Amerikanische Reise 1799-1804. Alexander von Humboldt

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Amerikanische Reise 1799-1804 - Alexander von Humboldt страница 10

Amerikanische Reise 1799-1804 - Alexander von  Humboldt Edition Erdmann

Скачать книгу

aufgenommen und bemerkt wären, wie sie die Geschichte des Menschengeschlechts fordert.« Um eine »schöne und unterrichtende physische Geographie der Erde« zu erhalten, müsste die Höhe der Berge bestimmt, »die Beschaffenheit des Bodens auf seiner Oberfläche, der Fall der Ströme, die Richtungen der Winde, die Abweichungen der Magnetnadel, die Grade der Hitze und Wärme« erforscht und in die Karten eingetragen werden.15 Forscher wie Ferber, Pallas, Saussure, Giraud-Soulavie u. a. seien schon an der Arbeit und »sammeln in einzelnen Erdstrecken zu der reichen Ernte von Aufschlüssen, die wahrscheinlich einst die peruanischen Gebirge (vielleicht die interessantesten Gegenden der Welt für die größere Naturgeschichte) zur Einheit und Gewißheit bringen werden«.16

      In seiner Jugend wurde Humboldt immer wieder auf Amerika hingewiesen. So hatte Campe ein Buch über die Entdeckung von Amerika verfasst (Hamburg 1781), und Ebeling hatte die Nordamerika-Darstellung in Büschings Neuer Erdbeschreibung vorbereitet, als Alexander bei ihm weilte. Zahlreiche Einflüsse trafen zusammen. Humboldts geographisches Wissen und sein Naturgefühl verbanden sich mit der ergebnisreichen Alpenforschung. Infolgedessen lockte ihn das Hochgebirgsrelief tropischer Länder ganz besonders. Die Sehnsucht des Europäers galt den Tropen, vor allem jenen Landschaften, in denen harmonisch-milde Naturverhältnisse glücklichen, friedlichen Menschen das Dasein erleichtern sollten. Das Verlangen nach einem Leben in der Einsamkeit war schon in Campes Robinson Crusoe, der auf einer Insel in der Orinocomündung lebte, zum Ausdruck gekommen. Das erwachende Naturgefühl der Aufklärung knüpfte an urtümliche Vorstellungen des Menschen an und ließ diese den Zeitgenossen in Werken Rousseaus, de Saint-Pierres, Hallers, MacPhersons und Goethes bewusst werden. Humboldt hatte den Werther schon früh gekannt, aber sein Naturgefühl wurde doch mehr von den Werken der französischen Schriftsteller beeinflusst, besonders von Bernardin de Saint-Pierres Paul et Virginie, einem Roman, der, wie die Südseeschilderungen Georg Forsters, in einer tropischen Landschaft, Isle de France17, spielte. Diesen Liebesroman las Humboldt wieder und wieder und führte ihn bei sich, so wie Napoleon den Werther mit nach Ägypten genommen hatte. Bei Humboldt vollzog sich der Übergang zu einer phantasiereicheren, lebendigeren Gefühlswelt z. B. im Freundschaftskult und – nicht zuletzt – in seinem Naturgefühl.

      3. SPEZIELLE UND ALLGEMEINE VORBEREITUNG IN JENA

       Zur Übung wird die Höhe jedes Hügels gemessen

      Alexander v. Humboldt hatte sich nach dem Tod der Mutter nicht lange in Berlin aufgehalten, sondern war bald nach Bayreuth zurückgekehrt, um seine Amtsgeschäfte abzuschließen. Vom 1. März 1797 an war er nach einigen vorangehenden Besuchen dauernd in Jena, wo er nun enger als zuvor mit Goethe, Schiller, Loder, Batsch, Scheerer, Göttling18, den Brüdern Keutsch, Fischer und der Familie seines Bruders verkehrte. Wie Wilhelm dachte auch Alexander damals wegen seiner Reisepläne nur an einen vorübergehenden Aufenthalt in Jena. Aber Caroline v. Humboldt litt noch an den Folgen der Geburt ihres dritten Kindes im Januar 179719, und ihr Mann und zwei der Kleinen waren fieberkrank. Dennoch war ihre Reiselust ungetrübt. Schiller konnte dies Goethe am 14. April 1797 mitteilen.20

      Alexander füllte die Zwangspause mit einer erstaunlichen Tätigkeit aus. Jeder Hügel wurde barometrisch vermessen und die Messtechnik verbessert. Zunächst hatte er hauptsächlich seine eigene Barometerkonstruktion anwenden wollen, dann aber gänzlich englischen, französischen und in Einzelfällen auch deutschen Instrumenten vertraut. Er war in Beobachtungswerkzeuge vernarrt und hatte z. B. aus Bayreuth einen »schönen Theodoliten mitgenommen« und dafür seinen »15zölligen schwerfälligen Sextanten von Wright« zurückgelassen, ein »Monstrum von einem Instrument«.21 Damit hatte er den Kammerassessor Prof. Dr. Julius Konrad Yelin in Ansbach so verärgert, dass dieser seine Verstimmung offen spüren ließ.

      Im nahen Gotha hatte 1788 Herzog Ernst II. nach Plänen Franz v. Zachs auf der westlichen Kuppe des Kleinen Seebergs die modernste Sternwarte Deutschlands einrichten und mit vorzüglichen Instrumenten aus England ausrüsten lassen. Zach stand im Briefwechsel mit vielen Astronomen Europas und Amerikas. In seiner Monatlichen Correspondenz zur Beförderung der Erd- und Himmelskunde (ab 1798) sowie in seinen Allgemeinen Geographischen Ephemeriden (ab 1798) wurden fortan die Ergebnisse der Forschungsreisen kritisch bewertet. 1798 bereits fand der erste internationale Astronomenkongress auf dem Seeberg statt. Sekretär war Blumenbachs und Zachs Schüler, J. C. Horner, der später an der russischen Weltumsegelung (1803–1806) teilnahm. Daraus erhellt bereits die enge Verbindung zwischen Göttingen und Gotha22 sowie der Einfluss Franz v. Zachs auf die Forschungsreisenden der Zeit23. Zach arbeitete gern mit dem Spiegelsextanten, den er in Deutschland einführte und »durch dessen Verbreitung auf dem Kontinent unser großer vaterländischer Astronom die Länderkunde so bewunderungswürdig vervollkommnet hat«.24 Er hatte die Lücke, die der Tod Tobias Mayers gerissen hatte, geschlossen und die Forschungsreisenden unermüdlich auf den Wert praktischer astronomischer Kenntnisse verwiesen, da diese den Wert ihrer Beobachtungen erst verbürgen konnten.

      In jenen Wochen hat Humboldt eng mit Zach zusammengearbeitet und sich auf dessen Wunsch mit dem Reflektionsinstrument beschäftigt, das er bald virtuos handhabte. Humboldt führte infolgedessen später nur dann, wenn der Tageshimmel bewölkt war, Sternbeobachtungen durch, oder wenn das Misstrauen einer fremden Bevölkerung ihn zwang, nachts zu arbeiten – sonst beobachtete er die Sonne, da diese sich im künstlichen Horizont des Spiegelsextanten viel schärfer als Sterne abbildete und der Limbus sich am Tage leichter als bei künstlichem Licht ablesen ließ.

      Den meisten Jenaer Gelehrten war Humboldt bei früheren Besuchen bereits flüchtig begegnet. Nun erschloss sich ihm auch die Stadt mit ihrer Umwelt. Der Freundschaft des kunstsinnigen und anregenden Prof. Batsch verdankte er »einen vortreflichen Unterricht über den Körperbau der Schaalthiere«25, später auch die Bekanntschaft mit dem jungen Johann Wilhelm Ritter, »der sich unermüdlich mit galvanischen Experimenten beschäftigt und gründliche chemische Kenntnisse mit ächtem Beobachtungsgenie« verband.26 Batsch war ein vorzüglicher Zeichner und besaß in Chemie, Botanik und Mineralogie gute Kenntnisse. Auch Goethe rühmte seine »zarte Bestimmtheit und ruhigen Eifer« am Anfang seiner Morphologie, und viele – wahrscheinlich auch Humboldt – verdankten ihm die Einführung in die Landschaft Jenas. Die vielen Ausflüge und Untersuchungen führten Batsch später zu seinem Taschenbuch für topographische Excursionen in die umliegende Gegend von Jena (Jena 1800), einer »geognostisch-botanischen Specialgeographie«27, wie sie damals ihresgleichen suchte.

      Humboldt verkehrte auch mit Angehörigen der von Linné »in den botanischen Adelsstand« erhobenen Bauernfamilie Dietrich in Ziegenhain28. Der Stammvater dieser »eigenartigen Familie« war Adam Dietrich29, der mit dem berühmten schwedischen Botaniker korrespondiert hatte. Die Dietrichs lieferten interessierten Professoren und Studenten Jenas Sammlungen der jeweils blühenden Pflanzen. Friedrich Gottlieb, der Enkel Adams, hatte Goethe in die Flora Jenas eingeführt. Der Dichter nahm ihn auf seine Badereisen nach Karlsbad mit und ließ sich dort Pflanzen von ihm wissenschaftlich erklären. Er ermöglichte ihm schließlich auch das Studium.30 Ebenso begegnete Humboldt dem Pfarrer Christian Ludwig Brehm, dem Vater Alfreds, des Verfassers des bekannten Tierleben31. Neben seinem Beruf als Seelsorger trieb er zoologische, vor allem vogelkundliche Studien und legte eine große Vogelsammlung an.32 Er war in Thüringen ebenso bekannt wie der Schuster und Vogelfänger Thiem in Waltershausen, den Alexander ebenfalls kennenlernte.33

      Das Bewunderungswürdige an diesen Männern schien ihm ihr Bildungstrieb, der sich von keiner Not brechen ließ. War es nicht erstaunlich, dass Friedrich Gottlieb Dietrich die lateinischen Namen der Pflanzen genau kannte, Goethe und manchen Botaniker belehren konnte, ohne je studiert zu haben?

      Der Balte Justus Christian Loder galt damals als einer der besten Anatomen. Humboldt hatte ihn bereits 1794 kennengelernt und kam ihm jetzt von allen Professoren am nächsten. Die Vollendung des Werks über die gereizte

Скачать книгу