Die großen Literaten der Welt. Katharina Maier

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Die großen Literaten der Welt - Katharina  Maier marixwissen

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Reise nach Westen erzählt die fantastischen Abenteuer einer Pilgergruppe, die unterwegs nach Indien ist (also westwärts wandert), um die heiligen Schriften des Buddhismus zu finden und nach China zu bringen. Solche Unterfangen sind belegt, und Wu Cheng’en fand den Stoff für seinen Roman sowohl in historischen Chroniken als auch in zahlreichen Legenden. Hauptinspirationsquelle waren die Berichte und Geschichten um die Pilgerfahrt des Mönchs Xuanzang (602–664) bzw. Tripitaka, der das Vorbild für Wu Cheng’ens Hauptfigur bildet. Die Figur des eher passiven Pilgers wird jedoch schnell überschattet von dem zweiten Protagonisten des Romans, dem Affenkönig Sun Wukong. Diese Gestalt, die in früheren Legenden lediglich die Funktion einer niederen Helferfigur für Xuanzang/Tripitaka übernimmt, wird bei Wu Cheng’en schnell zum Zentrum des Romans – und zu einer der faszinierendsten Schöpfungen der Weltliteratur. Wu Cheng’ens Affenkönig, der seinen Ursprung vermutlich im indischen Rāmāyana-Epos1 hat, ist eine himmlische Gestalt, die von Buddha wegen begangenen Unrechts auf die Erde verbannt wurde, wo Sun Wukong nun nach Wiedergutmachung strebt. Die 100 Kapitel2 der Reise nach Westen erzählen die 81 fantastischen Bewährungsproben Sun Wukongs im Kampf mit Dämonen und Gespenstern – und letzten Endes mit dem eigenen Selbst. Denn, so Clemens Treter, der Affenkönig kann traditionellerweise als Symbol des menschlichen Geistes gedeutet werden, und die Suche nach den heiligen Texten als Reise in das Selbst3. So wird die fantastische Reise nach Westen zu einer vielschichtigen philosophischen, theologischen und nicht zuletzt protopsychologischen Allegorie, während die in ironischem Stil wiedergegebenen Abenteuer des Mönchs, des Affen, des Schweins, des weißen Pferdes und des Pferdeführers in ihrem Kampf gegen die Dämonen zugleich einen der großen komischen Romane der Weltliteratur konstituieren.

       Wichtige Werke:

      Xiyou ji (Reise nach Westen, 1592)

      1 Die drei weiteren ›außergewöhnlichen Bücher‹ sind Sanguozhi yanyi, Shuihu zhuan und Jing Ping Mei.

      1 Wie der westliche Roman auch originiert der klassische chinesische Roman zu einem Großteil in einem sprunghaften Anwachsen des Lesepublikums, ausgelöst durch die Verbesserung und Ausweitung des Bildungssystems in der mittleren und späten Ming-Zeit, die ein Bedürfnis für mehr und abwechslungsreicheres Lesematerial entstehen ließ. Gleichzeitig (was sich wechselseitig bedingte) dehnten sich Buchdruck und Buchhandel aus. (vergl. Helwig Schmidt-Glintzer. Geschichte der Chinesischen Literatur. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft 1990. S. 426f.).

      2 Trotz aller Ähnlichkeiten in der Entstehung des westlichen und des chinesischen Romans dürfen westliche Gattungsbezeichnung nur mit Vorsicht auf letzteren angewandt werden.

      1 Das Rāmāyana (Epos von Rāmās Lebenslauf), eines der indischen Nationalepen, erzählt die Geschichte der siebten Inkarnation des Vishnu in der Gestalt von Rāmā; in der Geschichte übernimmt der Affenkönig Sugriva eine entscheidende Rolle. Diese mögliche Inspiration für Wu Cheng’ens Sun Wukong ist ein weiterer Beweis für die große Gelehrsamkeit des Literaturbeamten und seine Fähigkeit, unterschiedliche Traditionen zu einem einheitlichen, harmonischen Ganzen zusammenzufügen.

      2 Die heute bekannte Version der Reise nach Westen mit ihren 100 Kapiteln ist wohl das Ergebnis einer Bearbeitung von Wu Cheng’ens Werk aus dem 17. Jahrhundert (vergl. Helwig Schmidt-Glintzer, S. 434).

      3 Clemens Treter. »Die Literatur der Ming- und Qing-Zeit«. in: Reinhard Emmerich (Hg.): Chinesische Literaturgeschichte. Stuttgart/Weimar: Metzler 2004. S. 225–87. hier: S. 244.

      MATSUO (MUNEFUSA) BASHŌ

      (1644–1694)

       Bananenstauden – Die Entdeckung des Kleinen im haiku

       Matsuo Bashō kann ohne Übertreibung der größte Lyriker des neuzeitlichen Japans genannt werden. Als Begründer der Gattung des haiku, des epigrammatischen Siebzehn-Silben-Gedichts, kann sein Einfluss auf die Weltliteratur kaum zu hoch eingeschätzt werden.

      Das vielleicht berühmteste haiku Matsuo Bashōs ist das sogenannte Froschgedicht, das in zahlreichen Sprachen nachgedichtet und auch parodiert worden ist:

       Alter Teich –

       Ein Frosch springt hinein

      Das Geräusch des Wassers.

      Das japanische haiku1 ist eine Gedichtform, die in drei Versen zu (in der Originalsprache) 5–7–5 Silben den Blick auf das Kleine lenkt, auf das momentane Detail. Genau in dieser einfachen Ausschnitthaftigkeit will das haiku die Seele schulen in der erahnenden Erkenntnis des Ganzen. – Auf diese Formel kann nicht nur die Gattung des haiku und die Poesie ihres Begründers gebracht werden, sondern auch das Leben Matsuo Munefusas, der den Künstlernamen Bashö, d. i. ›Bananenstaude‹, trug. Das etwas eigenartig anmutende Pseudonym verdankte der japanische Lyriker seiner bashō-an, seiner Klause aus Bananenstauden im Fukagawa-Viertel in Edo (Tōkyō), in die er sich von 1681 an zurückzog, wenn er Ruhe und Frieden suchte. Bis zu diesem Zeitpunkt trug Matsuo Munefusa vielerlei Dichternamen, vermutlich, um sich von der Samurai-Familie, der er entstammte, abzugrenzen; schlieōlich hatte sich Bashö entschlossen, dem Leben des niederen Adels den Rücken zu kehren und statt dessen ein Dasein als wandernder Wahrheitssucher in genügsamer Einfachheit zu führen. Somit sind Leben und Werk des großen Lyrikers aufs Engste miteinander verflochten.

      Bashō begann seine Wahrheitssuche mit einem Studium in Kyōtō, wo er von 1666 an bei angesehenen Meistern studierte, in erster Linie haikai und waka (die traditionellen japanischen Gedichtformen), die klassische chinesische Literatur1 und Kalligraphie. 1672 kam Bashōs erste Verssammlung Kai ōi (›Muschelwettstreit‹) heraus und im gleichen Jahr übersiedelte der Dichter nach Edo, wo er in dem Fischhändler Sugiyama Sampū einen Gönner fand. Bald etablierte sich Bashō als haikai-Meister und Lehrer und konnte ein voll und ganz der Poesie gewidmetes Leben unter Gleichgesinnten führen. Dichtung war für den großen Japaner ein Lebensstil und ein Weg zur Erlangung von Erleuchtung, den er kado nannte (d. i. ›der Weg der Dichtung‹). Edo und die bashō-an wurden zur Heimstatt des Wahrheitssuchers, doch er bereiste ganz Japan, um seine Studien der taoistischen und der Zen-Philosophie zu vertiefen (etwa verbrachte er längere Zeit in einem Zen-Kloster). Bashō reiste aber auch, um im Sinne des Zen durch persönliches, direktes Erleben der Erkenntnis nahe zu kommen; denn, so der haiku-Meister, der Dichter müsse das »was Kiefer ist, von der Kiefer lernen« und nicht den Fußstapfen der Altvorderen folgen, sondern sich aufmachen und das suchen, wonach auch jene auf der Suche waren. Im letzten Jahrzehnt seines Lebens unternahm Bashō, begleitet von seinen Schülern, fünf große Reisen durch Japan, aus denen seine beispiellosen haibun (Reisetagebücher) hervorgingen. In diesen Aufzeichnungen, von denen Auf schmalen Pfaden durchs Hinterland (Oku no hosomichi, 1689) das bedeutendste ist, hielt Bashō Begegnungen, Reflexionen und Eindrücke fest – in ausdrucksstarker Prosa, aber noch eindrucksvoller in dichten haikus, die bis heute zu den besten in japanischer Sprache gerechnet werden und lange Zeit als ideale Muster hochgehalten wurden. Bis zuletzt ließ sich Matsuo Bashō das für ihn so wichtige Reisen nicht nehmen; er starb auf seiner letzten Wanderschaft im Jahr 1964, die ihn bis nach Nagasaki führen sollte.

      Nicht nur auf Reisen, sondern auch auf organisierten Dichtertreffen umgab sich Bashō mit Schülern und Freunden, mit denen zusammen er Kettengedichte (renga) verfasste und diese dann in Gedichtsammlungen herausgab. Die bekannteste dieser Anthologien ist

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