Gesammelte Werke von Sacher-Masoch. Леопольд фон Захер-Мазох

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Gesammelte Werke von Sacher-Masoch - Леопольд фон Захер-Мазох

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      »Sie haben gewiß« – ich fürchtete unzart zu sein, er aber fiel lebhaft ein: »Ein Rendezvous? Freilich!« schloß die Augen halb, stieß dichte Wolken aus der Pfeife und nickte mit dem Kopf »Ein Rendezvous, verstehen Sie mich, und was für ein Rendezvous. O ich habe Glück bei den Weibern, verstehen Sie mich, ganz außerordentliches Glück. Sie sollen mich in den Himmel lassen unter die heiligen Frauen und Jungfrauen, so wird allenfalls der Himmel so ein – Haus. Gott verzeih’ mir die Sünde! Thun Sie mir die Gnade und glauben Sie es mir.«

      »Ich glaube es Ihnen gerne.«

      »Nun sehen Sie. Aber das soll wahr bleiben, wie das Sprichwort sagt: »»Was du dem besten Freunde nicht sagst und deinem Weibe nicht sagst, sagst du dem Fremden auf der Heerstraße.«« Mach’ die Flasche auf, Moschku, gib zwei Gläser – und Sie erbarmen sich, trinken mit mir den Tokai und hören meine Liebesabenteuer an, köstliche, seltene Liebesabenteuer, Raritäten von Liebesabenteuern, wie ein Autograph von Goliath dem Philister, denn die Silberlinge, um die Judas Ischariot unsern Herrn verkauft hat, sind gar nicht selten. Das glauben Sie mir aufs Wort, ich habe schon so viele in Galizien und in Rußland in den Kirchen gesehen, daß er eigentlich keinen so schlechten Handel gemacht hat. Aber Moschku –«

      Der Schenkwirth hüpfte heran, stieß ein paarmal nach rückwärts aus, holte einen Korkzieher aus der Tasche, klopfte das Siegellack herab, blies darauf, nahm dann die Flasche zwischen die mageren Beine und zog unter furchtbaren Verzerrungen des Gesichtes den Kork heraus. Blies dann zum Ueberfluß noch einmal in die Flasche und schenkte den gelben Tokai in die reinsten zwei Gläser, welche in Israel geduldet werden. Der Fremde hob sein Glas gegen mich. »Auf Ihre Gesundheit!«

      Er meinte es aufrichtig, denn er leerte das große Glas auf einen Zug. Ein Trinker war er nicht, dazu hatte er den Wein zu wenig gekostet, auf die Zunge genommen, an den Gaumen emporgeschnalzt.

      Der Jude sah ihm zu und sprach schüchtern: »Das ist eine Ehre, daß der Herr Wohlthäter wieder einmal bei mir einsprechen und wie gut aussehen, immer noch ganz am Fleck!« Moschku versuchte, sich bei dieser Bemerkung die Haltung eines Löwen zu geben, und dazu schien es ihm unentbehrlich, seine mürben Arme wie die zerbrochenen Henkel einer Vase von Pompeji auseinander zu spreizen und wie in der Tretmühle die Füße abwechselnd zu heben und wieder aufzustampfen.

      »Nun, und wie befinden sich die gnädige Frau Wohlthäterin und die lieben Kinder?«

      »Gut! Gut!« Mein Bojar schenkte sich das zweite Glas ein und trank es aus, aber Alles mit niedergeschlagenen Augen, wie beschämt. Und als der Jude längst fort war, blickte er schüchtern nach mir herüber und war über und über roth. Lange war er stille, rauchte so vor sich hin, schenkte mir ein, endlich sagte er ganz leise: »Ich muß Ihnen ziemlich lächerlich erscheinen. Sie denken gewiß, der alte Esel hat Weib und Kinder zu Hause und will mich da von seinen Romanen unterhalten und von Rendezvous und Liebesbriefen. Ich bitte Sie, sagen Sie gar nichts, ich weiß es ja doch. Aber sehen Sie, einmal ist es eine angenehme Pflicht, einen Fremden zu unterhalten, und da dachte ich – dann wieder – verzeihen Sie – es ist eigentlich recht sonderbar. Man begegnet sich, um sich vielleicht nie wieder zu sehen. Man könnte denken, was liegt daran, was der von dir meint. Aber es ist nicht so. Bei mir wenigstens nicht. Freilich, ich will mich nicht schön machen, wer so ein Verführer ist, der ist es gewiß halb nur aus Wollust und halb aus Eitelkeit. Wenn man von meinen Abenteuern nichts wüßte, wäre ich der unglücklichste Mensch von der Welt, und da erzähle ich sie so Jedem und sie beneiden mich Alle, aber heute hab’ ich mich lächerlich gemacht.«

      Ich wendete etwas ein.

      »Bemühen Sie sich nicht, es ist einmal so, – lächerlich, denn Sie kennen ja meine Geschichte nicht. Der ganze Kreis weiß, was mir passirt ist, aber Sie wissen es nicht. Und dann wird man so lächerlich eitel, wenn man den Frauen gefällt, lächerlich eitel, will, jeder Mensch soll gut von uns denken, und verschenkt sein Geld an die Bettler auf der Straße und seine Geschichten an die Fremden in den Einkehrhäusern. O! es ist recht lächerlich. Aber nun muß ich Ihnen doch das Ganze erzählen. Haben Sie die Gnade und hören Sie mich an. Ich weiß nicht, ich habe so etwas Zutrauen zu Ihnen.«

      Ich bedankte mich.

      »Nun gut. Und dann, was fangen wir sonst an? Karten sind keine da! – Also will ich – aber nein! – und doch – Bedenken Sie – »»ein guter Vogel beschmutzt sein Nest nicht,«« das sagt jeder Bauer bei uns. Aber ich bin kein guter Vogel. Ich bin ein leichter Vogel, ein lustiger Vogel. Noch eine Flasche Tokai, Moschku! – Ich will Ihnen meine Geschichte erzählen.«

      Er stützte seinen Kopf in die Hände und dachte nach. Es war stille. Wieder tönte das grauenhafte Lied der Bauernwache, bald wie eine Todtenklage aus weiter Ferne, bald ganz nahe und leise, als schwinge die Seele des fremden Mannes in verzweifelten, herzzerreißend süßen Melodien.

      »Sie sind also verheirathet?« fragte ich endlich.

      »Ja.«

      »Glücklich?«

      Er lachte. Sein Lachen klang eigentlich harmlos wie das Lachen eines Kindes; aber mich machte es schauern, ich weiß nicht warum.

      »Glücklich?« sagte er, »was soll ich sagen? Thun Sie mir die Gnade und bedenken Sie einmal, was das ist: Glück! – Sind Sie Landwirth?«

      »Nein.«

      »Aber Sie verstehen etwas von der Landwirthschaft? Gewiß. Nun sehen Sie, das Glück, möchte ich so sagen, ist nicht wie ein Dorf oder Gut, das einem gehört, sondern wie eine Pacht. Ich bitte, verstehen Sie mich, wie eine Pacht. Wer sich da einrichten will für die Ewigkeit, wer brach liegen läßt nach der Ordnung, oder gar düngt, oder den Wald schont, oder junges Holz hegt, oder eine Straße baut« – er nahm sich wie verzweifelt beim Kopfe – »Herr Gott! der macht, als hätte er für seine Kinder zu sorgen. Da heißt es: was herausschlagen, das Jahr oder gar heute, ja nicht morgen. Da heißt es: das Feld aussaugen, den Wald verwüsten, die Weiden ruiniren, Gras wachsen lassen auf den Wegen, Scheunen, und wenn Alles zu Grunde gerichtet ist am Ende und der Stall jede Stunde einstürzen kann: gut, und auch der Speicher – um so besser! oder gar das Wohngebäude – unübertrefflich! unübertrefflich! Der hat’s genossen, der hat jubilirt. – Da haben Sie das Glück! Lustig! Lustig!«

      Die neue Flasche Tokai wurde entkorkt und er schenkte fleißig ein.

      »Was ist das Glück?« rief er, »der Athemzug, den ich mache. Da, sehen Sie!« – er hauchte in die Luft – »da haben Sie ihn! Sehen Sie! Sehen Sie ihn!« – er wies mit den Fingern hin – »Wo ist er jetzt? – Ein Augenblick, eine Secunde auf der Uhr, einmal klopft der Zeiger – vorbei! Das Lied, das die Wache singt! Hören Sie den letzten schwellenden Ton, wie er sich emporhebt und fliegt – und schwimmt nur so in der Luft. Man meint er könnte kein Ende nehmen. Er trägt uns fort, fort – immer fort! – da – da hat ihn die Nacht verschlungen – für immer – das ist das Glück.«

      Wir schwiegen beide einige Zeit.

      Endlich fragte er ziemlich heiter: »Verzeihen Sie, darf ich Sie fragen: warum sind denn alle Ehen unglücklich? oder doch die meisten! Was wollen Sie einwenden?«

      »Ich? Nichts! gar nichts!«

      »Also sehen Sie, es ist eine Thatsache! Aber ein Mensch, der das was so ist, annimmt, ohne darüber nachzudenken, oder sich dagegen zu stemmen, der ist so ein schwacher Mensch in jeder Beziehung. – Ich meine, man muß tragen, was nothwendig ist, was so bestimmt ist, oder was so in der Natur liegt, wie allenfalls der Winter, oder die Nacht, oder der Tod. Aber ist es auch nothwendig, daß die Ehen so in der Regel unglücklich sind? Ist da – nun Sie verstehen mich – eine Nothwendigkeit, eine Regel,

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