Mami Staffel 7 – Familienroman. Lisa Simon
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Es war zwei Wochen vor Weihnachten, und Nicole hatte nun kaum noch Zeit, täglich in die Nachbarstadt zu fahren, um wenigstens einen Blick auf Tim zu werfen. Sie half statt dessen Frau Wagner mit dem Weihnachtsputz und bereitete alles für die Ankunft der Schwiegereltern vor.
Obwohl ihr Herz vor Sehnsucht fast schrie, unterdrückte sie den Wunsch, sich nach dem Frühstück einfach ins Auto zu setzen und loszufahren. Es wäre aufgefallen, wenn sie mitten in den hektischen Weihnachtsvorbereitungen in aller Seelenruhe ihre Fitneß-Stunden eingehalten hätte.
Es war inzwischen kalt geworden, doch von Schnee war noch keine Spur zu sehen. Jeden Morgen machte Sina ein enttäuschtes Gesicht, wenn sie beim Blick aus dem Fenster nur unfreundliche Dunkelheit sah.
Nicole hatte die Geschenke für ihre Lieben schon gekauft und bereits verpackt. Sie hoffte, daß sich Thomas über die neue Armbanduhr und den beigefarbenen Kashmir-Pullover ebenso freuen würde wie Frau Wagner über das kostbare Parfüm eines bekannten Mode-Designers und die Schwiegereltern über das Ölgemälde, das einen idyllischen Pinienhain zeigte.
Liebevoll hatte Nicole die Geschenke verpackt und sich vorgestellt, wie Tim mit großen, staunenden Augen auf die Lichter des Weihnachtsbaumes blickte.
Dann kamen Thomas’ Eltern, und Nicole kam kaum zum Nachdenken. Nicht, daß die alten Benedikts anstrengend oder unbequem waren – im Gegenteil! Doch Nicole und Thomas unternahmen viel mit den Eltern, gingen zur Eisrevue, die am zweiten Weihnachtstag in der Stadt gastierte, und ins Theater. Die zwei Wochen verflogen im Nu.
Den Silvesterabend hatten sie zu Hause verbracht, damit Sina nicht allein bleiben mußte! Frau Wagner war zu ihrer Schwester gefahren, nachdem sie alles für den Abend vorbereitet hatte. Thomas hatte ein paar frühere Studienfreunde mit deren Frauen eingeladen, und es wurde ein gelungenes Fest.
In der Neujahrsnacht fiel dann zu Sinas großer Freude etwas Schnee, der jedoch nach zwei Tagen wieder geschmolzen war. Doch immerhin hatte er gereicht, um einen Schneemann zu bauen – allerdings einen sehr kleinen.
In der ersten Januarwoche flogen Thomas’ Eltern wieder ab, der Abschied war herzlich und wenig traurig, da man ja verabredet hatte, über Ostern wieder nach Mallorca zu kommen.
Nicole hatte am Heilig Abend, als alle schliefen, wieder an ihren kleinen Tim denken müssen. Jetzt, da er nicht mehr ein anonymes Baby war, war die Sehnsucht nach ihm fast unermeßlich.
Wenn sie sich doch Thomas anvertrauen könnte! Mit ihm darüber reden würde ihr vielleicht helfen, mit der aussichtslosen Lage fertig zu werden. Inzwischen war sich Nicole nämlich klargeworden, daß sie nicht zu den Kaisers gehen konnte, um zu verlangen, den Kleinen zurückzugeben. Diese Leute würden einen Skandal entfachen – und das konnte und wollte sie ihrem Mann nicht antun. Dies würde seiner Karriere als Anwalt schaden, wenn nicht sogar das berufliche Aus für ihn bedeuten.
Nicole liebte Thomas so sehr, daß sie ihm niemals weh tun würde. Vielleicht hatte der liebe Gott ein Einsehen und schickte ihr ein Wunder…
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Dann begann der Alltag im neuen Jahr. Gleich in der ersten Januarhälfte mußte Thomas für eine Woche zu einem Prozeß in einer anderen Stadt, und Nicole vermißte ihn sehr. Auch Sina fragte ständig nach ihrem Vater, und Nicole tröstete sie, so gut sie konnte.
Die Puppe Flo trug nun aus-schließlich »Nicole-Kleidung«, die diese an vielen Abenden in der Vorweihnachtszeit genäht, gestrickt und gehäkelt hatte. Flo sah nun nicht mehr ganz so verrupft aus, auch wenn sie weit davon entfernt war, eine Puppen-Schönheit zu sein.
Nicole saß alltags wieder fast täglich auf dem Tulpenweg in ihrem Auto, um den Hauseingang der Kaisers zu observieren, allerdings ohne Erfolg. Sie war froh, daß es nicht mitten im Sommer war, wo mehr Leben auf dieser Vorstadtstraße herrschen mußte – sonst wäre sie wohl längst aufgefallen. Wie es weitergehen sollte, wußte sie nicht. Das einzige, was ihr klargeworden war, daß es keine Möglichkeit gab, den Jungen zu sich zu nehmen – sie konnte nur vor dem Haus hocken und darauf hoffen, wenigstens einen Blick auf ihn werfen zu dürfen.
Gesundheitlich fühlte sich Nicole seit Weihnachten nicht sehr wohl, schob dies aber auf ihren inneren Kummer und das ewig düstere Wetter. Auf die Idee, daß mehr dahinterstecken könnte, kam sie nicht.
Eines Morgens, als Nicole angeblich wieder im Fitneßstudio – in Wahrheit aber im Tulpenweg – war, stieg eine unbekannte Übelkeit in ihr hoch. Schnell öffnete sie die Fahrertür und atmete in langen Zügen die feuchte, kalte Winterluft ein! Danach ging es ihr etwas besser.
Schon wollte sie den Wagen starten, da es Zeit war, nach Hause zu fahren – da fuhr direkt an ihr die schon bekannte Limousine vorbei.
Nicole duckte sich hinter das Lenkrad und tat, als suche sie etwas. Der schwere Wagen bog in die Auffahrt des Hauses ein und hielt vor der Haustür. Nicole konnte einen schlanken, gut gekleideten Mann erkennen, der ausstieg, den Kofferraum öffnete, einige Gepäckstücke herausholte und auf dem Kiesweg abstellte.
Die Kaisers waren augenscheinlich im Urlaub gewesen, während Nicole Tag für Tag dagesessen und auf ein Lebenszeichen gewartet hatte! Doch wo war Tim?
Joachim Kaiser öffnete die hintere Tür des Wagens, bückte sich und hielt plötzlich den kleinen Jungen im Arm. Von Iris Kaiser war nichts zu sehen.
Nicole war so aufgeregt, daß sie die Frau zunächst gar nicht vermißte. Das Wichtige war, daß sie diesmal etwas länger ihren Sohn betrachten konnte, da Joachim Kaiser eine Weile in der Manteltasche nach dem Haustürschlüssel suchte, wäh-rend der Kleine munter auf seinem Arm zappelte und mit Kaisers Mantelkragen spielte.
Dann waren die beiden auch schon im Haus verschwunden; nur die Koffer und eine Reisetasche standen einsam auf dem Weg neben der Limousine.
Nicole wußte, daß sie an diesem Tag Tim nicht mehr zu sehen bekommen würde und machte sich auf den Heimweg. Das Bild von dem Kleinen hatte sie ständig vor Augen, als sie ihr Auto in ihre Heimatstadt zurücklenkte.
Was würde sie nicht alles dafür geben, den Jungen nur ein einziges Mal im Arm halten zu dürfen, ihn zu streicheln und zu liebkosen! Doch daran durfte sie nicht denken, sie konnte schon froh sein, daß sie Tim gesehen hatte.
Vergessen war die Übelkeit, Nicoles Gedanken kreisten um den süßen kleinen Wonneproppen auf Joachim Kaisers Arm. Doch wo war die Frau geblieben? Es war doch ungewöhnlich, daß Vater und Kind auf Reisen gehen, während die Mutter sich woanders aufhielt.
Dann kam Sina angestürmt, und Nicole hatte alle Mühe, ihrem fröhlichen Geplapper zu folgen…
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Die Tage und Wochen vergingen, und Nicole fühlte sich wieder ein wenig besser. Noch zweimal in dieser Zeit hatte sie einen Blick auf Tim werfen können; jedesmal in Begleitung von Iris Kaiser. Immer fuhr sie mit dem großen Wagen fort, niemals ging sie zu Fuß im Kinderwagen mit Tim spazieren. Der Junge sah Ni-
coles Meinung nach sehr blaß aus, schien aber ansonsten quietschfidel zu sein.
Dann bekam Sina die Windpocken, und Nicole mußte vorerst auf ihre vormittäglichen Ausflüge verzichten. Die Kleine war über und über mit roten juckenden Pustelchen übersät, hatte zwei Tage leichtes Fieber und war nun schon wieder auf dem Weg der Besserung.
»Hast du auch als Kind die Windpocken gehabt?«