Gesammelte Werke von Sacher-Masoch. Леопольд фон Захер-Мазох

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Gesammelte Werke von Sacher-Masoch - Леопольд фон Захер-Мазох

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Ritzen herein als Moder, Mondlicht und Lied.

      Auch meine Langeweile wurde zur Melancholie, zu jener Melancholie, welche uns Kleinrussen so eigenthümlich ist, zu einer männlichen Ergebung in das Gefühl der Nothwendigkeit. Und meine Langeweile war so nothwendig, wie Schlaf und Tod.

      Der Kirchensänger war in seiner grünen Zeitung eben bei den Verstorbenen, Angekommenen, dem Courszettel, der Eisenbahn-Fahrordnung angelangt, als draußen plötzlich Peitschenknallen, Pferdegetrappel, Menschenstimmen wirr durcheinander klangen.

      Dann war es stille.

      Dann hörte man eine fremde Stimme, welche sich mit jenen der Bauernwachen mischte. Es war eine lachende männliche Stimme, es war Musik in ihr, aber eine fröhliche, kecke, übermüthige Musik, die vor den Menschen in der Schenke nicht zurückschreckte. Sie tönte immer näher, bis ein fremder Mann über die Schwelle trat.

      Ich richtete mich auf, aber ich sah nur seine hohe, schlanke Gestalt, denn er trat nach rückwärts in die Schenke, indem er noch immer lustig zu den Bauern sprach.

      »Aber Freunde, thut mir doch nur den Gefallen und erkennt mich? Bin ich denn ein Emissär? Seht mich an? Fährt die Nationalregierung mit vier Pferden auf der Kaiserstraße ohne Paß? Geht die Nationalregierung mit einer Pfeife im Munde wie ich? Brüder! thut mir den Gefallen und seid gescheidt!«

      Jetzt kamen ein paar Bauernköpfe zum Vorschein und eben so viel Hände, welche diese Bauernköpfe unter dem Kinn rieben, was so viel zu bedeuten hatte, als: »Den Gefallen thun wir dir nicht, Bruder.«

      »Also wirklich nicht? Aber thut mir doch die Gnade und seid vernünftig –«

      »Es geht nicht.«

      »Bin ich denn ein Pole? Wollt ihr, daß meine Eltern sich auf dem russischen Kirchhofe zu Czernelica im Grabe umdrehen? Waren meine Ahnen nicht mit Bogdan Chmielnicki, dem Kosaken, gegen Polen? In wie viel Schlachten? Bei Pilawce, bei Korsun, bei Batow, bei den gelben Wässern; haben mit ihm Zbaraz belagert, worin auch die Polen lagen, standen oder saßen nach Belieben – aber thut mir nur den Gefallen und laßt mich fahren.«

      »Es geht nicht.«

      »Auch nicht wenn mein Großahn mit Hetman Dorozenko Lemberg belagert hat? Damals, sag’ ich euch, waren die Köpfe der polnischen Edelleute billiger als Birnen, aber – bleibt gesund und laßt mich fahren.«

      »Es geht nicht.«

      »Es geht nicht! – Wirklich nicht?«

      »Wirklich nicht.«

      »Nun gut, dann bleibt gesund.« Der Fremde ergab sich männlich der Nothwendigkeit, ohne Klage. Er trat ein, immer noch das Gesicht von mir abgewendet, nickte zu den neuen Entenstößen des Juden und setzte sich vor den Schenktisch, den Rücken gegen mich.

      Die Jüdin horchte, sah auf ihn, legte das schlafende Kind auf den Ofen und trat an den Schenktisch. Sie war schön, als Moschku sie heimführte, ich wette darauf. Jetzt ist alles so befremdend scharf in ihrem Gesichte. Schmerzen, Schande, Fußtritte, Peitschenhiebe haben lange in dem Antlitz ihres Volkes gewühlt, bis es diesen glühend welken, wehmüthig höhnischen, demüthig rachelustigen Ausdruck bekam. Sie krümmte ihren hohen Rücken, ihre feinen durchsichtigen Hände spielten mit dem Branntweinmaß, ihre Augen hefteten sich auf den Fremden. Eine glühende, verlangende Seele stieg aus diesen großen schwarzen, wollüstigen Augen, ein Vampyr aus dem Grabe einer verfaulten Menschennatur, und saugte sich in das schöne Antlitz des Fremden.

      Es war wirklich ein schönes Antlitz, es neigte sich über den Schenktisch zu ihr herüber wie der Mond, aber warf wirkliche Silbermünzen auf den Tisch und verlangte eine Flasche Wein.

      »Geh hinaus!« sagte der Jude zu seinem Weib.

      Sie krümmte sich noch tiefer und ging mit geschlossenen Augen, wie eine die im Schlafe wandelt; Moschku aber flüsterte über den Tisch zu mir: »Er ist ein gefährlicher Mensch, ein gefährlicher Mensch,« und schüttelte das vorsichtige Köpfchen mit den dicken kleinen Stirnlöckchen.

      Das machte den Fremden aufmerksam. Er wandte sich rasch herum, erblickte mich, stand auf, riß seine runde Schaffellmütze vom Kopfe und entschuldigte sich in verbindlichster Weise. Wir begrüßten uns. Die russische Menschenfreundlichkeit hat sich in Sprache und Sitte so verkörpert, daß der Einzelne die zärtlich schmeichelnde Redensart nicht mehr zu überbieten vermag. Aber in der That begrüßten wir uns noch artiger, als es gewöhnlich geschieht.

      Nachdem wir uns gegenseitig unzählige Male als die elendesten Knechte bezeichnet hatten und zu den Füßen gefallen waren, setzte sich der Gefährliche mir gegenüber und bat, seine Pfeife stopfen zu dürfen. Es rauchten die Bauern, es rauchte der Diak, endlich rauchte auch der Ofen, aber er bat und ich bewilligte Alles »aus Erbarmen«. Er stopfte also seine lange türkische Pfeife.

      »Diese Bauern!« sagte er heiter, »aber ich! – Sagen Sie selbst, würden Sie mir das auf hundert Schritte anthun und mich für einen Polen halten?«

      »Gewiß nicht.«

      »Nun sehen Sie, lieber Bruder!« setzte er in überströmender Dankbarkeit hinzu, »aber reden Sie mit denen da.« Er zog einen Feuerstein aus dem Sack, legte ein kleines Stückchen Schwamm darauf und schlug damit auf sein Messer.

      »Nun, aber der Jude nennt Sie doch einen gefährlichen Menschen.«

      »Ja so.« Er sah vor sich auf den Tisch und lächelte. »Mein Moschku meint – den Weibern. Haben Sie gesehen, wie er seine Frau hinausgeschickt hat? Das fängt so leicht Feuer.«

      Auch der Schwamm fing Feuer. Er legte ihn in die Pfeife und hüllte uns bald in dichte blaue Wolken. Er hatte die Augen bescheiden niedergeschlagen und lächelte nur so.

      Ich hatte Muße, ihn zu betrachten.

      Er war offenbar ein Gutsbesitzer, denn er war sehr gut gekleidet; sein Tabaksbeutel reich gestickt, seine Art vornehm; aus der Nähe oder doch aus dem Kreise von Kolomea – denn der Jude kannte ihn. Ein Russe, das hatte er gleich gesagt, und war auch nicht schwatzhaft genug, um für einen Polen gelten zu können. Es war ein Mann, der den Frauen gefallen konnte. Er hatte nichts von jener plumpen Kraft, von jener rohen Schwerfälligkeit, welche andern Völkern als Männlichkeit gilt, er war durchaus edel, schlank und schön; aber seine elastische Energie, seine unverwüstliche Zähigkeit sprach aus jeder Bewegung. Das braune schlichte Haar, der etwas gekräuselte, kurz geschnittene Vollbart, warfen ihre vollen Schatten in ein wetterbraunes, aber wohlgebildetes Gesicht.

      Er war nicht so ganz jung mehr, aber hatte fröhliche blaue Augen wie ein Knabe. Unauslöschliche, gütige Menschenliebe lag milde in diesem dunkeln Antlitz, dunkel in so viel Linien, welche das Leben tief hineingeschnitten.

      Er stand auf und ging ein paarmal durch die Schenke. Die weiten Hosen in die faltigen gelben Stiefel gesteckt, den Leib unter dem offenen weiten Rocke mit einer bunten Binde gegürtet, die Pelzmütze auf dem Kopfe, sah er wie einer jener alten weisen, tapferen Bojaren aus, welche zu Rathe saßen mit Wladimir und Jaroslaw, in die Schlacht zogen mit Igor und Roman.

      Den Frauen konnte er gefährlich sein; ich glaubte es ihm gerne, und wie er so auf-und abging und lächelte, war es auch mir ein Vergnügen, ihn anzusehen. Auch kam die Jüdin mit der Flasche Wein, setzte sie auf den Tisch und hockte wieder hinter den Ofen, das Auge unverwandt auf ihn gerichtet. Mein Bojar kam herbei, sah die Flasche an und schien etwas zu erwarten.

      »Eine Flasche Tokai,« sagte er heiter,

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