Die schönsten Heimatromane von Ludwig Ganghofer. Ludwig Ganghofer

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Die schönsten Heimatromane von Ludwig Ganghofer - Ludwig  Ganghofer

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doch alles tat sie verdrossen, wie etwas Erzwungenes. Und häufig redete sie in einem Ton, daß der Gotteslechner mahnen mußte: »So darfst du nit reden mit dem Kind! So greift man einen Besen an, aber nit ein Blüml.«

      Mit wachsender Sorge sah Greimold den Wandel, der sich im Wesen seines Kindes vollzog. Hand in Hand mit dieser Sorge ging eine Freude. In Jutta war es immer wie ein dürstender Wunsch, dem Vater ihre Liebe zu zeigen. Sie streckte die Arme nach ihm, wenn sie seinen Schritt in der Nähe hörte. Lange hielt sie ihn oft umschlungen, hielt seine rauhe, bärtige Wange an ihr Gesicht gepreßt und streichelte ihm das Haar. Und Greimold empfand solche Zärtlichkeit wie einen Trost in seinem ruhelosen Kummer.

      Niemals sprach sie von dem Jäger, auch dann nicht, wenn sie mit dem Vater allein war. Plauderte Greimold von ihm, dann schwieg sie und träumte mit großen Augen vor sich hin.

      Nur zwei Fragen waren geblieben. Die stellte sie immer wieder.

      »Vater? Stehen die Eisblumen noch allweil hoch?«

      »Sie stehen hoch.«

      »Dauert’s noch lang, bis es lenzet?«

      »Nimmer lang. Die Sonn tut bald jeden Weg wieder auf.«

      Und die andere Frage:

      »Vater? Weißt du den Ort noch, wo du sein Blüml vergraben hast?«

      »Freilich, den find ich wieder, wenn die Eisblumen schwinden!«

      Christzeit war schon vorüber. Der harte Winter wollte nicht linder werden.

      Von Juttas Wangen war alle Farbe geschwunden, ihr Gesicht war schmal geworden. Ein Zug von Sehnsucht lag um den stillen Mund, und immer schimmerten die Augen, als wäre ihnen das Weinen nahe. Sie zitterte, so oft sie im Flur einen Schritt vernahm. Das konnte Greimold nicht länger mit ansehen. Eines Morgens, um die Lichtmeßzeit, machte er sich wegfertig. Beim Hagtor band er die Schneereifen unter seine Schuhe. Der Steinhauser fragte verwundert: »Wo willst du hin?«

      »Hinunter zum Jägerhaus.«

      »Da plagst du dich umsonst. Du kommst keine hundert Gäng.«

      »Ich muß hinunter.«

      Greimold begann den Weg. Über die Wiese bis zum nahen Waldsaum hinüber brauchte er länger als eine Stunde. Der Steinhauser rief ihm nach: »Kehr um, du kommst nit durch!«

      Greimold kämpfte sich weiter. Hätte er nicht die Reifen an den Schuhen getragen, er wäre völlig im Schnee versunken.

      Im Walde sah er ein Rudel Hochwild stehen, an die dreißig Stück. Die Tiere staken bis an die Köpfe im Schnee. Angst und Lebensnot in den Augen, betrachteten sie den Menschen und ließen ihn auf wenige Schritte an sich vorüberwaten, ohne zu fliehen. Das Mitleid mit den hungernden Geschöpfen hielt den Gotteslechner fest. Er schlug mit seinem Schwert ein paar junge Espen nieder, damit das Wild die zarten Zweigspitzen äsen könnte. Diese Arbeit war bei der Mühsal seines Weges für ihn ein Rasten. Und er hatte sich kaum entfernt, da wateten die Tiere schon auf die gefällten Bäume zu.

      Greimold mühte sich weiter durch den tiefen Schnee. Seine Kräfte versagten schon, und er hatte den Hag des Hilpot noch immer nicht erreicht. Als der Wald sich lichtete, fand er eine frisch durch den Schnee gewatete Gasse. Da mußte einer mit Reifen gegangen sein. Und Heu lag über die Schneedecke gestreut. Hatte Hilpot dem Wilde Futter in den Wald getragen? Dann konnte er nicht weit sein. Mit hallender Stimme rief Greimold den Namen des Jägers. Ganz nahe klang die Antwort. Sie trafen sich, und beide sahen aus, als trügen sie weiße Kleider; bis zu den Schultern waren sie dick mit Schnee behangen. »Gotteslechner? Du?« Hilpot war so erschöpft, daß er kaum zu sprechen vermochte. »Was hast du verloren im Schnee? Das muß ein kostbar Ding sein; das du suchen gehst. Die Zeit ist hart, da bleibt ein jeder gern in der warmen Stub.«

      »Du bist doch auch unterwegs.«

      »Tät ich daheim hocken, ich müßt kein Jäger sein. Mein Wild ist in Not. Ich sorg mich drum, daß ich Tag und Nacht nimmer Ruh hab.«

      »Sorg um deine Hirschen? In mir, Hilpot, ist tiefere Sorg!

      Die treibt mich.«

      »Wohin?«

      »Zu dir.«

      Scheu betrachtete Hilpot den Gotteslechner. »Was willst du?«

      »Nach einem Jäger fragen. Ob er nit hauset bei dir? Ein junger ist’s, und Irmi heißt er.«

      »Ein Jäger, der Irmi heißt?« Kummer sprach aus dem wetterharten Gesicht des Alten. »Den suchst du umsonst unter meinem Dach.«

      »Sag mir, wo ich ihn suchen muß!«

      »Der hauset, ich weiß nit wo. Geh wieder heim! Und Gottes Gruß!« Hilpot wollte gehen.

      »Jäger, du verhehlst mir was! Dein Schweigen ist wie ein Stein auf meiner Sorg. Der Bub ist mir beigestanden in übler Not und hat mir geholfen wider die Herrenleut.«

      Hilpot nickte.

      »Haben sie ihn gebüßt?«

      Der Alte blickte in Unruh nach seinem Haus hinüber.

      »Red, Jäger! Ich bin ihm gut, und ich weiß nit, was ich tät für ihn!«

      »Tätest du alles, es möcht ihm nimmer helfen. Laß gut sein und frag nit weiter!«

      »Jäger!«

      Der Klang dieses Wortes schien dem Alten ins Herz zu reden. Er zögerte noch. Dann sagte er leis: »Gib mir die Hand, daß du schweigen willst! Ein paar Tage vor der Heiligen Nacht, da hab ich im Eisen einen Luchs gefangen. Selbigsmal hat der Schnee ein lützel getragen. So hab ich den Luchs hinuntergeliefert ins Stift. Ich hab den ganzen Tag gebraucht, hinunter und wieder heim. Ich hab’s getan, weil ich selber in Sorg gewesen bin.«

      »Um den Irmi?«

      »Um den Jäger, der Irmi heißt. Drunten hab ich meinen Buben gefragt. Da hat er mir’s zugewispert. Am letzten schönen Tag, wie auf dem Abend das Sturmwetter gekommen ist, haben sie zur Nacht Kapitel im Stift gehalten. Das hat dem Jäger gegolten, der Irmi heißt. Seit derselbigen Nacht hat ihn keiner im Kloster mehr gesehen. Das ist alles, was ich weiß. Mehr hat mir der Bub nit sagen mögen. Es ist genug. Den Jäger, der Irmi heißt, den sehen wir nimmer.«

      Greimold stand erschrocken.

      Mit schwerem Seufzer nickte Hilpot: »Mir hat er viel gegolten. Hat er mich angeschaut, so ist mir’s sonnig worden ums Herz. Das ist Sonn, die nimmer scheint.« Er hob das Gesicht. »Geh heim und schweig! Und Gottes Gruß deinem lieben Kind!« Er watete durch den Schnee davon, seinem Haus entgegen.

      Der Gotteslechner stand an einem Baum gelehnt, bis an die Brust im Schnee. Langsam fuhr er mit dem Arm über sein Gesicht. Von dem Schnee, der den Ärmel umkrustete, blieben ihm schmelzende Stücke am Bart und an den Brauen hängen. In ratlosem Kummer blickte er durch den Wald hinauf zur Höhe, auf der sein Heimwesen lag, und wieder hinunter ins weiße Tal.

      Er schüttelte den Schnee von seinem Körper. »Tu dich nit härmen, Kind! Ich lös ihn. Wenn er noch lebt, so lös ich ihn.«

      Er begann zu waten, durch den Wald ins Tal hinunter,

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