun den Laden wieder verließ, hatte der Juwelier zweihundert Mark verdient. Daß Harst von ihm strengstes Stillschweigen über dieses gute Geschäft verlangt hatte, bewies ihm, daß mit dem langen Hageren irgend etwas nicht ganz in Ordnung war.
Harst stieg in der Tauentzienstraße in eine leere Taxameter-Droschke. Er hätte auch ein Auto bekommen können. Aber die langsamere Gangart der Droschke war ihm jetzt angenehmer. Sein Inneres war in einem Aufruhr wie nie zuvor. Niemals hätte er geglaubt, daß man gerade als Detektiv bei der Verfolgung einer zunächst recht unsicheren Fährte Minuten eines so alle anderen Empfindungen verdrängenden Triumphs