Die schönsten Heimatromane von Ludwig Ganghofer. Ludwig Ganghofer
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Читать онлайн книгу Die schönsten Heimatromane von Ludwig Ganghofer - Ludwig Ganghofer страница 147
»Recht gnädig sind sie ausgefallen!« meinte der Propst mit galligem Spott. »Da darf der Bauer von Glück sagen, daß er die Scharfen nicht zu schmecken bekam. Ja, guter Bruder, wir haben einen barmherzigen Dekan.«
Die »Gnädigen«, das waren Hiebe mit der blanken Rute, während die »Scharfen« mit der Geißel verabreicht wurden, in deren Stricke kleine Bleikugeln eingeknotet waren.
Im Korridor des Stiftes harrte der Bruder Kämmerer, um seinem Herrn die Leuchte voranzutragen.
»Rufe mir den Dekan!«
»Herr Wernher erwartet Euch.«
»Mich?« Der Propst sah verwundert auf.
»Er hat schon in Ungeduld nach Euch gefragt.«
Herr Friedrich stieg die Treppe hinauf. Plötzlich blieb er stehen, wie von Unruh erfüllt. »Bruder?« Forschend sah er in das regungslose Gesicht des jungen Mönches. »Du siehst das Gras wachsen und hörst in der Nacht die Mäuse laufen. Sag mir, was geschehen ist?«
»Ich weiß nicht, Herr!«
»Ich meine, ob dort unten etwas geschah? In der stillen Mauer?«
»Herr, ich verstehe nicht.«
In Ärger murmelte der Propst ein Wort. Vor der Tür seines Zimmers sah er Reinold, den Falkner, stehen. Er fuhr ihn zornig an: »Warum hütest du nicht meinen Falken, wie ich dir befahl?«
Reinold stotterte: »Herr Wernher hat mich aus der Stub geschickt.«
Hastig betrat Herr Friedrich das Zimmer, in dem das Kaminfeuer und die Kerzen brannten. Ohne den Gruß des Dekans zu erwidern, der sich, mit einem gefalteten Pergament in der Hand, von einem Sessel am Tisch erhob, eilte er auf seinen Falken zu. Mit Fessel und Haube saß der weiße Beizvogel wie schlummernd in seinem Ring. Herr Friedrich war beruhigt. Er blickte zu Wernher hinüber. »Daß du auf mich wartest, das ist seltene Ehre, die du deinem Herren gönnst.«
»Daß ich hier warte, das ist Geschäft.«
»So?« Der Propst überließ sich den Händen des dienenden Bruders. Der zog ihm die hohen, mit Lammfell gefütterten Stiefel von den Beinen, schälte ihn aus den kostbaren Pelzen, brachte ihm die linden Schuhe und den warmen Hausrock. Während das geschah, fragte Herr Friedrich: »Was hat der Bauer getan, dem du die Gnädigen zugesprochen?«
»Er schuldet noch den Zins vom Michelstag und hat auch die Lichtmeßsteuer nicht bezahlt. Der Zinsmeister gewährte ihm eine Frist von drei Tagen. Heute hat man den Bauer ertappt, wie er auf dem Untersberg heidnischen Unfug trieb. Er wollte den König Wute beschwören und Gold suchen.«
»Wieder solch ein armer Narr! Ist das nicht der neunte seit einem Jahr? Jeden habt ihr geprügelt bis aufs Blut. Da siehst du, was eine gnädige Rute nützt. Nein, Wernherus, mit Schlägen treibst du dem geplagten Volk die alten Mären nicht aus dem Herzen. Schaff ihm gute Zeit! Wenn du das nicht kannst, so gib ihm eine Hoffnung, an der es mit träumender Seele hängen kann. Dann wird das Volk die harte Zeit ertragen, weil es an die bessere glaubt, die kommen soll.«
»Das Volk soll an Gott und die Heiligen glauben. Seine Hoffnung soll der Himmel sein.«
»Der Himmel liegt hinter dem Tod. Geplagtes Volk will eine Hoffnung fürs Leben.«
»Wie klug Ihr seid, Herr Friedrich! Erfindet solche Hoffnung! Dann geb ich sie dem Volk.«
»Die zu finden wäre nicht schwer. Man muß nur das Alte wenden für neuen Gebrauch, aus dem Rock des Urahnen einen Kittel für den kleinen Enkel schneiden. Hat mir nicht Hans Pütrich neulich von einer alten Bäuerin erzählt, die noch immer nicht glauben kann, daß Kaiser Rotbart tot ist? Laß ihn leben für unsere Bauern! Er hat es um unser Stift verdient, daß wir ihm Ehre übers Grab hinaus erweisen. Und besser, unsere Bauern hoffen auf einen Kaiser, der ein Christ war, wenn auch ein bedenklicher, als daß sie ihr armes Hoffen an den verblaßten Spuk des alten Wotan hängen. Mein treuer Wernherus, ich halte dich für einen geschickten Mann.«
»Daß ich es bin«, erwiderte Wernherus lächelnd, »das will ich Euch noch in dieser Stunde beweisen.«
»Du machst mich neugierig. Aber im Ernst, du bist ein geschickter Mann! Zeig es an diesem Fall. Mache, was sich ansieht wie ein Wunder! Laß ein Abenteuer geschehen, dessen Kunde wie Feuer durch alle Köpfe fliegt und alle Herzen gruseln macht. Suche dir einen klugen Menschen, der gelegentlich die unterirdischen Hallen des Berges offen sieht. Das müßte an einem hohen Kirchenfest geschehen, wenn viele Menschen beisammen sind, am Ostertag oder an Pfingsten, wenn der Heilige Geist die frommen Seelen erleuchtet.« So plauderte Herr Friedrich in Spott. Wernherus war ernst geworden. Er lauschte, und den Propst unterbrechend, sagte er zu dem dienenden Bruder: »Was du hörst, soll nicht über deine Zunge kommen. Ich befehle dir Schweigen bei deinem klösterlichen Eid.«
Erheitert lachte der Propst. »Schlägt mein Gedanke schon Wurzel in deiner weitblickenden Seele? Aber du mußt dir helfen lassen vom buckligen Isengrimm. Der hat Phantasie wie alle Krüppel. Und dem Mann, der das Wunder erleben soll, muß einen schweren Kummer haben. Vielleicht konnte er die Steuer nicht bezahlen und flüchtet, gehetzt von deinem wohlwollenden Medardus, auf den Untersberg. Da begegnet ihm ein freundlicher Mönch, dem Frömmigkeit und ein gutes Herz aus den blauen Augen schauen. Solche Mönche hat es einmal gegeben. Ich hoffe, es kommt eine Zeit, in der sie wieder gedeihen. Und der gute Mönch fragt deinen Mann um seinen Kummer. Dann kann er mit dem Kreuz an den Felsen schlagen, es öffnet sich der Berg, und sie steigen hinunter in goldene Kammern, in denen Edelsteine als Mond und Sterne leuchten. An steinernem Tische sitzt der Kaiser, umgeben von tausend Fürsten und Rittern. Sein roter Bart ist um den Tisch gewachsen. Dem Kaiser gib zwei traurige Augen ins Gesicht. Der alte Wute hat nur eins, mit zweien hätte er auf Erden der bösen Dinge zu viel gesehen. Und statt des Schlapphutes gib ihm die deutsche Krone!«
»Und Tauben anstatt der Raben.«
»Nein! Seine Raben laß ihm! Die mag das Volk sich deuten nach seinem Geschmack. ›Noch immer fliegen die Raben!‹ Das bleibt im Ohr. Und weil sie noch fliegen, drum müssen die Augen des Kaisers traurig schauen. Er sieht, wie wir hausen im Land.«
Wernherus furchte die Stirn. »Das ist übler Spott.«
»Nein, du Treuer! So mußt du den Kaiser reden lassen! Wenn er redet wie deine Kapläne, glauben unsere Bauern die schöne Geschichte nicht. Laß ihn schelten auf das Kloster! Je mehr, so besser! Laß ihn reden von guter Zeit, die kommen wird, wenn er mit seinen tausend Rittern einmal hervorsteigt aus dem Berg. Dann wird er allen deutschen Christen das Glück bringen, wird alle Fronboten, Vögte, Zinsmeister und Dekane kürzer machen um einen Kopf, wird steuerfreie Lehen verteilen, wird auf dem Walserfeld seinen goldenen Friedensschild an den Birnbaum hängen und aus den Steinen der gebrochenen Klöster fromme Kirchen bauen, in denen ein Gott der Liebe wohnt!«
»Ihr redet, als wäret Ihr Eurem eigenen Märlein der erste Gläubige!«
»Ich wollte, es wäre so! Dann wäre ich auch der erste, der sich getröstet fühlt.« Herr Friedrich schlüpfte in den Hausrock, den ihm der Bruder Kämmerer hinhielt, schmiegte sich in den Sessel und streckte die Beine. »Machst du die Sache klug, so hast du den doppelten Gewinn: einen für dein frommes Gemüt, denn du hängst ein christliches Mäntelchen um ein altes Stück Heidentum – und einen als Dekan des Stiftes, denn die Bauern, wenn sie gute Zeit erhoffen, werden deine gnädige Rute und das Wohlwollen deines Zinsmeisters geduldiger ertragen.«
»Euer