Gesammelte Werke von Sacher-Masoch. Леопольд фон Захер-Мазох
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Читать онлайн книгу Gesammelte Werke von Sacher-Masoch - Леопольд фон Захер-Мазох страница 24
»Gut, Herr,« entgegnete der Capitulant und seine Augen blickten mich wunderbar gutmüthig an. »Gut. Man verlangte ja nichts von mir, als was meine Schuldigkeit war, nichts mehr, nichts weniger, und das that ich gerne. Ich wußte doch jetzt, daß ich ein Mensch bin. Zuerst kam ich nach Kolomea, lernte exerciren, zuerst allein, dann mit den Anderen. Wie ich erst mit dem Gewehr umgehen konnte, da war ich euch stolz und dachte, wenn es nur einen Krieg gäbe.
Und da sah ich auch in der Kreisstadt, daß es eine Ordnung in der Welt gibt; man hielt uns streng, aber gerecht. Da gab es keine unverdiente Strafe und keinen unverdienten Lohn und die Leute in der Stadt sahen den Soldaten gleichsam mit Respekt an. Und wenn ich Wache stand vor dem Kreisamte und hörte die Bauern, wie sie zusammen redeten und wie sie da Recht und Hülfe fanden gegen die Polaken, da blickte ich zu dem Adler empor, der über dem Thore hing und dachte mir: Du bist nur ein kleiner Vogel und hast kleine Flügel, aber sie sind doch groß genug, um ein ganzes Volk zu schützen.
Wenn wir später zur Parade marschirten, die gelbe Fahne mit dem schwarzen Adler über unseren Köpfen flatterte, durfte ich nur hinsehen und war zufrieden.
Wir hielten euch zusammen im Regimente wie zu Hause in der Gemeinde, alle für einen, einer für alle, dem Rechtlichen halfen wir und solche schlechte Lumpaken straften wir unter uns. Nachts, wenn die Officiere schliefen in den Quartieren und die Herren Feldwebel schliefen auch bei ihren Weibern, da kamen wir dann leise zu Hauf und hielten Gericht über die Diebe, die Betrüger, die falschen Spieler, die Trunkenbolde, die der Compagnie Schaden brachten und Schande, und wir richteten euch mehr aus als der Herr Profoß mit Stock und Eisen.
So verging wohl ein Jahr, da packten wir eines Tages unsere Tornister und marschirten nach Ungarn. Aus Ungarn nach Böhmen, aus Böhmen nach Steiermark. Man sieht so mit der Zeit als Soldat viele Länder, die alle unserem Kaiser gehören, und verschiedene Menschen, und bekommt ein bescheidenes Herz, man sieht, daß zu Hause nicht alles am besten ist. Ich sah euch dort mehr Wohlstand, mehr Gerechtigkeit und Menschlichkeit und mehr Civilisation als bei uns. Ich lernte den Deutschen achten und den Czechen, der eine Sprache spricht in der Weise wie wir.
Ich sah den heiligen Nepomuk in seinem silbernen Sarge liegen und sah auch den Felsen, in den ihn der König gesperrt hatte, und die steinerne Brücke mit den vielen Heiligen, wo sie ihn in das Wasser gestürzt haben und fünf flammende Sterne über seinem Haupte auf den Wellen schwammen. In Steiermark da sah ich Leute, die zwei Hälse haben.«
Ich mußte gegen meinen Willen über die naive Ethnographie des verabschiedeten Soldaten lachen. Er merkte es und wurde still.
»Ich denke noch, wie Ihr als Urlauber zuerst wieder zu uns in das Dorf kamt,« bemerkte Kolanko mit einer gewissen Befriedigung. »Der weiße Rock mit den blauen Aufschlägen stand euch teuflisch gut. Die Weibsbilder folgten Euch mit den Augen und flüsterten. Meine Alte sagte damals, der Balaban ist jetzt der hübscheste Mann auf zehn Meilen in der Runde und die verstand es, das ist bekannt. Aber er wollte von keinem Weibe was wissen.«
»Der Herr weiß ja,« wendete sich der Capitulant zu mir, »damals weinte unser Soldat, wenn er auf Urlaub mußte. Zu Hause verließ er die Unterthänigkeit, die Robot, die Willkür, die Noth und gewöhnte sich an Ordnung, Recht und Anstand und kam zurück wieder in Noth und Gewalt. Wie man die Urlauber aufrief, stand die ganze Cumpagnia still, nur ich – ich weiß nicht, was mir einfiel – trat vor und meldete mich. Alle sahen mich an. Nun gut, so schickte man mich denn auf Urlaub.
Ich kam nach Hause, zu meinem Vater. Wie ich eintrat im grauen Soldatenmantel mit der Holzmütze auf dem Kopfe, sah er mich starr an und fuhr mit der zitternden Hand zu seinen grauen Haaren empor. Ich küßte ihm die Hand.
»Es ist gut, daß du da bist,« sagte er.
Dann kam die Mutter, schrie und lachte, daß ihr die lichten Thränen herabflossen. Ich erzählte ihnen vom Regimente und den Ländern, wo ich als Garnison lag, und sie berichteten mir von den Leuten im Dorfe. Die Nachbarn kamen, viel Branntwein wurde euch damals getrunken.
Mir war Alles recht. Ich ging herum wie ein Kranker. Keiner sagte mir was. Ich blieb auch stille, aber meinte, der Grundherr müsse Katharina fortgejagt haben, weil Alles so stille war. Anderwärts dachte ich mir: ist sie noch bei ihm, so wird es bald geschehen. Ich wünschte es, ich wußte nicht warum. Was wollte ich noch mit ihr!
Oft hätte ich sie in einer großen Noth, in Elend und Schande sehen mögen und hätte ihr dann doch geholfen.
Niemand nannte nur ihren Namen und ich wagte nicht zu fragen. Sonntag, während der großen Messe, sehe ich euch einmal in den Chor hinauf. Wer sitzt da – meine Katharina als gnädige Frau. So schön war sie, weit schöner noch als zu jener Zeit, aber so bleich, so krank, so müde und hatte so große dunkle kreisende Augen wie eine Sterbende.«
Ein seltsames stilles Licht lag auf dem ruhigen Antlitz des Capitulanten.
»Das Blut gerann in mir,« fuhr er fort.
»Wer ist diese schöne Dame?« fragte ich einen Burschen, der mich nicht kannte.
Der sah mich dumm an und sagte: »Das ist die Herrin, die Frau des Grundherren.«
»Er hatte sie wirklich geheirathet, ganz ordentlich vor dem Altar, nun er hatte Recht und jetzt war sie meine gnädige Herrin.«
Der Capitulant lächelte.
»Ich konnte jeden Tag ihr begegnen,« sprach er dann. »Wozu war das gut! Ich gehe also in ein anderes Dorf arbeiten. Es war so Alles aus.«
Der Capitulant schwieg, die Arme waren ihm herabgesunken, er blickte mit vorgeneigtem Kopfe in das Feuer, seine bronzenen Züge hatten wieder ihren tiefen gleichmüthigen Ernst angenommen und seine Augen brannten wieder wie große ruhige Feuer. Alle schwiegen. Die Landschaft dämmerte in tiefer heiliger Stille.
»Eure Geschichte ist wohl zu Ende?« sagte ich nach einer Pause.
»Ja,« entgegnete schamhaft der Capitulant.
»Nun, es ist wirklich nichts Besonderes an Eurer Geschichte,« sprach ich. »Das geschieht alle Tage und geschieht einem Jeden, aber das Besondere an Eurer Geschichte seid Ihr selbst. Habt Ihr nie an Rache, an Vergeltung gedacht?«
»Nein,« erwiederte er still vor sich hin. »Wofür auch? Es lag in der Natur. An wem sollte ich dafür Rache nehmen, daß ich ein Mensch bin, daß sie ein Weib ist?«
Seine Antwort überraschte mich und steigerte meine Theilnahme auf das Lebhafteste.
»Du hast also nie eine Genugthuung empfangen,« sagte ich.
»Doch,« erwiederte er nach einigem Nachdenken. »Es war im sechsundvierzigsten Jahre, als ich auf Urlaub war und damals kam das große Elend über unser Land durch die polnische Revolution.
Es war also in den letzten Tagen, im Februar ein furchtbar strenger Winter. In dieser Nacht war besonders viel Schnee gefallen und hatte alle Straßen und Wege verweht. Warten Sie. Das kommt später. Mir geht jetzt in diesem Augenblicke Alles so kuriös im Kopfe herum, ich muß dem Herren früher noch etwas Anderes berichten. So war es. Lange schon herrschte eine gewisse Unruhe, die Grundherren kutschirten hin und her, man hörte von verborgenen Waffen.
Nicht wenige Bauern waren in der Schenke von Tulawa versammelt, unter ihnen der Richter, da kam unser Grundherr und sagte zu den Bauern: »Wollt ihr mit uns Edelleuten halten oder mit wem wollt ihr es halten? Wenn ihr