Die großen Literaten der Welt. Katharina Maier
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Der Einfluss der Makāmen al-Harīrīs auf die arabische Literatur ist enorm. Bis heute werden seine Reimerzählungen mit ihrer stilisierten, blumigen und teilweise durchaus abenteuerlichen Sprache als Stilideal und rhetorisches Meisterwerk angesehen. Al-Harīrī beeinflusste mit seinem Werk außerdem die hebräische und persische Literatur, und auch in Europa sind die Makāmen wohlbekannt, dank zahlreicher Übersetzungsversuche (wobei der Bildreichtum des Arabischen im Allgemeinen und al-Harīrīs Sprachwitz im Besonderen eine ganz eigene Herausforderung darstellt). Besonders hervorzuheben ist dabei die kongeniale Übertragung der Makāmen ins Deutsche durch den Orientalisten Friedrich Rückert (1826/37), dem es gelang, die Sprachspiele des ›Seidenhändlers‹ adäquat zu übertragen. Doch schon lange vor den Übersetzungsversuchen des 18. und 19. Jahrhunderts machten die Makāmen ihren Einfluss in Europa geltend: Bereits im Jahr 1108 kamen die Schelmengeschichten nach Andalusien (vermutlich von einem maurischen Dichter aus Bagdad mitgebracht, der sie von al-Harīrī selbst erzählt hörte), von wo aus sie sich in ganz Spanien verbreiteten – und so die Entwicklung des pikaresken bzw. Schelmenromans im 16. Jahrhundert entscheidend anregten, jener Gattung, die von so immenser Bedeutung für den neuzeitlichen Roman im Besonderen und die Weltliteratur im Allgemeinen werden sollte1.
Wichtige Werke:
al-Maqāmāt (Die Makāmen, 1101–1107)
Durrat al-gaww’as fī auhām al-hawāss (Die Perle des Tauchers)
1 Allerdings unterliefen al-Harīrī, so meisterhaft die Sprache der Makāmen auch ist, einige der von ihm in der Perle des Tauchers ausgemachten Fehler durchaus auch selbst.
1 Der gebildete Bettler bzw. der verarmte Gelehrte scheint zu der Entstehungszeit der Gatt ung der Maqāmāt eine alltägliche Erscheinung gewesen sein.
2 vergl.: Wiebke Walter. Kleine Geschichte der arabischen Literatur. Von der vorislamischen Zeit bis zur Gegenwart. München 2004; der Vergleich mit einem Regenguss ist im Arabischen – der Sprache der Wüste – nachvoll-ziehbarerweise rein positiv besetzt; man kann sogar soweit gehen, zu sagen, dass al-Harīrī mit dieser Analogie seiner Poesie lebensspendende Kraft zuschreibt.
1 Dies ist ein deutlicher Hinweis darauf, dass al-Harīrī seine Makāmen als Leseliteratur verfasst hatte und sie so ihrem mündlichen Ursprung entrückte.
2 Die Bezeichnung geht auf den großen Orientalisten und al-Harīrī-Übersetzer Friedrich Rückert (1788–1866) zurück.
1 Bekannte deutsche ›Schelmen‹ sind etwa der Simplicissimus (1668) von Hans Jakob Christoffel von Grimmelshausen (1622–1676) und Oskar Matzerat aus der Blechtrommel (1959) von Günter Grass‹ (*1927).
LI QINGZHAO
(UM 1084–1150)
Klarer Gedanke – Die Lieddichterin
Li Qingzhao gilt als die größte Dichterin der traditionellen chinesischen Literatur. Ihre ausdrucksstarken ci (Lieder) ließen sie aus dem Meer von Dichtern der Nördlichen Song-Dynastie herausragen und berühren ihre Leser bis auf den heutigen Tag aufs Tiefste.
Die Epoche der Nördlichen Song-Dynastie (960–1279) war eine Zeit der Bildung und des Schöngeistes; fast jeder kultivierte Chinese schuf poetische Kreationen. Doch es war auch eine Zeit militärischer Niederlagen und schwacher Kaiser. So scheint, wie Zhong Jian anmerkt, auf die Song-Zeit das alte chinesische Sprichwort zuzutreffen: »Wenn das Elend im Land herrscht, gedeihen die Dichter«1 – unter ihnen die große Li Qingzhao.
Das klassische Genre der Song-Zeit war das ci, das Lied, das sich während der Tang-Dynastie (618–907) zunächst als Medium der Hof- und später auch der Volksunterhaltung etablierte, sich jedoch schon in der Frühzeit der auf Diesseitigkeit und Subjektivität ausgerichtete Song zu einer ›hohen‹ literarischen Gattung entwickelte. Die Poetik des ci beinhaltet strikte Regeln – allein die obligatorische Einschränkung auf einen Kanon bereits existenter Melodien bedeutete über die Titel derselben eine Begrenzung der zu poetisierenden Themen, die die Dichter jedoch kreativ zu umgehen wussten. Nichtsdestotrotz ließ die ci-Dichtung den Poeten größere Freiheit als das formstrenge klassische shi-Gedicht, das nun eher zum Ausdruck politischer, sozialkritischer und allgemein intellektueller Thematiken verwendet wurde, während das ci besser zur Manifestation von Emotionen geeignet erschien. Li Qingzhao übte sich in beiden Gattungen, doch es waren ihre gefühlsstarken, individualistischen Lieder, die sie zu einer der überragenden Gestalten der chinesischen Poesie werden ließen2. Sie verfasste sogar ein literaturtheoretisches Fragment über das ci als eigene literarische Gattung und etablierte die heute klassische Einteilung der ci-Dichter in haofang pai (›Schule des heroischen Verzichts‹) und wanyue pai (›Schule der zartfühlenden Zurückhaltung‹), wobei die Meisterin selbst der letzteren Schule zugeordnet wird. Dies verwundert bei so intensiven Versen wie den folgenden kaum:
Sag nicht, ich könnte nicht überwältigt sein:
Wenn der Westwind den Vorhang bewegt,
Bin ich zarter als die gelbe Chrysantheme.
Selbst in einer Zeit des Schöngeists fällt Li Qingzhaos immense Bildung auf – umso mehr, da sie eine Frau war. Die Lieddichterin, deren Name ›klarer Gedanke‹ bedeutet, war die älteste Tochter einer Literatenfamilie: Ihr Vater Li Kefei war Politiker und Prosaschriftsteller, und ihre Mutter genoss als Lyrikerin großes Ansehen. Im kulturellen Zentrum der kaiserlichen Hauptstadt Kaifeng aufgewachsen, erhielt Li Qingzhao eine ausgesprochen gute Ausbildung, interessierte sich von jungen Jahren an für die alte chinesische Literatur und verfasste angeblich bereits im Alter von zehn Jahren Gedichte, denen die Kollegen ihres Vater eine ›männliche Reife‹ (das heißt Klarheit des Ausdrucks und der Form) bescheinigten. Im Jahr 1101 verheiratete sich Li Qingzhao mit dem kunstbegeisterten Würdenträger Zhao Mingcheng (1081–1129). Die Ehe erwies sich als eine kongeniale Partnerschaft. Zusammen ging das wohlhabende Paar der beiderseitigen Sammlerleidenschaft nach und häufte eine beeindruckende und viel beneidete Kollektion alter Bücher, Kalligraphien und Steininschriften an. Aus dieser entstand die Sammlung von Bronze und Steininschriften (Jinshilu), von der leider nur noch Li Qingzhaos Vor-/Nachwort erhalten ist, in dem sie in verdichteter Form das Lebenswerk ihres Mannes würdigt und ihre Autobiographie zu Papier bringt. Eine kleine Anekdote veranschaulicht die legendäre Sammlerleidenschaft des Paares: Als ein gieriger Händler für eine Kalligraphie des Meisters Wang Xizhi (307–365) noch einen Zuschlag auf die goldene Haarspange verlangte, die ihm Li Qingzhao als Entgelt anbot, zog die Dichterin kurzerhand ihr wertvolles Außengewand aus und