Dr. Norden Staffel 2 – Arztroman. Patricia Vandenberg
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Dr. Norden Staffel 2 – Arztroman - Patricia Vandenberg страница 13
»Ich wünsche dir auch einen wunderschönen guten Morgen«, grinste Paul unbeeindruckt und nahm einen tiefen Zug aus seinem Glas. »Gehe ich recht in der Annahme, dass du heute nicht zur Schule gehst?«, fragte er dann und setzte sich auf einen der beiden Stühle am Küchentisch.
»Nein, ich hab vor dem Abi aufgehört.«
Paul durchbohrte Olivia mit Blicken.
»Wenn deine Mutter das wüsste …« Unwillig schüttelte er den Kopf mit den kurz geschorenen Haaren, in denen silberne Fäden schimmerten. »Willst du damit also sagen, dass du nichts tust? Keine Schule, keine Arbeit, nichts?«
»Du doch offenbar auch nicht.« Olivia war wild entschlossen, sich nichts gefallen zu lassen. »Bekanntlich gesellt sich Gleich und Gleich ja gern.« Ihr angewiderter Blick ruhte auf dem Inhalt seines Glases. »Was trinkst du da überhaupt?«
»Orangensaft mit Rotwein. Frühstück für starke Männer.«
»Eher für Versager!«, schnaubte sie. Wenn sie nur unfreundlich genug war, würde er vielleicht einsehen, dass seine Zeit in diesem Haus abgelaufen war.
Doch Olivia hatte die Rechnung ohne den Wirt gemacht. Paul knallte das Glas auf den Tisch, dass das orangefarbene Gemisch überschwappte. Sein unrasiertes Gesicht verfärbte sich krebsrot, und er sprang auf und kam drohend auf sie zu.
»Jetzt hab ich langsam genug von deinen Frechheiten, Fräulein«, schimpfte er und schüttelte drohend die Faust vor ihrem Gesicht. »Ob’s dir passt oder nicht, ich bin der Älteste hier im Haus und kann ja wohl etwas Respekt erwarten.«
In der Zwischenzeit hatte sich Olivia von ihrem Schrecken erholt.
»Respekt wofür denn?«, fragte sie abfällig. »Ich bin immerhin auf Jobsuche. Und du? Was bist du außer ein gnadenloser Versager?«
Nicht mehr viel und es wäre um Pauls Beherrschung geschehen gewesen. Am ganzen Körper zitternd stand er vor Olivia und schrie: »Ich bin Oberstudienrat! Hast du das gehört? Ein Oberstudienrat. Ich hab in meinem Leben immerhin schon was geleistet. Aber du hast ja noch nicht mal Abitur. Leiste du erst mal deinen Beitrag! Dann können wir weiterreden.« Einen Moment lang dachte Olivia, er würde zuschlagen. Doch dann wandte sich Paul plötzlich ab, lief aus der Küche und polterte die Treppe hinauf.
Auch Olivia war aufgewühlt wie lange nicht. Ihre Hände bebten, als sie sich wieder nach ihrem Putzeimer bückte. Sie fischte den Putzlappen aus dem Wasser und machte mit ihrer Arbeit weiter. Ein paar Minuten später hörte sie, wie die Haustür krachend ins Schloss fiel. Zum ersten Mal war sie allein in ihrem Haus und atmete erleichtert auf.
*
An diesem Vormittag arbeitete Tatjana wie eine Besessene. Obwohl sie auch sonst nicht langsam war, waren die Gäste in Frau Bärwalds kleinem Café nie schneller bedient worden. Die Kundschaft der Bäckerei wurde prompt bedient, und wenn es nichts zu tun gab, lehnte Tatjana nicht wie sonst am Tresen und trank Kaffee mit ihrer Chefin, sondern putzte hektisch die Scheiben der Auslage, bis sie glänzten und strahlten wie nie zuvor.
Eine ganze Weile beobachtete Hannelore Bärwald die Aktivitäten ihrer zuverlässigen Aushilfskraft mit wachsender Skepsis. Dann traf sie eine Entscheidung.
»Aber was machen Sie denn, Frau Bärwald?«, fragte Tatjana irritiert, als ihre Chefin kurz entschlossen den Schlüssel herumdrehte und das ›Bin gleich wieder da‹-Schild ins Fenster hängte.
»Ich sperre zu.«
»Aber warum denn?«
Hannelore Bärwald drehte sich zu Tatjana um und lächelte sie an.
»Weil du mir jetzt erzählst, was mit dir los ist«, verlangte sie und zog Tatjana mit sich an einen der Tische. Dort drückte sie sie auf einen Stuhl, ging zurück zur Kaffeemaschine und kehrte schließlich mit einem Tablett mit Kuchen und Kaffee an den Tisch zurück. »Also, was ist passiert?«, verlangte sie zu erfahren.
Hilflos saß die Studentin vor ihrem Teller und knetete die schmalen Hände im Schoß. Frau Bärwald genoss den ganzen Respekt ihrer jungen Mitarbeiterin. Schließlich war sie es gewesen, die der damals noch blinden Tatjana all ihr Vertrauen geschenkt und ihr den Job im Café gegeben hatte. Seither verband die beiden Frauen trotz aller Unterschiede eine innige Freundschaft.
»Ich war heute Morgen in der Klinik und wollte Danny besuchen«, begann Tatjana schließlich stockend zu erzählen. »Wenn ich gewusst hätte, dass er schon um diese Uhrzeit Besuch hat, hätte ich es gelassen. So aber hab ich blöderweise ein Gespräch zwischen ihm und der jungen Frau mitbekommen, die ihm die Hand in der Motorhaube eingeklemmt hat.«
»Na, so ganz unfreiwillig kann das ja nicht gewesen sein«, sagte Frau Bärwald ihr schmunzelnd auf den Kopf zu. »Ich meine, dass du das Gespräch mit angehört hast.«
»Stimmt schon. Ich hätte wieder gehen können«, räumte Tatjana zerknirscht ein. »Aber irgendwie ging es nicht. Ich war wie paralysiert«, gestand sie kleinlaut. »Dieses Mädchen interessiert sich für Medizin, und Danny hat versucht, sie zu überreden, das Abitur nachzumachen und Medizin zu studieren.«
»Er ist selbst Arzt und weiß vermutlich, wie interessant dieser Beruf ist.« Hannelore Bärwald verstand Tatjanas Bedenken nicht. »Was ist daran verkehrt?«
»Ach, ich weiß auch nicht.« Um ihren nervösen Händen etwas zu tun zu geben, griff Tatjana nach dem kleinen Löffel, der neben ihrer Tasse lag. Sie gab Zucker in den Kaffee und rührte gedankenverloren um. »Es ist nur so ein vager Eindruck …, ein Gedanke, der mir schon öfter in den Sinn gekommen ist …«, versuchte sie, das einzufangen, was sie bewegte. »Was, wenn ich Danny nicht genüge? Immerhin teile ich seine Leidenschaft für Medizin nicht und kann mich über dieses Thema kaum mit ihm unterhalten.«
»Na und?« Ungerührt zuckte Frau Bärwald mit den Schultern. »Er interessiert sich ja auch nicht für Orientalistik, oder?«
»Das ist was anderes«, wiedersprach Tatjana und wusste gleichzeitig, dass das Unsinn war.
Hannelore Bärwald griff nach ihrer Gabel und stach ein Stück vom Bienenstich ab. Sie schob es in den Mund und schloss genüsslich die Augen, als die süße Buttercreme auf ihrer Zunge schmolz.
»Es geht um etwas anderes, nicht wahr?«, setzte sie das Gespräch dann fort. Sie war eine einfache Frau und hatte vielleicht gerade deshalb einen klaren Blick auf die Dinge.
Verwundert legte Tatjana den kleinen Löffel zur Seite und dachte nach.
»Es geht vielleicht auch darum, dass ich Angst habe, Danny eines Tages nicht mehr zu genügen«, räumte sie endlich leise ein. Dieser Gedanke bekümmerte sie so sehr, dass er ihr sogar den Appetit auf Süßes verdarb. »Eines Tages wird er sich nach einer Frau sehnen, die ihm mehr bieten kann als ich.«
»Hat er schon jemals was in der Richtung gesagt?«, hakte Frau Bärwald irritiert nach.
»Das nicht. Aber ich spüre es.« Das hatte Tatjana an diesem Morgen in der Tat getan. Sie hatte sich vorgestellt, wie Danny mit der jungen Olivia lernte, wie er neben ihr saß und ihr die Anatomie einer menschlichen Hand erklärte, den Aufbau und die Lage der inneren Organe. Sie hatte die beiden vor sich gesehen, wie sie fachsimpelten und sich über einen medizinischen Scherz amüsierten, den Tatjana nicht verstand. Diese Angst war nicht unbegründet, waren doch Fee und Daniel Norden das beste Beispiel dafür, wie sehr