Mami Staffel 7 – Familienroman. Lisa Simon
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Hatte Melindas Auftritt gestern am Strand nicht gezeigt, welche Aggressionen in ihr schlummerten?
»Mir gefällt es hier jetzt überhaupt nicht mehr.« Willys verzag-
te Stimme schreckte Roberta
aus ihren Gedanken. Sie gab
sich einen Ruck und trat an den Tisch.
»Mir auch nicht«, erwiderte sie freundlich. »Wißt ihr, ich habe mir überlegt, ob wir nicht den Rest der Ferien irgendwo anders verbringen wollen. Vielleicht in Greetsiel oder in Norddeich oder wo es sonst schön ist. Na, was haltet ihr davon?«
»In Norddeich!« Julchen klatschte vor Begeisterung in die Hände. »Dann können wir jeden Tag zu den Robben gehen.«
»In Ordnung.« Roberta begann, die Tassen einzusammeln. »Dann schlage ich vor, daß wir jetzt aufräumen und packen. Wenn wir uns beeilen, können wir mit der Fünfzehn-Uhr-dreißig-Fähre übersetzen. In Norddeich finden wir bestimmt eine Wohnung oder ein Haus, wo wir für den Rest der Ferien wohnen können.«
»Aber den Bollerwagen nehmen wir mit?« fragte Willy noch, um dann, als Roberta nickte, mit seiner Schwester aus der Küche zu stürmen. Gleich darauf hörte Ro-
berta die beiden die Treppe hin-
aufpoltern. Anni folgte ihnen, ganz der wachsame, besorgte Schäferhund.
*
Na also! Melinda wandte sich vom Fenster ab und ließ sich mit einem zufriedenen Lächeln auf dem Sofa nieder. Ihr Plan hatte funktioniert. Die verhaßten Nachbarn zogen aus.
Von nun an würde hier Ruhe herrschen. Kein Kindergebrüll mehr, kein Hundebellen, keine rasanten Flirts zwischen ihrem Verlobten und dieser langweiligen Hausmutti!
Das wäre ja wohl lachhaft gewesen, daß ausgerechnet so eine ihr den Mann ausspannte! Nein, das kam nicht in Frage.
Nicht, daß Melinda Stephan liebte. Sie war seiner längst überdrüssig und dachte gar nicht daran, ihn zu heiraten. Sie dachte eigentlich überhaupt nicht daran, in den heiligen Stand der Ehe zu treten. Jedenfalls vorläufig nicht.
Vielleicht später, wenn sie älter war und sie alles erreicht hatte, was sie sich vorgenommen hatte. Momentan machte ihr das Leben, so wie es war, viel Spaß. Sie brauchte die tägliche Hektik, die Hetze nach dem großen Geld, den tollen Abschlüssen und den Kampf um jede Sprosse der Karriereleiter.
Aber für eine zweifache Mutter und Hausfrau würde sie das Feld nicht räumen. Niemand, außer ihr, sollte bei Stephan die erste Geige spielen. Und wenn sie ihm den Laufpaß gab, dann sollte er hübsch allein sein und nicht gleich eine andere haben, die ihn über die Trennung hinwegtröstete!
Es klingelte. Der melodische Dreiklang ließ Melinda wie ertappt auffahren. Mit angehaltenem Atem lauschte sie in die Diele hinaus, wo Stephan gerade die Tür öffnete.
Bei Robertas Anblick erschien ein erfreutes Lächeln auf seinem Gesicht.
»Hallo, Robbi.« Seine Blicke umfaßten liebevoll Robertas Gestalt. »Du siehst toll aus…« Er wollte noch etwas hinzufügen, aber da fiel sein Blick auf den fix und fertig gepackten Wagen, der vor dem Gartentor parkte.
Die Zwillinge saßen in ihren Kindersitzen auf der Rückbank, in der Mitte Anni, deren rote Zunge wie ein Fähnchen leuchtete.
»Ihr reist ab?« Stephan war verwirrt.
»Ja, wir reisen ab.« Robertas Hand schoß vor. Das Schälchen schlug schmerzhaft gegen sein Brustbein. Automatisch hob Ste-phan die Hände und hielt das Schälchen fest.
»Das gehört euch«, erklärte Ro-berta, wobei sie sich keine Mühe gab, ihren Zorn zu verbergen. »Melinda hat es im Hasenpferch vergessen. Ich habe es gründlich ausgespült, nicht, damit du dich versehentlich auch noch vergiftest.«
Stephans Gesicht war ein einziges Fragezeichen. »Wovon sprichst du eigentlich?«
»Davon, daß deine Verlobte den Hasen der Kinder vergiftet hat!« schrie ihn Roberta an. »Wahrscheinlich hat er laut gepfiffen oder sonst irgendwie Unruhe verbreitet. Und Melinda ist ja so abgeschlafft. So gestreßt, da braucht sie ganz einfach Ruhe und Erholung, nicht wahr? Nun, ich habe jedenfalls beschlossen, abzureisen, ehe sie uns alle ausgerottet hat.«
»Spinnst du?« Stephan stellte das Schälchen achtlos auf das Garderobenschränkchen. »Melinda ist zwar ein bißchen impulsiv, aber sie vergiftet doch keine Tiere. Der Hase ist bestimmt an einer ganz natürlichen Sache gestorben.«
Roberta kniff die Augen zusammen.
»Es war nicht natürlich, glaube mir!« fauchte sie erbost. Die Tatsache, daß Stephan seine Verlobte immer noch verteidigte, ärgerte sie maßlos. »Ich habe in der Gerichtsmedizin genügend Leichen gesehen, um zu wissen, wann jemand eines natürlichen oder eines gewaltsamen Todes gestorben ist. Falls du es vergessen hast: Ich schreibe Krimis. Und ich pflege gründlich zu recherchieren.«
»Aber welchen Grund sollte Melinda haben, einen kleinen Hasen zu vergiften?«
»Was weiß ich.« Roberta verschränkte die Arme vor der Brust. »Was hältst du von dem Motiv ›pure Bosheit‹? Oder einfach nur ›unheilbare Dummheit‹?«
»Ihr redet von mir?« mischte sich Melinda in die Diskussion ein. Sie war unbemerkt von den beiden Streitenden in den Flur getreten und hatte Robertas letzte Bemerkung gehört.
Leider ging Melinda die Ironie ihrer Frage nicht auf. Stolz blickte sie auf Roberta hinab, sich ganz ihrer Überlegenheit bewußt.
»Haben Sie mir irgend etwas zu sagen?«
Roberta erwiderte den Blick, ohne mit der Wimper zu zucken.
»Ja!« Sie reckte das Kinn, eine unbewußte Kampfansage, die Melinda sehr wohl verstand. »Ich habe Ihnen zu sagen, daß Sie in meinen Augen die dümmste und boshafteste Person sind, die mir unglücklicherweise jemals über den Weg gelaufen ist. Ich hoffe nur, daß wir uns in diesem Leben nie wieder begegnen. Es könnte sonst sein, daß ich Ihnen Ihre falschen Wimpern ausreiße und den verlogenen Hals umdrehe.«
»Roberta!« Stephan hob erschrocken die Hände. Frauen, die sich gegenseitig ankeiften wie die Hyänen, waren ihm ein Greuel. »Wie kannst du so was sagen. Du hast keinerlei Beweise, daß Melinda die Täterin war.«
»Was heißt ›Täterin‹?« wollte Melinda mit einem wissenden Lä-cheln um die Mundwinkel erfahren.
»Täterin heißt, daß Sie unseren Hasen vergiftet haben!« warf Ro-berta ihr entgegen. »Sie mußten sich rächen, nicht wahr? Für gestern, weil die Kinder Ihre verdammten Schuhe im Sand vergraben haben. Meine Güte, wie kleingeistig Sie doch sind.«
Melinda stieß ein boshaftes Lachen aus.
»Ich? Können Sie das beweisen?«
»Nein.« Roberta wäre ihr am liebsten ins Gesicht gesprungen. »Und selbst wenn, ich hätte keinerlei rechtliche Handhabe. Aber ich gönne mir die Genugtuung, Ihnen zu sagen, was ich über Sie denke.«
»Das