Mami Staffel 7 – Familienroman. Lisa Simon
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Thomas sah seine Frau überrascht an. Sie hatten schon mehrmals darüber gesprochen, ein gemeinsames Kind zu haben, aber Nicole hatte ausweichend gemeint, daß sie noch nicht bereit zu einer erneuten Schwangerschaft war.
Sie blickte zu Thomas hinüber. »Nein, nicht was du jetzt vielleicht denkst – aber man kann ja nie wissen.«
Nicole wußte, wie sehr sich Thomas ein Kind von ihr wünschte – und sie wollte ihm so gern diesen Herzenswunsch erfüllen; doch zuvor mußte sie Näheres über ihren Sohn erfahren. Außerdem hatte sie ein wenig Angst davor, durch eine weitere Schwangerschaft an die freudlose Zeit vor über einem Jahr erinnert zu werden.
Gleich, nachdem Thomas mit Sina am nächsten Morgen das Haus verlassen hatte, machte sich Nicole zurecht. Bevor sie zur Detektei Große & Lenz fuhr, wollte sie in den Kindergarten und mit Frau Müller über diesen Julian sprechen – das hatte sie Sina versprochen, und sie wollte ihr kleines Mädchen auf keinen Fall enttäuschen.
Frau Müller war eine noch ziemlich junge, leger gekleidete Frau, der man nicht ansah, daß sie schon einen Kindergarten leiten konnte. Sie schien zu wissen, deshalb Nicole sie aufsuchte.
»Sie können doch nicht einfach darüber hinwegsehen, daß ein Kind die anderen dauernd ärgert mit dem Argument, daß er ja bald nicht mehr dasein wird!«
Frau Müller nickte. »Sie haben recht, und Sie sind nicht die einzige Mutter, die sich über Julian beschwert. Ich habe deshalb mit seinen Eltern gesprochen; der Junge ist auch zu Hause ein richtiger Wildfang. Aber ich konnte die Eltern überreden, daß er bis zum Umzug nicht mehr herkommt – und ich glaube, ich habe damit erreicht, was Sie wollen.«
»Na, wunderbar.« Nicole erhob sich zufrieden; sie bedankte sich bei der Leiterin und verließ das winzige Büro. Auf dem Gang suchte sie nach Sina, erfuhr aber, daß ihre Gruppe einen Spaziergang machte, um Kastanien für die Herbstbastelei zu sammeln.
Ein wenig war Nicole enttäuscht; sie hätte Sina gern gesagt, daß sie keine Angst mehr vor Julian haben brauchte. Dann blickte sie auf ihre Uhr und stellte erschrocken fest, daß sie schon ziemlich spät dran war. Wenn sie ihren Termin einhalten wollte, mußte sie sich sputen…
Fünf Minuten vor dem Termin stürzte Nicole in das moderne Bürogebäude; sie hatte eine wertvolle Viertelstunde damit verbracht, einen Parkplatz zu suchen.
Außer Atem klopfte sie an die Glastür der Detektei Große & Lenz, trat ein und stand in einem hellen freundlichen Raum, der nichts mit den verrauchten, schmuddeligen Büros aus alten amerikanischen Krimiserien gemein hatte.
Die ältere Frau an der Rezeption führte Nicole in einen angrenzenden Raum, in dem ein junger Mann im gepflegten Anzug hinter einem Schreibtisch saß und telefonierte.
Nicole nahm auf dessen Handbewegung Platz und wartete geduldig, bis der Mann das Gespräch beendet hatte. Das Ganze dauerte keine Minute, kam Nicole jedoch wie eine Ewigkeit vor.
Dann legte er auf und reichte ihr die Hand. »Guten Tag, Frau Benedikt. Mein Name ist Armin Bach, und ich hoffe, daß ich Ihnen helfen kann. Unsere Frau Wunderlich hat mir Ihren Fall schon geschildert.«
»Können Sie mir denn überhaupt helfen?« fragte Nicole und knetete nervös ihre Hände, die sie in den Schoß gelegt hatte.
Armin Bach lehnte sich zurück. »Erzählen Sie mir bitte noch einmal in Ihren eigenen Worten die Geschichte, von der Klinik, in der Sie entbunden haben und davon, was Sie selbst bereits unternommen haben.«
Während Nicole berichtete und dabei darauf achtete, nichts Wesentliches zu vergessen, machte sich Armin Bach eifrig Notizen, wobei er das eine um das andere Male nickte.
Als Nicole geendet hatte, sagte er: »Ich will Ihnen nicht verheimlichen, daß es nicht einfach sein wird, den jetztigen Aufenthaltsort Ihres Kindes herauszubekommen, aber ich werde mein Bestes tun.«
Nicole lag die Frage auf der Zunge, ob er denn nur auf legalem Weg arbeitete, unterließ es dann jedoch wieder. Eigentlich war es ihr egal, sie wollte nur wissen, wo sich der Kleine befand.
»Wo kann ich Sie erreichen, wenn ich etwas erfahre?« fragte Armin Bach, bevor sich Nicole verabschiedete. Daran hatte sie überhaupt nicht gedacht!
Unmöglich konnte der Detektiv zu Hause anrufen, die Gefahr, daß Thomas am Apparat war, wäre viel zu groß!
Als Bach sah, daß Nicole zögerte, sagte er: »Sie können natürlich jederzeit hier anrufen, wenn Ihnen dies lieber ist.«
Dankbar nickte sie und fügte zaghaft lächelnd hinzu: »Ich bin jetzt verheiratet, und mein Mann…«
»Schon gut«, wehrte Bach ab. »Ist alles kein Problem. Am besten, Sie melden sich in zwei Wochen hier.«
»Erst in zwei Wochen?« echote sie erschrocken. Sie hatte gehofft, schon früher etwas erfahren zu können.
»Tja, schneller wird es kaum
gehen. Das braucht alles seine Zeit.«
Sie reichte dem Mann die Hand. »Entschuldigen Sie meine Ungeduld, selbstverständlich werde ich Sie nicht drängen – und wegen der Bezahlung brauchen Sie sich auch keine Sorgen zu machen.«
»Darüber mache ich mir keine Sorgen.« Armin Bach hatte sich ebenfalls erhoben und schüttelte zum Abschied Nicoles Hand…
*
Die folgenden vierzehn Tage wollten und wollten nicht vergehen.
Thomas fiel die ungewohnte Nervosität seiner Frau auf. Am Abend, bevor sie die Detektei anrufen wollte, fragte er besorgt: »Willst du mir nicht erklären, was mit dir los ist?«
Nicole wußte, daß Thomas eine Ausrede nicht glauben würde. Schnell erwiderte sie deshalb: »Ich weiß auch nicht, was mit mir los ist. Ich denke, das feuchte Wetter macht mich so fertig.«
»Ja, du hast recht. Es ist viel zu mild für Mitte November, das schlägt aufs Gemüt. Hast du dir schon Gedanken gemacht, was wir Sina zu Weihnachten schenken wollen?«
Nicole fiel ein Stein vom Herzen, daß auch Thomas ihre Nervosität auf das Wetter schob. »Ich würde gerne für Flo ein paar hübsche Sachen nähen und stricken.«
»Hm, darüber würde sich unsere Süße bestimmt sehr freuen. Wir könnten für ihre Puppe auch ein Himmelbettchen kaufen, damit der arme Wurm nicht jede Nacht fast erdrückt wird von seiner Puppenmutti.«
Nicole lächelte. »Ja, und Schlittschuhe wären auch nicht schlecht. Sina liegt mir schon einige Zeit in den Ohren, daß sie unbedingt mit mir in die Eishalle fahren möchte.«
Sie war froh, über etwas anderes nachdenken zu können als über den morgigen Tag. Würde sie dann endlich erfahren, wo ihr Kind war – würde es für sie eine Möglichkeit geben, den Kleinen endlich einmal zu sehen?
*
»Du siehst blaß um die Nase aus, Liebes.« Thomas nahm einen letzten Schluck aus seiner Kaffeetasse. Nicole hatte ihr Frühstück kaum angerührt; sie war so aufgeregt, daß sie befürchtete, ihr Mann könne das Zittern ihrer Hände bemerken.
»Ich weiß«, sagte sie und war froh, daß Sina ins Zimmer gehüpft kam; fertig angezogen