Amerikanische Reise 1799-1804. Alexander von Humboldt
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Den jungen Josef van der Schot, der den Universitätsgarten am Rennweg von 1794–1802 beaufsichtigte, zählte er zu seinen intimsten Freunden überhaupt. Durch den Briefwechsel mit ihm wissen wir, dass er Franz Boos sehr verehrte. Van der Schot aber war der Sohn des gleichnamigen Reisebegleiters des älteren Jacquin.89 Während Humboldt sich in Wien aufhielt, beauftragte ihn der Kaiser mit einer Reise nach Brasilien.90 Alexander schrieb darüber an Freiesleben: »Ich habe (ein Geheimniß) hier die Hoffnung, fast Zusicherung, einen herrlichen Reisegefährten zu erhalten, den jungen van der Schot, einen herrlichen jungen Mann von großer botanischer Gelehrsamkeit und edlem Charakter. Er ist botanischer Gärtner hier, der Kaiser wird ihn reisen lassen, und ich schließe mich an diese Expedition an. Preise mich deshalb glücklich … Das Rindvieh [hiesiger Mineralogen] habe ich wenig gesehen, da ich meist in Schönbrunn und mit van der Schot lebte, um mich auf meine Reise zu präpariren.«91 Als sich dieser Plan infolge der Napoleonischen Kriege zerschlug, wollte sich van der Schot seinerseits der Reise Humboldts anschließen. Insofern hat KRONFELD recht, dass Österreich um einen Bonpland gekommen ist.92
Die spezielle botanische und länderkundliche Vorbereitung Alexanders in Richtung auf Westindien wurde in Wien vollendet.93 Jacquin hatte als hervorragender Beobachter nicht etwa nur botanisch-systematisch gearbeitet, sondern wertvolle Erkenntnisse z. B. über die Mangrovenvegetation mit zurückgebracht. Dazu war er ein geschulter Zeichner; denn er gehörte zu den Schülern der k. k. Zeichenakademie in Wien. Die Wiener Gelehrten hatten mit als erste überhaupt die Frage der Pflanzenerhaltung auf Expeditionen durchdacht. Verluste ließen sich aber nicht gänzlich vermeiden. Man musste Zeichner sein. So sind die Illustrationen der großen Prachtwerke Jacquins entstanden, und Hunderte von Zeichnungen94, die Humboldt noch vorgelegen haben.
Hier öffnet sich auch der Blick für die wichtige Frage nach den Beziehungen Humboldts zu Thaddäus Haenke (vgl. unten S. 258 ff.). Nikolaus Jacquin war neben Ignaz v. Born der wichtigste Lehrer von Thaddäus Haenke, d. h. eines der bedeutendsten Reisenden auf der Schwelle vom 18. zum 19. Jahrhundert.95 Humboldt kannte Malaspinas Expedition und erhielt nun wichtige Mitteilungen über Haenkes Teilnahme und Ergebnisse, die er später noch ergänzen konnte. Jedenfalls wusste Humboldt vor Antritt seiner Reise sehr viel von Haenke, vor allem auch, dass er noch in Südamerika weilte.96 J. H. Zöllner hatte erstmals auf ihn hingewiesen.
Wenn Alexander später von Josef van der Schot sprach, hob er gern seine enge Freundschaft zu ihm hervor und nannte ihn den »jungen brasilianischen Reisenden«.97 Aus seinen Mitteilungen soll sich nach der Übersetzung Hauffs ergeben, Baudin habe seinen »Freund, den jungen Botaniker van der Schot, nach Brasilien gebracht …«98 In Wirklichkeit hat Humboldt in seiner Relation historique geschrieben: »Ich hatte wenig Zutrauen zu dem persönlichen Charakter des Kapitäns Baudin, der dem Wiener Hof Ursache zur Unzufriedenheit gegeben hatte, als er beauftragt war, einen meiner Freunde, den jungen Botaniker van der Schot, nach Brasilien zu führen«99 – mehr lässt sich darüber nicht in Erfahrung bringen. Aus dieser Formulierung lässt sich ein Brasilien-Aufenthalt des Wiener Botanikers nicht ohne Weiteres ableiten.100 Van der Schots Berichte über Baudin waren gewiss eindeutig, und Franz Boos’ Erzählungen dürften dieses recht eigenartige Charakterbild noch abgerundet haben: 1785–1788 hatten Boos und Scholl im Auftrag des Kaisers mit großem Erfolg im südlichen Afrika, auf Inseln der Maskarenengruppe und auf Madagaskar gearbeitet. Boos hatte 1788 heimkehren können. Scholl hatte zurückbleiben müssen, da sich nicht alle Schätze auf Baudins Schiff unterbringen ließen, das sie in Triest entladen sollte.101 Am 28. Juni 1794 hatte Scholl das falsche Spiel Baudins enthüllt, der anstatt »Curiosités naturelles vor seine kayserliche Majestät in Indien« zu sammeln, Sklavenfracht an Bord genommen hatte. Er ließ sogar seine Fregatte auf Sand laufen, um seine »Ware« schneller absetzen zu können. Baudin betrog damit den Kaiser um eine beträchtliche Summe Geldes und Scholl um die Hoffnung baldiger Heimkehr.102 Erst 1799 konnte dieser auf einem englischen Schiff zurückfahren und sich in Wien melden, nachdem man ihm vorher noch in London einen Teil seiner Schätze widerrechtlich abgenommen hatte.103 Einen ebenso bedenklichen Streich leistete sich Baudin 1796, als er aus Westindien zurückkam und die Sammlungen, die rechtmäßig Österreich gehörten, dem französischen Direktorium anbot, das ihn dafür zum Kapitän ernannte und schließlich mit einer großen Expedition betraute, die auch für Humboldt wichtig werden sollte.104
8. WISSENSCHAFTLICHE ARBEITEN IN SALZBURG
Humboldt wachsen tausend Hände
Humboldt hatte während seines dreimonatigen Aufenthalts in Wien sehr oft allein in seinem Zimmer gearbeitet und sich deshalb einsam gefühlt. Der zweite Band seines Werks über die gereizte Muskel- und Nervenfaser sollte endlich abgeschlossen werden. Sämtliche Experimente, die sein Tagebuch, eine Art Beobachtungsjournal, aufführte, ließen sich in ihrer Überfülle nicht verwerten. Er musste auswählen. Gespräche und Besuche in Wien halfen ihm dabei. So hat er z. B. mit dem älteren Jacquin und dem Metallurgen v. Tiharsky aufschlussreiche eudiometrische Versuche angestellt. Zudem war der jüngere Jacquin hochverdient um die Einführung der antiphlogistischen Chemie in Wien und hatte in Humboldt einen Partner gefunden, der ähnliche wissenschaftliche Methoden vertrat.
Alexander v. Humboldt zur Zeit seiner sechsjährigen Reisevorbereitungen auf die Tropen in der Neuen Welt (Federzeichnung von Friederike Beck)
Die literarischen Arbeiten vermehrten sich noch, als Freiesleben das Manuskript des Werks Ueber die unterirdischen Gasarten … nach Wien sandte. Er hatte aus dem »Paquet einzelner Zettel und Notizen … ein Gerüst zusammengestellt« und den Stoff so fleißig bearbeitet105, dass Alexander sein Werk »kaum darin wiedererkennen« konnte. »Du hast Dir mehr, mehr Mühe damit gegeben, als die Sache verdient, nicht bloß Materialien geordnet, sondern viele neue dazugeschafft … Es wird mir nun ein Leichtes sein, ein Buch daraus zu machen …« konnte er Freiesleben mitteilen.106 Er selbst hat das Manuskript dann noch durchgefeilt, die Herausgabe aber musste er seinem Bruder Wilhelm überlassen.
Die Reisepläne forderten Humboldts ganze Kraft. Im Augenblick sah es allerdings aus, als sollten sie sich nie erfüllen. Die Familie des Bruders und Haeftens sorgten sich, ob man mit den Kindern bei den unsicheren Zuständen nach Ober- und Mittelitalien gehen könne. So reiste der ältere Humboldt mit seiner Familie, mit Wilhelm v. Burgsdorff und dem Bildhauer Friedrich Tieck am 11. Oktober 1797 von Wien ab und fuhr über München, Schaffhausen, Zürich und Basel nach Paris.107 Alexander hielt dagegen noch an seiner Italienreise fest und wollte zunächst mit den Haeftens in der Schweiz die Beruhigung der politischen Lage abwarten. Er dachte, dort seine Vorbereitungen weiter zu betreiben, und liebäugelte vor allem mit einem erneuten Besuch Genfs.
Die Ankunft Leopold v. Buchs in Wien wies einen anderen Weg. Dieser hatte bereits geschrieben, er wolle sich in Italien »häuten und … in Äther kleiden«. »Ich habe mich herzlich über ihn gefreut«, meinte Alexander. »Es ist ein trefflicher, genievoller Mensch, der viel und richtig beobachtet – aber das ganze Wesen – wie aus dem Monde. Mich deucht, das Alleinsein auf der Reise hat ihm schon wieder geschadet. Ich habe