Gesammelte Werke von Sacher-Masoch. Леопольд фон Захер-Мазох
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Читать онлайн книгу Gesammelte Werke von Sacher-Masoch - Леопольд фон Захер-Мазох страница 43
»Was macht so die meisten Ehen unglücklich?« wiederholte er, »verstehen Sie mich, Bruder?«
Ich sagte irgend Etwas, was man so gewöhnlich sagt.
Er unterbrach mich, entschuldigte sich und sprach weiter.
»Verzeihen Sie, aber das haben Sie aus den deutschen Büchern. Es ist so. Sie lesen sie gerne, das möchte ich glauben, ich auch, aber man bekommt so Ideen, so Phrasen – nun Sie verstehen mich ja. – Da könnte ich auch sagen: »Meine Frau war mir nicht genug,« oder »sie hat mich nicht verstanden« und »wie das furchtbar ist, wenn man so nicht verstanden wird,« wie ich so ein ganz origineller Mensch bin, so ein Original, wie ich so ganz originelle Gedanken habe und so ganz originelle Gefühle und wie ich mich so enttäuscht sehe und keine Frau finde, die mich versteht, aber doch immerfort suche – solche Phrasen wissen Sie – das ist aber Alles erlogen, Alles erlogen! Ueberhaupt, mein Bester, haben Sie schon bemerkt, wie eigentlich jeder Mensch ein Lügner ist? Nur gibt es zwei Arten und darnach kann man die Menschen eintheilen, in solche, welche andere belügen, das sind die materiellen Menschen, von denen man so in den Büchern liest und dann die Idealisten, wie die Deutschen sie nennen – die sich selbst belügen.«
Ich gestehe es, der Mann begann mich immer mehr zu interessieren.
Er trank noch ein Glas Tokai und war vollends im Fluß. Seine Augen schwammen, seine Zunge schwamm, seine Worte floßen nur so.
»Nun Herr, was macht die Ehe unglücklich?« sagte er und legte seine Hände auf meine Achseln, als wolle er mich an sein Herz drücken – »denken Sie sich, Herr – die Kinder!«
Ich war überrascht.
»Aber lieber Freund,« sagte ich, »sehen Sie einmal diesen Juden an, wie elend er da lebt und sein Weib – würden sie nicht auseinanderlaufen wie Hunde, wenn nicht die Kinder wären und die Liebe zu den Kindern?«
Er nickte eifrig mit dem Kopfe und hob die Hände flach gegen mich empor, als wollte er mich segnen. »So ist es, so ist es, Bruder! Das eben, das allein, – das, das! – Hören Sie nur meine Geschichte.
Ich war so ein Bursche, was soll ich Ihnen sagen, ein Tölpel. Ich fürchtete mich vor den Frauen. Wenn ich zu Pferde war, da war ich ein Mann. Oder ich nahm die Büchse und ging durch das Feld, in den Wald, in das Gebirge – ich will Ihnen aber keine Anekdoten erzählen von meinen Jagden – genug, wenn ich dem Bären begegnete, ließ ich ihn ganz nahe kommen und sagte nur: Hopp Bruder! – da stand er auf, daß ich seinen Athem fühlte und ich schoß ihn, gerade auf den weißen Fleck hin, in die Brust. Aber wenn ich ein Weib sah, ging ich aus dem Wege. Sprach sie mich an, wurde ich roth, stotterte – so ein Tölpel, wissen Sie. Ich meinte immer noch, ein Weib habe nur längeres Haar als wir und längere Kleider und das sei Alles. So ein Tölpel! Sie wissen ja, wie man bei uns ist. Nicht einmal die Dienstleute sprechen so von diesen Sachen, man wächst auf und es kommt einem der Bart beinahe und man weiß nicht warum einem das Herz schlägt, wenn man so ein Weib sieht. So ein Tölpel! sag’ ich Ihnen.
Da meinte ich, ich hätte Amerika entdeckt oder wenigstens einen neuen Planeten, wie ich endlich wußte. – Bedenken Sie nur, daß die Kinder nicht aus dem Wasser gezogen werden, wie die Krebse. Gut. Da verliebte ich mich auf einmal. Ich weiß selbst nicht wie. – Aber ich langweile Sie, gewiß?«
»Nein, ich bitte –«
»Gut. Ich verliebe mich. Da hatte mein seliger Vater, da hatte er so eine Idee, uns tanzen zu lassen, nämlich meine Schwester und mich. Da kam so ein kleiner Franzose mit seiner Geige und dann kamen die Gutsbesitzer aus der Nähe mit ihren Söhnen und Töchtern. Es war eine lustige Gesellschaft so von Nachbarn. Jeder kannte den andern und war guter Dinge, nur ich zitterte am ganzen Leibe. Mein kleiner Franzose aber besinnt sich nicht, stellt seine Paare auf wie’s ihm einfällt, erwischt mich beim Ermel und erwischt auch ein Fräulein von unserem Nachbarn, ein Kind sag ich Ihnen. Sie stolperte noch über ihr Kleid und hatte blonde Zöpfe bis hinab.
Da standen wir nun und sie hielt meine Hand – denn ich – ich war Ihnen todt; so tanzen wir. Aber ich sehe sie gar nicht an, nur unsere Hände brennen so ineinander. Bis zuletzt, da heißt es: »Messieurs!« – Man tritt vor seine Dame, klappt die Absätze zusammen, läßt den Kopf auf die Brust fallen, wie wenn er abgehackt wäre, macht seinen Arm krumm, nimmt sie bei den Fingerspitzen und küßt die Hand. Das Blut schoß mir zu Kopfe. Sie machte nur so einen Knix und wie ich meinen Kopf hob. da war sie ganz roth und hatte Augen – was für Augen!«
Er schloß die seinen und lehnte sich zurück.
»Bravo, Messieurs!« ich war erlöst. Von da an tanzte ich nicht mehr mit ihr.
Sie war die Tochter eines Nachbars. Schön! – was soll ich Ihnen sagen – schön! so vornehm, möchte ich sagen. – Jede Woche war eine Tanzstunde. Ich sprach nicht einmal mit ihr, aber wenn sie so den Kosak tanzte, den Arm zierlich eingestemmt, stachen meine Augen nur so in sie und sah sie dann auf mich, pfiff ich wohl und drehte mich auf dem Absatz um. Die anderen jungen Herren leckten ihre Finger wie Zucker, verrenkten sich Hände und Füße, um ihr Taschentuch zu erwischen, sie aber warf die Zöpfe zurück und blickte auf mich.
Wenn sie davonfuhr, da war ich ein Held, wenn ich die Treppe hinab leuchtete und unten stehen blieb. Da wickelte sie sich behaglich ein, zog den Schleier herab, nickte allen freundlich zu, daß mir der Neid im Magen brannte und wenn die Glöckchen nur noch so aus der Ferne klangen, stand ich noch da und hielt mein Licht in der Hand, ganz krumm, das tropfte nur. So ein Tölpel, sag’ ich Ihnen!
Dann waren die Tanzstunden zu Ende und ich sah sie lange nicht.
Da wachte ich Nachts auf und hatte geweint und wußte nicht warum, da lernte ich verliebte Gedichte auswendig und sagte sie tüchtig her, Alles meinem Kleiderstock; da hatte ich Muth und phantasirte, nahm die Guitarre und sang, daß unser alter Jagdhund unter dem Ofen hervorkroch, die Nase zum Himmel hob und heulte.
Dann kam mir im Frühjahr die Idee, auf die Jagd zu gehen. Streife so im Gebirge, lege mich über eine Schlucht und wie ich so liege, da brechen die Zweige und kommt das Dickicht herab ein großer Bär, langsam, ganz langsam. – Ich bin ganz stille und im Walde ist es stille – nur ein Rabe fliegt über mir und schreit. – Da faßt mich eine namenlose Angst, ich mache das Kreuz und athme nicht einmal und wie er hinab ist – laufe ich was ich laufen kann.
Da war dann der Jahrmarkt – Verzeihen Sie, ich erzähle Ihnen wohl Alles erbärmlich durcheinander. – Da fahr’ ich denn auf den Jahrmarkt und wie ich so gehe, ist sie auch da. – Richtig! ich vergesse zu sagen wie sie heißt: Nikolaja Senkow also. Einen Gang hatte sie jetzt wie eine Fürstin und auch die Zöpfe hingen ihr nicht mehr herab, sondern lagen auf ihrem Haupte wie ein goldener Reif und ihr Gang war so frei, sie wiegte sich und die Falten ihres Kleides rauschten so anmuthig, man konnte sich in dieses Rauschen allein verlieben. – Da lärmt der Jahrmarkt, der Handel, rings herum, da traben die Bauern in ihren schweren Stiefeln, da schießen die Juden durch das Gedränge, das schreit und jammert und lacht, und die Buben haben kleine hölzerne Pfeifchen gekauft und pfeifen. Aber sie hat mich gleich gesehen.
Da faß ich mir ein Herz, sehe mich um und denke: »Halt! Du gibst ihr die Sonne! das wird sie freuen! was kannst du mehr geben?« – Verzeihen Sie, es war eine Sonne von Lebzelten, prächtig vergoldet, sag’ ich Ihnen. Sie fiel mir von weitem auf und machte ein erstauntes Gesicht wie unser Pfarrer, wenn er Jemand umsonst begraben soll. Gut ich habe dießmal Courage wie der Teufel, gehe, werfe meinen Zwanziger hin – es war mein einziger – und kaufe die Sonne. Mache dann große Schritte und erwische mein Fräulein richtig bei einer Falte; was eigentlich