Der Landdoktor Staffel 2 – Arztroman. Christine von Bergen
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Die Nähe zu der geliebten Frau hatte die Dunkelheit wieder vertrieben, die sich vor dem Abendessen auf sein Gemüt gelegt hatte. Und zwar durch eine Mail aus Düsseldorf. Ich wollte Fakten, keine Schwärmereien, hatte sein Vater ihm geschrieben. Komm sofort zurück.
Ja, er würde zurückfahren. Und auch morgen schon, aber das im eigenen Interesse. Und im Interesse von Julia. Bis jetzt hatte er jedoch noch nicht den Mut gefunden, ihr von seiner kurzfristigen Abreise zu erzählen. Eigentlich wollte er sich ja gar nicht von ihr trennen. In ihrer Gegenwart fühlte er sich lebendiger, als er es jemals für möglich gehalten hätte. Er fühlte sich eins mit den Sternen, dem Mond, den Bäumen, den duftenden Blumen und der ganzen Natur um sich herum, und er wünschte sich, ein ganzes Leben mit ihr vor sich zu haben.
»Und du?«, hörte er Julia jetzt fragen. »Bist du auch glücklich?«
Er sah sie an, nahm ihr Gesicht in beide Hände wie ein kostbares Juwel. Das, was er in ihren Märchenaugen las, brachte sein Herz zum rasen. In diesem Moment, während ihre Blicke sich berührten, gingen für ihn ringsum die Lichter an, obwohl die Nacht das Ruhweiler Tal bereits in tiefe Dunkelheit gehüllt hatte. Die Vorstellung, die kommenden Tage ohne sie verbringen zu müssen, war ihm unerträglich.
»Ich kann es gar nicht glauben«, flüsterte sie, während ihre Finger über sein Gesicht tasteten, als wollte sie sich davon überzeugen, dass er wirklich existierte. »Ich liebe dich«, sagte sie mit bebender Stimme. »Ich liebe dich so sehr, dass ich dich am liebsten gar nicht mehr gehen lassen möchte.«
»Ich komme wieder«, versprach er ihr. »Sehr bald sogar schon. Ich muss nur vorher ein paar Dinge mit meinem Vater klären.« Sie bot ihm ihre weichen Lippen zum Kuss, doch er hielt sie ein wenig auf Abstand. Jetzt war ein guter Moment, ihr zu sagen, dass er schon morgen abreisen würde.
Doch dazu sollte er nicht mehr kommen. Ein gellender Schrei zerriss die Stille um sie herum. Gleichzeitig zuckten sie zusammen.
»Oma?« Mit vor Schreck aufgerissenen Augen sah Julia ihn an.
Er sprang auf. Dabei schnitt ihm wieder der Schmerz durch den Körper, dem er jedoch keine Beachtung schenkte.
»Der Schrei kam aus dem Keller«, sagte er.
»Komm!« Julia nahm seine Hand und zog ihn ins Haus.
Der Flur war dunkel, auch auf der Treppe zum Untergeschoss brannte kein Licht. Julia schaltete die Lampen an. Die beiden blieben stehen, horchten. Ein Stöhnen drang an ihr Ohr. Es kam tatsächlich aus dem Keller zu ihnen hoch. Im Obergeschoss öffnete sich einen Tür. Oma Winter schaute über das Holzgeländer, sichtlich verschlafen.
»Ist was passiert? Ich habe jemanden schreien gehört.«
»Gott sei Dank«, murmelte Julia, als sie ihre Großmutter unversehrt dort oben stehen sah.
»Bleib oben, wir schauen nach«, rief Leon zu ihr hoch. Er legte Julia die Hand auf die Schulter. »Und du bleibst hier stehen. Ich gehe allein hinunter.«
»Kommt gar nicht infrage«, widersprach sie ihm und folgte ihm auf dem Fuß.
Nach ein paar Stufen entdeckten sie Ludger Pfeifer am Ende der Kellertreppe auf dem Boden sitzen. Leise jammernd hielt er sich das linke Handgelenk. Den Fotoapparat trug er um den Hals.
»Was machen Sie denn hier?«, fragte Leon überrascht. Und das nicht gerade im freundlichen Ton. Für ihn stand fest, dass die Pfeife hier noch zu später Stunde herumspioniert hatte. Über den möglichen Grund dafür wollte er gar nicht nachdenken.
»Ich glaube, ich habe mir die Hand gebrochen«, klagte Herr Pfeifer mit schmerzverzerrter Miene. »Und das alles nur wegen dieser maroden Treppenstufe«, sprach er zu Julias und Leons Verblüffung wutschnaubend weiter. »So was müsste verboten werden.« Er hob seine gesunde Hand und sah mit drohendem Zeigefinger zu Julia hoch. »Das wird ein Nachspiel haben, glauben Sie mir. Ihre Pension können Sie bald schließen. Die ist ja lebensgefährlich.«
Julia starrte ihn sprachlos an.
»Eines nach dem anderen«, antwortete Leon für sie in energischem Ton. »Was mit der Pension geschieht, liegt nicht in Ihrer Hand. Jetzt hören Sie mal auf, sich hier so aufzuspielen. Wenn Ihr Handgelenk gebrochen ist, müssen Sie zum Arzt.« Er warf Julia einen unsicheren Blick zu. »Dr. Brunner?«
Sie nickte.
»Wir haben Mitternacht«, gab er zu bedenken.
»Der Landarzt ist jederzeit bereit zu helfen.«
»Okay.« Er wandte sich wieder an die Pfeife. »Stehen Sie auf, wir fahren Sie zum Arzt.
»Das ist wohl das Mindeste, was ich erwarten kann«, schnappte Ludger Pfeifer zurück.
*
Dr. Brunner und seine Frau hatten diesen wunderschönen Sommerabend ebenfalls im Freien verbracht. Sie waren gerade dabei, die Terrasse aufzuräumen, als das Telefon klingelte.
Ulrike sah ihren Mann an. »Ein Notfall?«
»Ja, wahrscheinlich«, erwiderte Matthias. »Wer ruft uns sonst um diese Uhrzeit noch an.«
»Hoffentlich ist nichts mit den Kindern«, murmelte seine Frau mit angespannter Miene.
Obwohl Tochter und Sohn des Arztehepaars schon längst aus dem Haus waren, sorgte sich Ulrike immer noch um sie.
Matthias wusste das und liebte diese Eigenschaft an ihr. Als er an ihr vorbei zum Telefon ging, strich er ihr kurz mit liebevollem Lächeln über die Wange. Der Blick seiner Frau hing an seinen Lippen, als er sich meldete.
Julia Winter schilderte ihm mit wenigen Worten, was passiert war. »Können wir noch kommen?«, fragte sie dann hörbar verlegen.
»Freilich. Meine Frau und ich gehen schon einmal hinüber in die Praxis.«
Ulrike seufzte, nachdem er das Telefon wieder auf die Station gelegt hatte. »Also doch ein Notfall.«
Matthias zwinkerte ihr schelmisch zu. »Wahrscheinlich nur ein Handgelenkbruch. Also nichts Lebensgefährliches. Ist doch besser, als wenn etwas mit Dorothee oder Thorsten wäre, oder?« Dann wurde er wieder ernst. »Kannst du mir assistieren?«
Sie nickte.
Ulrike war einst Krankenschwester in der Freiburger Uniklinik gewesen, wo sich die beiden vor mehr als dreißig Jahren kennen- und lieben gelernt hatten.
»Soll ich die Nachtschwester anrufen?«, fragte sie.
Monika Hauser aus Ruhweiler sprang immer gern bei Nachdiensten ein, um sich ein bisschen Geld dazuzuverdienen, während ihr Mann auf den kleinen Sohn aufpasste.
»Warten wir erst einmal ab«, meinte der Landarzt. »Wenn der Patient keine Gehirnerschütterung hat, muss er nicht hierbleiben.«
Lump, der Jagdhund des Arztehepaars, öffnete nur sein rechtes Auge, als sein Herrchen und Frauchen das alte Schwarzwaldhaus verließen. Um diese Uhrzeit hätte ihn nur die Aussicht auf einen Rundgang im Revier mit all dessen vielversprechenden Gerüchen und Spuren aus dem Schlaf locken können.
*