Dr. Norden Staffel 2 – Arztroman. Patricia Vandenberg
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»Für ihn ist es eben auch nicht leicht, seit Mama und Papa nicht mehr da sind«, nahm sie ihren viele Jahre jüngeren Bruder in Schutz. »Marco versteht das nicht. Die beiden kommen immer weniger miteinander klar.«
Daniel Norden, der dieses Problem verstand, aber im Augenblick keine Lösung dafür parat hatte, konzentrierte sich auf den medizinischen Aspekt.
»Dieses Spannungsfeld erzeugt natürlich schon Stress. Das Studium und die Arbeit mit dem großen Haus tun wahrscheinlich ein Übriges.«
»Hast du dem Doc schon von dem entzündeten Nagelbett erzählt?«, erkundigte sich Marco von seinem Platz am Fußende der Liege.
Unwillig verzog Teresa das Gesicht.
»Das ist doch nicht der Rede wert«, winkte sie ab.
Doch Dr. Norden sah die Sache anders.
»Darf ich mal sehen?«, bat er, und zähneknirschend setzte sich Teresa auf und schlüpfte aus dem Clog.
»Du liebe Zeit, der ist ja ganz schwarz«, entfuhr es ihm, und Teresa lachte trotz ihrer Beschwerden auf.
»Keine Angst, das ist nur Zugsalbe. Die hab ich in einem Schrank gefunden und dachte, das kann nicht schaden.«
»Hmmm, das sieht ziemlich schmerzhaft aus«, stellte Daniel fest und betrachtete den angeschwollenen großen Zeh. Behutsam nahm er den Fuß in die Hand. »Seit wann …«
»Aua!« Schon bei der kleinsten Berührung stöhnte Teresa auf.
»So schlimm?« Daniel runzelte die Stirn. »Ein Wunder, dass Sie überhaupt einen Schuh anziehen können.«
»Ehrlich gesagt komme ich nur in diese Clogs rein.«
»Und mir hast du gesagt, sie sind so bequem«, bemerkte Marco tadelnd.
»Na ja, stimmt ja irgendwie auch.« Teresa lächelte peinlich berührt. Normalerweise gehörte Lügen nicht zu ihren Angewohnheiten. »Ich wollte einfach nicht, dass du dir noch mehr Sorgen machst als sowieso schon«, lächelte sie ihren Freund um Verzeihung bittend an.
Inzwischen hatte Daniel Norden Gelegenheit gehabt, sich über die weitere Vorgehensweise Gedanken zu machen.
»Ich weiß zwar nicht, ob und wie Ihre Kreislaufschwäche mit der Entzündung zusammenhängt. Auf jeden Fall würde ich aber zu einem Klinikaufenthalt raten. Die Wunde am Fuß muss revidiert und dem Grund für den instabilen Kreislauf nachgegangen werden«, traf er eine Entscheidung, die Teresa sichtlich erschreckte.
»In die Klinik?«, fragte sie tonlos.
»Ein Kreislaufzusammenbruch kann immer einen ernsten Hintergrund haben«, erklärte Daniel und ging zum Telefon.
»Aber ich kann nicht in die Klinik. Was soll denn dann aus Anian werden? Er kann unmöglich allein zu Hause bleiben.«
»Wenn es sich nur um ein paar Tage handelt, kann ich ja sehen, dass ich kurzfristig Urlaub bekomme«, machte Marco sofort einen Vorschlag.
Daniel lächelte ihm dankbar zu. Auch wenn er es sich nicht anmerken ließ, machte ihm Teresas Zustand große Sorgen. Abgesehen von der Infektion war sie viel zu dünn und musste dringend aufgepäppelt werden. Sonst würde sie die Belastungen nicht mehr lange aushalten.
»Sehen Sie, es findet sich für alles eine Lösung«, erklärte der Arzt und hob den Hörer. »Und wenn alle Stricke reißen, kommt Ihr Bruder eben für eine Weile zu uns. In unserem Taubenschlag ist immer jemand da, der sich um Anian kümmern kann.« Und ihm nebenbei ein paar Flausen auszutreiben!, ging es ihm durch den Sinn, bevor er die Nummer der Behnisch-Klinik wählte und einen Wagen für Teresa Berger bestellte.
*
»Ah, da bist du ja wieder!«, begrüßte Paul seine Mitbewohnerin, als Olivia die Tür aufsperrte und mit entschlossenen Schritten an ihm vorbei in die Küche marschierte. »Ich hab schon auf dich gewartet. Es wird höchste Zeit für den Unterricht.«
»Geht nicht. Ich hab was zu tun«, erklärte Olivia resolut und stellte die Tüten und Taschen mit den Einkäufen auf dem Tisch ab. »Mach dich lieber mal nützlich, und räum den Kühlschrank ein«, befahl sie noch, als sie die Küche verließ und in ihr Zimmer ging.
»Hey, bin ich dein Angestellter, oder was?«
»Auf jeden Fall nicht mein Erziehungsberechtigter«, gab Olivia unfreundlich zurück und warf die Tür hinter sich ins Schloss.
Ohne Umwege ging sie auf das Bett ihrer Mutter zu und setzte sich davor auf den Boden. Sie hob den Überwurf und zog die Schachtel hervor, die sie völlig vergessen hatte. Ihre Hände zitterten, und ihr Atem ging schnell, als sie den Deckel abnahm. Wie Daniel Norden vermutet hatte, fanden sich unter Fototaschen und Briefen ein Stapel Tagebücher.
Eine Weile starrte Olivia darauf und haderte mit sich. Wollte sie wirklich wissen, was in diesen Büchern stand? Und was, wenn ihre Hoffnungen enttäuscht wurden?
Während sich Olivia in ihrem Zimmer verbarrikadierte, stand Paul ratlos in der Küche und sah die Tüten und Taschen an. Während er darüber nachdachte, was das Mädchen wohl in diesem Augenblick machte, räumte er gedankenverloren die Lebensmittel ein, die sie eingekauft hatte. Er war so versunken in seine Arbeit, dass er nicht hörte, wie das Telefon klingelte.
»Geht mal jemand an das verdammte Telefon!« Erst Olivias tränenerstickte, wütende Stimme riss ihn in die Wirklichkeit zurück. Am liebsten wäre er sofort zu ihr gegangen. Da ihre Stimme aber nichts Gutes verhieß, ging er lieber an den Apparat.
»Ja, bitte …, ja …, am Apparat … Wirklich? Ist das Ihr Ernst? Kommende Woche gleich?« Paul zögerte, als er in den Augenwinkeln einen Schatten bemerkte. Er wandte den Kopf und sah Olivia. Ihre Augen waren gerötet von Tränen. Und sie starrte ihn unverwandt an. »Ja, natürlich kann ich«, erklärte er mechanisch in den Hörer. »Ich werde pünktlich sein. Sie können sich auf mich verlassen.« Ohne Olivia aus den Augen zu lassen, legte Paul auf. Sie starrte unverwandt zurück, sagte aber kein Wort. »Das war die Schule«, fühlte Paul sich auf unerklärliche Art und Weise zu einer Erklärung verpflichtet. »Ein Lehrer ist überraschend ausgefallen, für länger. Ich kann nächste Woche anfangen.« Verlegen rieb er sich die Nase. »Hab zugesagt. Wegen dir, ich muss ja schließlich ein Vorbild sein.« Pauls Lächeln war schief.
»Warum hast du überhaupt aufgehört?«, fragte Olivia, ohne mit der Wimper zu zucken. Sie lächelte nicht zurück, und Paul seufzte.
»Das ist eine lange, sehr traurige Geschichte. Ich glaub kaum, dass dich das interessiert.«
»Das sollte sie aber wahrscheinlich.« Olivia schluckte, und Paul sah, wie sie mit der Beherrschung kämpfte. Das Buch in ihrer Hand zitterte wie ein Blatt im Wind.
»Ich versteh nicht …, ich meine …«, stammelte er hilflos. Dieses Mädchen machte ihn noch verrückt. Sie nahm ihm alle Souveränität, ließ ihn dastehen wie einen Idioten.
»Na ja, man hat sich doch für seine Familie zu interessieren, oder?«, gab sie ihm aber keine Gelegenheit, den Satz zu beenden. »Zumindest ist es das, was ich von meiner Großmutter gelernt und was ich von meiner Mutter erwartet habe.«
Paul verstand immer