Der Landdoktor Staffel 2 – Arztroman. Christine von Bergen
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Читать онлайн книгу Der Landdoktor Staffel 2 – Arztroman - Christine von Bergen страница 17
»Kannten die beiden sich?«, fragte ihre Freundin.
Sie schüttelte den Kopf. »Leon mochte Herrn Pfeifer nicht.«
»Kannten Sie sich?«, wiederholte Vera mit eindringlichem Blick.
»Ich habe zumindest nichts davon bemerkt.«
Vera schwieg. Julia fasste sich ein Herz und las noch einmal den Computerausdruck. Dann noch einmal und noch einmal. Dabei hielt sie sich den Kopf.
Unfertige Gedanken jagten einander. Vielfältige Gefühle ballten sich in ihrem Innern zusammen. In all dem Chaos schälten sich zwei Fragen heraus: Sollte Leon ihre Pension testen und hatte er nur mit ihr gespielt?
Sie glaubte, sich in einem bösen Traum zu befinden. Ihr wurde heiß und kalt. Mehrmals schüttelte sie den Kopf, öffnete den Mund, um etwas zu sagen, doch es kam nur ein heiseres Krächzen heraus. Mit allem hätte sie gerechnet, aber nicht damit. Leon zog ihr durch seinen Betrug, durch seine Hinterhältigkeit den Boden unter den Füßen weg.
Vera griff nach ihrer Hand und streichelte sie. »Erinnerst du dich noch daran, dass Leon gesagt hat, ich hätte ihm eure Pension empfohlen? Niemand hat sie ihm empfohlen. Er hatte einen konkreten Auftrag, sich hier einzumieten.«
Ja, sie erinnerte sich. Als sie ihn auf Vera angesprochen hatte, war er ihr ausgewichen, hatte plötzlich nicht mehr gewusst, wer ihm die Empfehlung gegeben hatte. Da hätte sie doch schon misstrauisch werden müssen. Trotzdem. Konnte nicht doch alles nur ein kompliziertes Missverständnis sein?
»Aber warum hat er mir hier geholfen?«, fragte sie mit einer Stimme, die ihre aufsteigenden Tränen ankündigte. »Er hat Sachen repariert, zeigte sich über das dreiste Verhalten von Ludger Pfeifer empört, seine Schwärmereien, wie schön es hier wäre, seine Gefühle mir gegenüber? War das denn alles nur gespielt?«
Ihre Freundin blieb stumm, strich ihr nur immer wieder über die Hand.
»Ich will ihm ja nicht Unrecht tun, aber …« Sie zeigte auf den Internetausdruck. »Gibt dieser Text dir nicht die Antworten? Warum ist er heute in aller Früh abgereist? Warum hat er dich nicht geweckt und sich von dir verabschiedet? Wahrscheinlich hat ihn sein schlechtes Gewissen eingeholt.«
Ja, so konnte es sein, musste Julia ihrer Freundin recht geben.
Erinnerungen stürzten auf sie ein, Erinnerungen an Leons so zärtliche Hände auf ihrem Gesicht, sein Lächeln, seinen Atem auf ihren Lippen, der Ausdruck von Liebe in seinen Augen …
»Ach, Julia, so sind die Männer«, sagte Vera in nachdenklichem Ton, während ihr Blick sich nach innen richtete. »Für einen Flirt zu gebrauchen, aber wenn man mehr möchte, wird es schon schwierig. Ich traue keinem männlichen Wesen mehr.«
Aber ich, hätte Julia ihr am liebsten widersprochen, doch ihr fehlte die Kraft. Außerdem, hatte sie nicht gerade erfahren, das sie dem Falschen vertraut hatte?
»Fassen wir einmal zusammen«, fuhr Vera energischer fort. »Die Aktion, eure Pension einigen Reiseveranstaltern anzubieten, war eine blöde Idee von uns. Wir hatten einen viel zu engen Gesichtswinkel. Du und ich finden es hier wunderschön. Wir fühlen uns hier zu Hause. Mit einem liebenden Auge werden Mängel schnell zu Stärken. Und das ist uns passiert. Wir müssen jetzt sachlich überlegen, wie es mit dir und deiner Oma finanziell weitergehen soll. Die Geschichte mit Leon Schubert kannst du zu den Akten legen. Der wird sich nicht mehr bei dir melden. Widme dich lieber deiner Zukunft, als diesem Typen nachzutrauern.«
*
»Vielleicht ist alles nur ein Zufall«, sagte Oma Winter. Dabei klang sie jedoch nicht sehr überzeugt. »Leon hat auf der Rückreise aus Italien hier Halt gemacht, und sein Vater hat uns Herrn Pfeifer ins Haus geschickt. Ich kann einfach nicht glauben, dass die beiden gemeinsame Sache gemacht haben sollen.«
Julia zog das große Tuch enger um ihre Schultern. Obwohl die Abendsonne noch ihre warmen Strahlen hinunter auf die Pension Winter warf, fror sie.
»Ich weiß nicht mehr, was ich glauben soll«, sagte sie leise. »Mein Kopf ist wie eine Achterbahn.«
»Ruf Leon an«, sagte Hilde in festem Ton. »Jetzt, sofort. Du hast doch bestimmt seine Handynummer.«
»Sie steht auf seinem Anmeldeformular.« Sie reckte ihr Kinn. »Aber genau das werde ich nicht tun. Er muss sich melden.«
»Kind, jetzt sei doch nicht so stur«, begehrte ihre Großmutter auf. »Du strafst dich mit deinem Starrsinn nur selbst. Ein Ende mit Schrecken ist besser als …«
»Ich kenne das Sprichwort, Oma«, unterbrach Julia sie. »Aber das Ende ist bereits da. Fest steht, dass Leon mich hintergangen hat. Ich habe ihm doch bei unserem Ausflug erzählt, dass ich mich mit Reiseveranstaltern in Verbindung gesetzt habe. Und auch, mit welchen. Spätestens da hätte er mir doch erzählen müssen, dass sein Vater der Eigentümer von Brandt und Söhne ist. Was aber hat er getan? Geschwiegen. Und warum? Der Grund, dass er bei uns spionieren sollte, liegt doch nur allzu nahe.«
Hilde seufzte. »Das ganze Spekulieren bringt nichts. Wenn du Leon fragen würdest …«
Wieder unterbrach Julia sie.
»Ich tu es aber nicht«, machte sie der Unterhaltung kurz und knapp ein Ende, stand auf und ging hinüber zum Stall. Es war Zeit, die Kühe zu melken. Auf halbem Weg jedoch blieb sie noch einmal stehen und drehte sich um. Viel weicher als vorher sagte sie: »Oma, du hast dich nie in mein Leben eingemischt. Bitte, lass es jetzt auch sein. Leon hat meine Handynummer nicht. Falls du also auf dem Display unseres Telefons die Vorwahl von Düsseldorf erkennst, gehe bitte nicht an den Apparat. Ich brauche erst einmal Abstand.«
»Und wie lautet die?«
»Ich schreibe sie dir auf.«
Hilde strich sich mit beiden Händen die Schürze glatt. Sie wirkte müde.
»Ich gehe doch sowieso nur ans Telefon, wenn du nicht da bist«, antwortete sie.
»Den Fall meine auch.«
Die Blicke der beiden Frauen maßen sich auf die Entfernung hinweg. Schließlich nickte Oma Winter. »Wenn du meinst.«
Mit dieser Antwort drehte sie sich um und verschwand im Haus.
*
»Alles halb so schlimm«, sagte Gideon Schubert zu seinem Sohn. »Mama hat mal wieder zu viel Angst gehabt. Du siehst ja, heute in der Früh haben mir die Ärzte einen Stent gesetzt, jetzt bin ich schon wieder munter und morgen kann ich schon wieder nach Hause gehen.«
Gideon war ein Mann, dessen Körperfülle und Gesicht deutlich davon Zeugnis ablegten, dass er gern aß und trank. Der kurze weiße Vollbart, die Furchen in dem stets sportlich gebräunten Gesicht unterstrichen die bärbeißige Art, mit der er seiner Umwelt begegnete. Doch an diesem frühen Abend wunderte sich Leon, wie sanftmütig sich sein Vater gab.
»Es muss ja weitergehen«, fuhr Gideon ernst fort. »In anderer Gangart, und die in jeder Hinsicht. Der Infarkt hat mir gezeigt, dass das Leben zu kurz ist, um sich zu streiten. Und deshalb, mein Sohn …« Er legte seine Pranke auf Leons Hand. »Deshalb wollen wir beide endlich Frieden schließen. Ich vergesse deine beruflichen Eskapaden. Ja, ich habe sogar eine gewisse Hochachtung dafür, dass du dich in Italien allein