Amerikanische Reise 1799-1804. Alexander von Humboldt

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Amerikanische Reise 1799-1804 - Alexander von  Humboldt Edition Erdmann

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sprach. Der Vulkanismusstreit konnte durch Beobachtungen in anderen Ländern vielleicht entschieden werden, und es spricht für Humboldt, dass er seiner Reise möglichst viel zumutete und auch an die Lösung dieser Frage dachte, der er schon am Vesuv, am Stromboli und Ätna nachgehen wollte.70

      Von Freiberg reiste Humboldt nach Marienberg weiter, um dort Freiesleben zu treffen. Er übergab ihm, der nun als Bergassessor Dienst tat, die Materialien seines späteren Werks Ueber die unterirdischen Gasarten … zur Bearbeitung71, da er selbst dazu zeitlich nicht in der Lage war. Er hatte nur den Plan des Ganzen bestimmen und die unterirdische Meteorologie selbst bearbeiten können.72 Darin zeigt sich sein Wille, jetzt vor allem an die westindische Reise zu denken und die literarischen Arbeiten möglichst abzuschließen. Darum ließ er auch einen Kasten mit Manuskripten als »Catalecta phytologica« und über »Physik der Welt« [= Erde] bei Körner zurück. Es waren Vorarbeiten zu seiner Geschichte der Pflanzen und die ersten Ausführungen seiner »idée d’une physique du monde«, erste Schritte auf dem Wege zur Physikalischen Geographie.73 So konnte er sich neben den Reisevorbereitungen vor allem auf den Abschluss der umfangreichen »Versuche über die gereizte Muskel- und Nervenfaser« konzentrieren. Humboldt war sehr tätig, ohne den geselligen Verkehr am Hof und bei Körner zu vernachlässigen. In Dresden wurde die Erbschaft von Kunth geteilt. Alexander erhielt etwa 90 000 Taler und war damit im heutigen Sinne Millionär.74

      Da Caroline v. Humboldt wieder erkrankt war, verzögerte sich der Aufbruch. Alexander war ungeduldig geworden, die Italienfahrt sollte als Vorspiel einer großen Reise verwirklicht werden, aber er wusste noch nicht wann und wie. Die Napoleonischen Kriege ließen Schlimmes befürchten. So brach Alexander am 25. Juli 1797 von Dresden über Teplitz und Prag nach Wien auf und eilte der Familie seines Bruders voraus, mit Beobachtungen, in Prag auch mit Messungen beschäftigt.

      6. AUFENTHALT IN WIEN 1797

       Prof. Barth, »das genialischste Wesen in ganz Wien«

      In Wien öffnete sich ihm schon zum zweiten Mal der städtische Mittelpunkt Deutschlands. Hier hatte eine Atmosphäre des Ausgleichs Gelehrte verschiedenster Nationalität vereinigt. Humboldt kannte ihre Werke und gewann jetzt ihre Freundschaft. Schon 1792 hatte er in Wien »weit mehr Gutmüthigkeit und ächte Humanität als in Berlin« gefunden und damit selbst die wahren Gründe bezeichnet75, die ihn die deutsche Weltstadt der Zeit verehren ließen.

      Besuche bei Gelehrten, Experimente und schriftstellerische Arbeiten ließen Alexander kaum Zeit, sich den Haeftens zu widmen, die mit ihren beiden Kindern mehr für sich lebten. Haeften muss damals gefühlt haben, dass er dem Freund unter Umständen sogar lästig fallen konnte.76 Dieser verkehrte mit dem berühmten Mediziner und Naturwissenschaftler, dem »Malteser« Prof. Joseph Barth77, mit dem Arzt und Botaniker Nikolaus Thomas Host, mit dem Arzt und Chemiker Johann Baptist Andreas Ritter v. Scherer, dem Mediziner Johann Peter Frank, den beiden Jacquin, Franz Boos, dem jungen Josef van der Schot und vielen anderen.

      In Barth verehrte Humboldt »das genialischste Wesen in ganz Wien«.78 Sein Erfindungsreichtum, seine kauzige Art, seine Opferwilligkeit, sein Kunstverstand, seine anatomischen Kenntnisse hatten eine schwer zu beschreibende Harmonie erreicht und bestimmten den Charakter seiner Genialität. Barth war in Malta geboren worden, begann dort auch seine anatomischen Studien, die er später in Rom fortsetzte. Mit dem Kommandeur des Malteserordens kam er nach Wien, wurde dort einer der berühmtesten Augenärzte seiner Zeit und behandelte auch Kaiser Joseph II. erfolgreich. Den Bau des ersten anatomischen Theaters in Wien unterstützte er durch das Opfer seiner Bibliothek. Arme behandelte er kostenlos. In seiner Wohnung befanden sich kostbare antike Kunstschätze, Götterbilder, auch der berühmte Torso Ilioneus, den er dereinst in Prag, wo er auf einer Kegelbahn zum Schutz des Kegeljungen diente, für eine geringe Summe erwarb und dann 1815 für 6 000 Dukaten an den Kronprinzen Ludwig von Bayern verkaufte. Kein Wunder, dass Alexander sich oft mit ihm besprach und seine erstaunliche Kollektion von Zeichnungen der mikroskopischen Angiologie, »welche alles übertreffen, was ich je in diesem Fache gesehen«79, bewunderte oder seine hervorragende Sammlung mikroskopischer Präparate, von denen er nicht eins herausgab. Das alles hatte Barth, genial und lässig, in einem Raum untergebracht, aber doch so, wie auch Alexander zugeben musste, dass nichts verderben konnte. Sein Reichtum gestattete ihm, seine Schätze zu hüten und zu mehren, ohne dass er an ihre Verwertung zu denken brauchte. Alexander hätte gern die Veröffentlichung der vielen Zeichnungen gesehen, es war vergeblich. Barth war berühmt und bedurfte weiteren Ruhmes nicht. Er lief meist halbnackt herum und konstruierte gerade einen Hut, der sich durch das Ziehen einer Schnur in einen Regenschirm von drei Fuß Durchmesser verwandeln sollte. »Alles, was an ihm und um ihn ist, hat das sonderbare Gepräge seiner Empfindsamkeit. So trägt er eine Weste mit Aermeln, die sich in Beinkleider und Strümpfe verlängert. Er steckt darin wie in einem Futteral. Er ißt nur einmal des Tages und zwar nachts um 10 Uhr, um sich nicht (wie er sagt) mit dem Essen im Leibe herumzutragen, was sehr ermüdend und lästig sei.« Die neue antiphlogistische Chemie und die letzten Fortschritte der Physiologie kannte in Wien niemand so wie Barth, der damals meist mit Humboldts engem Freund, dem Universitätsgärtner Josef van der Schot, verkehrte.

      Johann Peter Frank, einer der bekanntesten Mediziner seiner Zeit, behandelte auch Caroline v. Humboldt während ihres Aufenthaltes in Wien, und Alexander bekannte, dass er dessen »Klinikum mehrere Wochen lang besucht, bloß um den alten Frank näher kennen zu lernen.«80 Er gestand, selten habe ein Mann solchen Eindruck auf ihn gemacht. »Welche Klarheit der Ideen, Besonnenheit und Gründlichkeit bei dem sichtbarsten Aufblitzen des Genies!« Frank war 1784 Baldingers Nachfolger in Göttingen geworden, und wenn es ihm damals möglich gewesen wäre, die Klinik nach seinem Wunsche einzurichten, hätte Alexander ihn wahrscheinlich schon an der Georgia Augusta kennengelernt. So war er auf Drängen Voltas und Scarpas von Kaunitz nach Pavia berufen worden, zehn Jahre später, 1795, war er erst nach Wien gekommen. Humboldt konnte ihn immer nur kurz sehen oder sprechen, da er nach einem genauen Zeitplan lebte.

      7. SCHÖNBRUNN UND DIE ÖSTERREICHISCHEN

      FORSCHUNGSREISENDEN

       Österreich kommt um einen Bonpland

      Alexander beschäftigte sich indessen mit seinem Manuskript über die gereizte Muskel- und Nervenfaser und bereitete sich weiter auf die Reise nach Westindien vor. Mehrere Tatsachen wirkten zusammen, um ihn in diesem Reiseziel zu bestärken:

      Böhtlingk, der Freund aus Hamburg, sei nach Wien gekommen, schrieb er Freiesleben, und sei noch fest gesonnen, mit ihm »nach Westindien« zu gehen. »Wir denken, über Spanien und Teneriffa die Reise anzutreten. Er hat 40 000 Rubel Einkünfte.«81 Sodann konnten der ältere Jacquin und Franz Boos Humboldt nun persönlich von Westindien erzählen. In den gepflegten und modern angelegten Gewächshäusern Schönbrunns sah Alexander eine ungeahnt große Zahl westindischer Pflanzen82, die seine Phantasie wieder in die schon längst gewählte Richtung lenkten. Die Verdienste der österreichischen Forscher ließen sich jetzt an der Quelle feststellen und vermittelten Humboldt das Verständnis für eine der größten Unternehmungen der Geschichte der Reisen.83

      Der Garten von Schönbrunn war 1753 auf Anregung Gerhard van Swietens, des wissenschaftlich sehr einflussreichen Leibarztes der Kaiserin Maria-Theresia, von dem holländischen Hortologen Adrian van Stekhoven eingerichtet worden.84 Die Regenten bekundeten stets Interesse und Opferwillen, wenn es um den Ausbau Schönbrunns ging. Die Vervollständigung des Gartens war daher zwischen 1756 und 1822 Anlass zu neun österreichischen Expeditionen85, die Pflanzen sammelten und andere wissenschaftliche Aufgaben durchführten.

      Westindien, die Inselwelt der Großen und Kleinen Antillen sowie die an das Karibische Meer grenzenden Länder waren nach den

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