Gesammelte Werke von Sacher-Masoch. Леопольд фон Захер-Мазох

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Gesammelte Werke von Sacher-Masoch - Леопольд фон Захер-Мазох

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habe oft die großen Kirchenbücher gesehen bei unserem alten Kirchensänger.«

      »Ja, Du hast Recht, es sind lateinische Buchstaben.«

      »Und die Worte verstehe ich auch nicht«, sagte der Grenadier, »es ist nicht unsere Sprache.«

      »Ganz recht«, gab Frau von Mellin zur Antwort, »es ist französisch, das Buch nennt sich Candide und der Mann, der es geschrieben, Voltaire, ist der größte Geist der Zeit, den die Kaiser und Könige wie ihres gleichen achten.«

      »Ich möchte das Buch lesen«, meinte Iwan, »ich möchte überhaupt alles lesen, alles lernen, alles erfahren, was wahr und ist und die zukünftigen Dinge, ich möchte die alten Chroniken kennen und wissen, wie es in fremden Ländern ist, in Frankreich und bei den Türken.«

      »Nun, Dein Wunsch soll in Erfüllung gehen«, sagte Frau von Mellin lächelnd, »Du gefällst mir, Du gefällst mir sehr gut, ich werde Dich unterrichten lassen, ja, ich selbst werde Deine Bildung übernehmen.«

      »Gott soll es Ihnen lohnen«, rief der Grenadier, indem er sich nach der Art russischer Bauern vor seinem Obersten niederwarf und den Saum des hellen Frauengewandes küßte, »alle Heiligen sollen Sie beschützen, schönes Mütterchen, und werde ich auch französisch erlernen?«

      »Ja, – auch französisch!« lachte Frau von Mellin.

      IV.

       Inhaltsverzeichnis

      Ein Jahr und darüber war seit dem Morgen auf dem Exerzierplatze des Regiments Tobolsk verflossen, und Iwan Nahimoff war Dank der von Rousseau’schen Prinzipien geleiteten Fürsorge seines schönen Mütterchen Oberst, seinen Lehrern und noch mehr der erstaunlichen russischen Bildsamkeit, aus einem unwissenden Bauern, einem halbwilden Leibeigenen ein Mann von Bildung und feinen Sitten geworden, freilich nicht in dem Sinne unserer Zeit, aber er wußte von der Welt, ihren Geschicken und Einrichtungen, von Geschichte, Geographie, Naturgeschichte und Litteratur beiläufig so viel, wie die Hofleute Katharina’s, er bewegte sich mit dem Anstand und der Grazie eines Kavaliers Ludwig XV., und was die Hauptsache war, er sprach französisch besser als die meisten Russen jener Zeit, und las französisch, was die wenigsten seiner »gebildeten« Landsleute imstande waren.

      Und vor allem war er ein strammer Soldat, nicht allein, daß er nie mehr vergaß, die Patrone abzubeißen, er hatte es in den Ladetempo’s zu einer Schnelligkeit gebracht, wie sie nur den besten alten Grenadieren Friedrichs des Großen eigen war, und galt als der beste »Driller« junger Soldaten. Längst zierte die Auszeichnung des Sergeanten seinen Uniformrock, aber er strebte weiter. Es war eine Zeit, wo gemeine Soldaten durch ihre Tapferkeit vor dem Feinde, ihre Talente oder die Gunst schöner Frauen zu den höchsten militärischen Würden stiegen, die Zeit der Orloff und Potemkin. Auch Iwan Nahimoff träumte von goldenen Epauletten und dem breiten Bande des Georgskreuzes. Jede Minute, welche ihm der Dienst der Kaiserin frei ließ, verwendete er unermüdlich dazu, sich in militärischen Dingen zu unterrichten; mit einem preußischen Deserteur, einem deutschen Pastorsohne, studierte er die Taktik der Griechen und Römer und die Feldzüge der Preußen. Man begann sich in militärischen Kreisen und sogar am Hofe für ihn zu interessieren.

      Böse Zungen nannten ihn den Potemkin der Frau von Mellin.

      Indes ebenso gewiß Amor es war, der ihn mit dem Korporalstock in den verschiedenen Wissenschaften drillte, ebenso unschuldig waren bisher die Beziehungen des schönen Grenadiers zu seinem Oberst im Reifrock gewesen. Frau von Mellin selbst war sich über den Charakter ihres Interesses für ihm am wenigsten klar.

      Eines Abends – Iwan Nahimoff hatte eben mit seiner Kompagnie die Wache im Palaste bezogen – saß er in einem der duftigen Hollunderbüsche des Parkes von Zarskoje Selo gleich einem scheuen Vogel verborgen und las, als unerwartet ein Frauengewand ganz in seiner Nähe rauschte. Iwan hielt den Atem an, aber vergebens.

      »Wer ist hier?« fragte eine schöne energische Stimme.

      Iwan trat hervor und nahm Stellung. Vor ihm stand eine majestätische Frau, deren gebietender Blick freundlich auf ihm haften blieb. »Ein Soldat?« sagte sie lächelnd, »und ein Soldat, der liest? –«

      Sie nahm das Buch aus seiner Hand. »Französisch sogar – der Anti-Marchiavell – nun, mein Bruder Friedrich kann zufrieden sein, er ist bei Lebzeiten in das Volk gedrungen. Wie nennst Du Dich?«

      »Iwan Nahimoff.«

      Die Dame zog ein Notizbuch hervor und schrieb den Namen hinein; dann gab sie dem Soldaten das Buch zurück, lächelte und ging weiter die Allee hinab.

      Am andern Morgen, kurz vor der Ablösung, rief die Wache in das Gewehr. Iwan stand am Flügel, die Mannschaft präsentierte, die Fahne wurde zur Erde gesenkt, die Trommeln wirbelten, von vier Rappen gezogen flog eine schöne Frau im Hermelin vorbei. Iwan hatte sie sofort erkannt, es war die Dame von gestern.

      »Wer war die Frau in dem Wagen?« fragte er leise seinen Nebenmann.

      »Du kennst sie nicht?« erwiderte dieser, »wer kann es sein, als unser Mütterchen, die Zarin!«

      Iwan wurde purpurrot.

      »Warum bist Du wieder so rot im Gesicht?« rief Pauloff, indem er seinen Degen einsteckte, »das ist gegen das Reglement, es ist nicht erlaubt, daß ein Soldat im Gliede röter ist als die andern. Ich lasse Dich dafür auf vierundzwanzig Stunden krumm schließen.«

      V.

       Inhaltsverzeichnis

      Es schlug sechs Uhr abends. Die Stunde, zu der Frau von Mellin ihr großes Ziehkind, den schönen Grenadier, bei sich erwartete. Die junge reizende Frau schritt seit einer halben Stunde aufgeregt in ihrem Boudoir auf und ab, nur von Zeit zu Zeit vor dem großen Trumeauspiegel stehen bleibend, um von Neuem zu sehen, wie anmutig ihr der offene Schlafrock von weißem Mull mit den Rosabändern ließ. Noch ein halbe Stunde verstrich, Iwan kam nicht. Die Ungeduld der schönen Amazone, welche zu befehlen, alles ihrem Winke folgen zu sehen gewohnt war, wuchs von Minute zu Minute. Sie begann Klavier zu spielen. Es schlug sieben Uhr.

      Der Oberst-Kommandant sprang zornig auf und schickte in die Kaserne. »Wo bleibt er?« rief sie dem zurückkehrenden Diener entgegen.

      »Iwan Nahimoff ist im Arrest.«

      »Im Arrest – wer hat gewagt –?«

      »Der Herr Kapitän Pauloff hat ihn krummschließen lassen.«

      »Krummschließen!« seufzte der weibliche Oberst. »Nun wohl – wir werden sehen!– –«

      Als Iwan an dem nächsten Tage pünktlich zur festgesetzten Stunde erschien, fragte Frau von Mellin hastig: »Was hast Du begangen, weshalb hat Dich Dein Kapitän krummschließen lassen?«

      »Weil ich rot geworden bin.«

      »Weil Du – ah! es ist nicht zu glauben, der abscheuliche Tyrann!« rief die schöne Amazone.

      »Und bei welcher Gelegenheit bist Du rot geworden?« forschte sie weiter.

      »Als Ihre Majestät,

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