Die großen Literaten der Welt. Katharina Maier
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Es stirbt der Durst, wenn du ihn stillst im Weine;
und Liebe, die gesättigt wird, ist keine.
Wenn du erfliegen dürftest deine Sonne,
wie sonntest du dich dann in ihrem Scheine?
Hāfez nutzt die erotischen, ja, bacchantischen Metaphern des Ghasels, um aus seinen Lobgedichten, in denen der Gelobte so zum Geliebten wird, Texte von universaler Gültigkeit und zeitloser Schönheit zu machen. Er schöpft den Bilderreichtum des Farsi (Neupersisch) – der hohen Literatursprache, die zu Hāfez’ Zeit und durch ihn zu ihrem Höhepunkt fand – und all seine vielfältigen sprachlichen Möglichkeiten1 voll aus, ja, bereicherte diese Sprache durch seine Poesie, die seit Jahrhunderten kulturelles Allgemeingut ist, noch weiter. Die Freiheit des Liebeswie des Weinrausches, die so viele von Hāfez’ Versen inhaltlich dominiert, prägt auch die Form seiner Gedichte und schlägt sich in gewagten Wortkunststücken, unorthodoxen Kombinationen poetischer Bilder, geistreichem Sprachwitz, spielerischen Zitaten aus der traditionsreichen persischen Dichtung und der antithetischen Struktur seiner Dichtung nieder. Die resultierende Vielschichtigkeit seiner Texte hat zu einigen Kontroversen bezüglich der Interpretation dieser einmaligen lyrischen Schöpfungen geführt. Besonderes Augenmerk liegt dabei auf der Frage, ob seine sinnlichen Gedichte, die nicht selten den Geliebten und Gott gleichsetzen, mystizistisch zu deuten sind, als eine Poetisierung der sufischen Sehnsucht nach der Auflösung im Göttlichen. Während manche Forscher der Meinung sind, Hāfez’ Gedichte könnten ohne Berücksichtigung sufischen (d. i. islamisch-mystischen) Gedankenguts nicht voll verstanden werden – der Dichter war vermutlich Mitglied eines Sufi-Ordens –, verweisen andere auf die deutliche Kritik, der der Sufismus in Hāfez’ Versen nicht selten unterzogen wird, und sehen in der Gleichsetzung des Geliebten mit Gott vielmehr eine poetische Überhöhung menschlicher Liebe. Letzten Endes jedoch werden derartige Einengungen – egal, in welche Richtung sie erfolgen – der Vielschichtigkeit Hāfez’ und der so charakteristischen steten Schwebe, in der er seine Gedichte belässt, nicht gerecht. Diese Ambivalenz schließt die geschlechtliche Unbestimmtheit der/des Geliebten ein (das Persische hat nur ein unbestimmtes Pronomen für die dritte Person Singular), die aber durchaus auch ins Homoerotische umschlagen kann. Auch Gottes- und Menschenliebe erfährt keine Unterscheidung bei dem großen Perser; während die eine versinnlicht und erotisiert wird, wird die andere vergeistigt überhöht. Für Hāfez, der im Iran die ›Zunge der unsichtbaren Welt‹ genannt wird, ist letzten Endes alles Eins: Menschliches und Göttliches, Todesnähe und Lebensgenuss, Trunkenheit und Erleuchtung, Leben und Kunst.
Wichtige Werke:
Diwān-e Hāfez (Diwan des Hāfez, um 1390)
1 Persisch für ›Schreibzimmer, Sammlung beschriebenen Papiers‹; Bezeichnung für Gedichtsammlung oder auch das lyrische Gesamtwerk eines Dichters in alphabetischer Ordnung
2 Die Gedichte von Hāfez inspirierten Goethe zu seinem West-Östlichen Divan (1819/27), den der deutsche Dichterfürst sozusagen als Huldigung an den persischen verstand.
1 Die Mosaffariden-Dynastie war von häufigen, oft gewaltsamen Herrscherwechseln gezeichnet und von den Einfällen der Mongolen, die zwar Schiras selbst nicht erreichten, aber den Rest des Landes in Kriegswirren stürzten. Hāfez selbst begegnete 1387 während einer zeitweiligen Besetzung von Schiras durch die Tartaren dem ›Welteroberer‹ Tamerlan – eine Begegnung, die legendär geworden ist.
2 Hāfez wurde etwa vom Brahmaniden Mahmūd Shāh nach Indien eingeladen. Ein Sturm am Persischen Golf zwang den Dichter jedoch zur Rückkehr und setzte so dem einzigen Versuch Hāfez’, das geliebte Schiras zu verlassen, ein frühzeitiges Ende – was der Legendenbildung um die enge, ›schicksalhafte‹ Bindung des Dichters an seine vielbesungene Heimatstadt Vorschub leistete.
1 Etwa nutzt Hāfez die unzähligen Doppelbedeutungen, die viele Worte in Farsi tragen, für seine gewagten Sprachspiele aufs Vollste aus.
YUN SEONDO
(1587-1671)
Der Alte Mann vom Meer – Zeit der Harmonie auf Koreanisch
Yun Seondo, auch bekannt als Yun Sŏndo, gilt vielen als der größte koreanische Literat überhaupt. Er brachte die spezifisch koreanische Dichtungsform des sijo zu ihrem Höhepunkt, und seine harmonisch-fließenden Gedichte um den schwermütigen Menschen inmitten der Natur gehören zu den bewegendsten Werken der Literaturgeschichte.
Yun Seondo war einer der zahlreichen konfuzianischen Minister-Dichter, für die die koreanische Joseon Dynastie bekannt ist, und er sollte der berühmteste und wichtigste von ihnen werden. Als Sohn und Adoptivsohn – Yun Seondo wurde von seinem kinderlosen Onkel adoptiert, der auch seine (erstklassige) Ausbildung übernahm – von hochrangigen Beamten schien der Lebensweg des künftigen Poeten fest vorgezeichnet. Und in der Tat legte er im Jahr 1612 sein Examen zur Aufnahme in die königliche Administration ab, bewies aber auch bereits seinen rebellischen wie integren Charakter, als er sich weigerte, danach tatsächlich in die Dienste des tyrannischen Kwanghaegun (1556–1622) zu treten. Im Jahr 1616 wiederum präsentierte Yun Seondo dem König ein Memorandum, in dem er gegen die Korruption hochrangiger Minister protestierte. Dies führte zur ersten Verbannung des rebellischen Geistes nach Kyonwon. Hier verarbeitete er die Erfahrung des Exils und der Einsamkeit zu seinen ersten Gedichten, die den sijo-Zyklus Gesänge zum Vertreiben der Schwermut (Kyŏnhoe-yo, 1618) bilden und in denen Yun Seondo sowohl allgemeine Menschlichkeit und Gerechtigkeit als auch die unerschütterliche Loyalität zum Königshaus als oberste Werte propagiert. Erst im Jahr 1623 wurde Yun Seondos Verbannung vom neugekrönten König Injo (1595–1649) aufgehoben, der den Dichter fünf Jahre später zum Tutor seiner Söhne berief. Dieser Wechsel von einflussreicher politischer Tätigkeit und dichterischem Schaffen während der Perioden des – teils wegen seiner anhaltenden unbequemen politisches Ansichten und Aktivitäten verhängten, teils selbstgewählten – Exils bestimmte Yun Seondos gesamtes Leben; insgesamt verbrachte er 14 Jahre in offizieller Verbannung, viele mehr zog er sich freiwillig in die Natur zurück, die in seinen Gedichten zum Gegenbild zu der Illoyalität und Boshaftigkeit der Menschen wird – ein utopisch-bukolischer Gegenentwurf der Reinheit und Unberührtheit. Seine letzte Zuflucht fand Yun Seondo schließlich auf der Insel Bogildo, deren Landschaft sich in vielen seiner Gedichte poetisch manifestiert und die sich heute noch als Wahlheimat des großen Poeten rühmt. Die fünf bedeutendsten Gedichtzyklen Yun Seondos – Gesänge zum Vertreiben der Schwermut, Neue Weisen inmitten der Berge (Sanjung singok, 1642–1645), Weitere Neue Weisen inmitten der Berge (Sanjung soksingok, 1645), Gedanken über die vier Jahreszeiten des Fischers (Ŏbusasisa, 1651) und Gesänge über die enttäuschende Fahrt (Mongch’ŏn-yo, 1652) – sind als insgesamt 75 Texte in der Nachgelassenen Schrift des Kosan (Kosan yugo) gesammelt. ›Kosan‹, was ›Einsamer Berg‹ bedeutet, ist genauso wie Haeong, d. i. ›Alter Mann vom Meer‹, ein poetischer Beiname Yun Seondos. Beide Bezeichnungen verweisen auf die Verbundenheit des Dichters mit, ja, Eingebundenheit in die Natur und ehren zugleich die große Weisheit seines immer kritischen und doch eigenartig schicksals- und weltversöhnten Geistes.
Der Gesang der fünf Freunde (Ouga) von Yun Seondo ist das vielleicht berühmteste sijo-Gedicht überhaupt. Tatsächlich besteht es aus einer Aneinanderreihung von insgesamt sechs sijos und ist von seiner Thematik her typisch für den ›Alten Mann vom Meer‹:
Du fragst, wie viele Freunde ich mein nenne?