Die großen Literaten der Welt. Katharina Maier
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Fremde
Nie war der Fluss so grün, das Weiß der Vögel weißer,
So blau der Berg, das Rot der Blüten heißer.
Und doch vergehts, das Jahr, gleich allen, wies auch brennt,
Und niemand ist, der mir den Tag der Heimkehr nennt.4
So ist dem ausgesprochen biographischen Werk des Du Fu1 aller vollendeten Symphonie in der poetischen Form zum Trotz eine gewisse melancholische Spannung zu eigen, die die vollständige Vereinigung von Mensch und Natur zu einen harmonischen Ganzen unmöglich macht. Dieser ›Riss in der Welt‹, der sich durch Du Fus Poesie zieht, spiegelt sich in seinem Leben sowie in dem historischen Hintergrund seiner Epoche. Es ist die Zeit des An-Lushan-Aufstandes2, der von 755 bis 764 andauerte und zusammen mit verheerenden Hungersnöten, Naturkatastrophen und außenpolitischen Gebietsverlusten die Bevölkerung Chinas von über 50 Millionen auf weniger als 20 Millionen reduzierte. In seiner Position als niederer Beamter am kaiserlichen Hof in Chang’an (dem heutigen Xi’an), die er von 755 bis 759 innehatte und die der Sohn einer verarmten adligen Familie sein ganzes unstetes Leben lang zu erreichen bestrebt gewesen war3, versuchte Du Fu, sich mit Rat und Tat am Widerstand gegen die Rebellion zu beteiligen. Aus Enttäuschung über die Zurückweisung seiner Bemühungen und die allgegenwärtige Korruption machte sich Du Fu im Jahr 759 auf in die Stadt Chengdu, wohin er seine Familie zu deren Sicherheit geschickt hatte. Während seiner Reise durch das Land wurde er Zeuge und Opfer des Elends, das im Reich herrschte und sich zum Hauptthema seiner Gedichte entwickelte. Du Fu wurde so zum ›Dichter-Historiographen‹ seiner Zeit, der den historischen Ereignissen sowie der Vergangenheit poetische Gestalt gab. Seine Verse über den Krieg – etwa Die müde Nacht, Die Wäscheklopferin, In einer Mondnacht an die Brüder denkend und Reise in den Norden – wurden zu den berühmtesten Werken des Dichterheiligen. Die nächsten Jahre verbrachte Du Fu in Chengdun, zwei davon in seiner berühmten Grashütte, in der er eine Art Eremitenexistenz führte. Deren Nachbildung neben einem Ehrentempel, der zur Zeit der Song-Dynastie in Erinnerung an den Dichterheiligen errichtet wurde, ist heute noch zu besuchen. Du Fus Familie lebte in Chengdun in Armut und der Abhängigkeit von Gönnern; dennoch entstanden die meisten der über 14.000 Gedichte des großen Poeten in dieser Zeit und während seiner letzten Lebensjahre, die der große Wanderer – wie die Jahre seiner Jugend und der Kriegszeit – in steter Unrast verbringen musste.
Wichtige Werke:
Ba ai shi (›Acht Klagen‹)
Beizheng (Reise in den Norden)
Quinixing bu shou (›Acht Gedichte über die Herbststimmung‹)
Yonghuaigujo (›Ausdruck von Gefühlen angesichts alter Stätten‹)
Yueye (Mondnacht)
1 Li Bai ist in Europa besser bekannt unter dem Namen Li Taibai oder Li Taibo.
2 Du Fu teilte durchaus Li Bais Liebe zum Wein und schrieb lebensfrohe Gedichte über denselben, während Li Bai wie sein jüngerer Freund die Kriegswirren seiner Zeit in Verse fasste.
3 Diese Begegnung fand wahrscheinlich im Jahr 744 während der ausgedehnten Reisen des jungen Du Fu durch das Chinesische Reich statt und war vor allem durch die tiefe Bewunderung geprägt, die der noch unbekannte Jüngere dem ›Dichtergott‹ Li Bai entgegenbrachte.
1 Reinhard Emmerich. »Östliche Han bis Tang«. in: Reinhard Emmerich (Hg.): Chinesische Literaturgeschichte. Stuttgart/Weimar: Metzler 2004. S. 88–186, hier: S. 154.
2 Die formstarke Lyrik Du Fus beeinflusste vor allem auch Matsuo Bashō (1644–1694), den Erfinders des japanischen Haiku.
1 Übersetzung von Günter Eich
2 Wolfgang Kubin. »Du Fu«. in: Axel Ruckaberle (Hg.): Metzler Lexikon der Weltliteratur. Band 1. Stuttgart/Weimar: Metzler 2006. S. 400–401. hier: S. 400.
3 Etwa verfasste Du Fu Liebesgedichte an seine Ehefrau, wie es damals nur an Konkubinen üblich war, oder gab der Trauer über den Hungertod seine jüngsten Kindes lyrische Gestalt.
4 Übersetzung von Günter Eich
1 Du Fu war einer der ersten chinesischen Dichter, der sein Gesamtwerk nach biographischen Aspekten gliederte.
2 An Lushan, ein einflussreicher General aus dem Nordosten des damals extensiven Chinesischen Reiches, führte die Rebellion gegen die Tang-Kaiser an, die bürgerkriegsähnliche Zustände im ganzen Reich mit sich brachte.
3 Du Fu scheiterte, vermutlich aus politischen Gründen, mehrmals an dem Examen, dem sich kaiserliche Beamte zu unterziehen hatten, und war deswegen für den Unterhalt seiner selbst, seiner Frau und seiner fünf Kinder lange auf die Unterstützung von Gönnern angewiesen, die manchmal recht, manchmal schlecht für die Grundlagen zum Leben sorgten.
ONO NO KOMACHI
(9. JAHRHUNDERT)
Tasten nach der Spur – Das Symbol der Schönheit
Ono no Komachi, der ›Stern‹ der klassischen japanischen Literatur, ist die wohl geheimnisvollste und faszinierendste Gestalt unter den Rokkasen, den sechs bis heute hochverehrten ›Dichtergenien‹ der künstlerisch so ausgesprochen fruchtbaren Heian-Periode. Die erotisch aufgeladene Liebesdichtung der Frau Ono no Komachi überbrückt mühelos eine Zeitspanne von über 1000 Jahren, um sich in Herz und Blut ihrer Leser einzubrennen, und die legendäre Schönheit der Poetin selbst inspiriert Dichter und Künstler bis zum heutigen Tag.
Ono no Komachi war eine Meisterin des klassischen japanisches Kurzgedichts, dem tanka, der Hauptgattung der waka-Dichtung der Heian-Periode1 (797–1185), aus der sich später das haiku entwickeln sollte. Wie die Gattung des tanka im Allgemeinen sind die Schöpfungen Ono no Komachis zum Großteil Liebesdichtungen; dabei zeichnen sich ihre Texte durch eine besondere Erotik bei gleichzeitiger müheloser Berührung existentieller Thematiken aus:
Seit ich im leichten
Schlummer mir den Ersehnten
ersehnen konnte,
fange ich an, den Träumen,
wie man sie nennt, zu trauen.
Die tanka-Dichtung – wie das haiku ein Silbengedicht, bestehend aus fünf Teilen zu 5, 7, 5, 7, 7 Silben – war Bestandteil des höfischen Spiels im künstlerisch-kulturell ausgerichteten Heian