Gesammelte Werke von Dostojewski. Федор Достоевский
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Ich konnte mich nicht enthalten zu lächeln.
»Sie lachen«, sagte er, ebenfalls lächelnd. »Nein, hören Sie«, fügte er mit unbegreiflicher Naivität hinzu, »beurteilen Sie mich nicht nach dem äußeren Schein; ich besitze wirklich eine außerordentlich gute Beobachtungsgabe; nun, Sie werden ja selbst sehen. Warum sollte ich nicht den Versuch machen? Vielleicht kommt etwas Hübsches dabei heraus … Übrigens, Sie mögen recht haben: ich verstehe ja nichts vom wirklichen Leben; Natascha sagt mir das auch; und das sagen mir alle Leute; was werde ich da als Schriftsteller leisten? Lachen Sie mich aus, lachen Sie mich aus, aber verhelfen Sie mir zur Besserung; Sie werden das ja auch für sie tun, und Sie lieben sie ja. Ich will Ihnen die Wahrheit sagen: ich bin ihrer nicht wert; das fühle ich; das bedrückt mich sehr, und ich weiß nicht, weswegen sie mich so liebgewonnen hat. Aber ich glaube, ich könnte mein ganzes Leben für sie hingeben! Wirklich, ich habe bis auf diesen Augenblick keine Furcht gehabt, aber jetzt habe ich Furcht: was beginnen wir da! O Gott! Wenn ein Mensch sich mit Leib und Seele seiner Pflicht hingibt, ist es dann möglich, daß es ihm unglücklicherweise gerade an der zur Erfüllung dieser seiner Pflicht erforderlichen Klugheit und Charakterfestigkeit mangelt? Helfen wenigstens Sie uns, Sie, unser Freund! Sie sind der einzige Freund, der uns geblieben ist. Ich verstehe ja nichts, wenn ich auf mich allein angewiesen bin! Verzeihen Sie, daß ich in dieser Weise auf Sie rechne; ich halte Sie für einen sehr vornehm denkenden Menschen und glaube, daß Sie weit besser sind als ich. Aber ich werde mich bessern, davon mögen Sie überzeugt sein, und werde Ihrer und Nataschas würdig werden.«
Hier drückte er mir wieder die Hand, und aus seinen schönen Augen leuchtete ein gutes, edles Gefühl. Vertrauensvoll streckte er mir die Hand hin, in der Überzeugung, daß ich sein Freund sei.
»Sie wird mir helfen, mich zu bessern«, fuhr er fort. »Denken Sie übrigens von uns nichts Schlechtes, und ängstigen Sie sich um uns nicht allzusehr! Ich habe doch viele gute Aussichten, und in materieller Hinsicht werden wir völlig gesichert sein. Wenn es mir mit dem Roman nicht gelingen sollte (und um die Wahrheit zu gestehen, ich habe schon vorhin gedacht, daß der Roman eine Dummheit ist, und habe Ihnen jetzt davon nur erzählt, um Ihre Meinung zu hören), wenn es mir mit dem Roman nicht gelingen sollte, so kann ich schlimmstenfalls Musikstunden geben. Sie haben wohl nicht gewußt, daß ich musikalisch bin? Ich werde mich nicht schämen, auch von solcher Arbeit zu leben. Ich bin in diesem Punkt durchaus ein Anhänger der neuen Ideen. Und außerdem besitze ich eine Menge wertvoller Schmucksachen und Toilettengegenstände; was habe ich von denen? Ich werde sie verkaufen, und Sie sollen mal sehen, wie lange wir von dem Erlös leben werden! Schließlich, im allerschlimmsten Fall, werde ich vielleicht wirklich in den Staatsdienst treten. Darüber wird sich mein Vater sogar freuen: er drängt mich immer, ein Amt zu übernehmen, und ich habe mich bisher immer mit Kränklichkeit ausgeredet. (Übrigens werde ich in irgendeinem Ressort bereits in den Listen geführt.) Aber wenn er sehen wird, daß die Heirat mir Vorteil gebracht und mich zu einem gesetzten Menschen gemacht hat und daß ich tatsächlich in den Dienst getreten bin, wird er sich freuen und mir verzeihen …«
»Aber, Alexej Petrowitsch, haben Sie auch wohl bedacht, wie schrecklich sich jetzt das Verhältnis zwischen Ihrem und Nataschas Vater gestalten wird? Was meinen Sie, wie es heute abend in Nataschas Elternhaus zugehen wird?«
Ich wies dabei auf Natascha hin, die bei meinen Worten leichenblaß geworden war. Ich war erbarmungslos.
»Ja, ja, Sie haben recht; es ist schrecklich!« antwortete er. »Ich habe schon daran gedacht, und das Herz hat mir weh getan … Aber was soll ich tun? Sie haben recht: wenn doch wenigstens ihre Eltern uns verziehen! Wenn Sie wüßten, wie ich sie beide liebe! Haben sie mich doch ganz so behandelt, als ob sie meine Eltern wären, und nun vergelte ich es ihnen so! Ach, diese Streitigkeiten, diese Prozesse! Sie glauben gar nicht, wie unangenehm uns das jetzt ist! Und um was streiten sie sich! Wir alle lieben einander ja so sehr, und doch streiten wir uns! Sie sollten sich versöhnen; dann wäre die Sache erledigt! Wirklich, so würde ich an ihrer Stelle handeln … Ihre Worte haben mir einen ordentlichen Schreck eingejagt. Natascha, es ist etwas Schreckliches, was wir beide jetzt vorhaben! Ich habe das auch schon früher gesagt … Du bestehst selbst darauf … Aber hören Sie, Iwan Petrowitsch, vielleicht kann das alles zum Guten führen; was meinen Sie? Endlich müssen sie sich ja doch versöhnen! Wir werden die Versöhnung herbeiführen. So wird es sein, unfehlbar; sie werden gegen unsere Liebe nicht standhalten … Mögen sie uns verfluchen; wir werden doch fortfahren, sie zu lieben, und sie werden nicht standhalten können. Sie glauben gar nicht, was für ein gutes Herz mein Vater manchmal hat! Er sieht ja oft so finster aus; aber zu anderen Zeiten ist er wieder außerordentlich nett. Wenn Sie wüßten, wie freundlich er heute zu mir gesprochen und mich zu überreden gesucht hat! Und gerade heute handle ich seinem Willen zuwider; das macht mich sehr traurig. Und alles wegen dieser abgeschmackten vorgefaßten Meinungen! Es ist der reine Wahnsinn! Wenn er sie nur einmal ordentlich sähe und auch nur eine halbe Stunde mit ihr zusammen wäre! Dann würde er uns sofort alles erlauben.«
Bei diesen Worten blickte Aljoscha zärtlich und leidenschaftlich Natascha an.
»Tausendmal habe ich es mir mit Entzücken vorgestellt«, fuhr er in seinem Geplauder fort, »wie lieb er sie gewinnen wird, wenn er sie kennenlernt, und wie sie alle in Erstaunen versetzen wird. Es hat ja keiner von ihnen jemals ein solches Mädchen gesehen! Mein Vater ist der Überzeugung, daß sie einfach eine Intrigantin ist. Es ist meine Pflicht, ihre Ehre wiederherzustellen, und das werde ich tun! Ach, Natascha! Alle werden sie dich lieben, alle; es gibt keinen Menschen, der es fertigbringen könnte, dich nicht zu lieben«, fügte er entzückt hinzu. »Ich bin deiner zwar unwert, aber liebe mich trotzdem, Natascha; dann werde ich schon… du kennst mich ja! Und brauchen wir denn viel zu unserm Glück? Nein, ich glaube, ich glaube fest, daß dieser Abend uns allen Glück und Frieden und Eintracht bringen wird! Gesegnet sei dieser Abend! Nicht wahr, Natascha? Aber was ist dir? Mein Gott, was ist dir?«
Sie war leichenblaß. Die ganze Zeit über, während Aljoscha schwatzte, hatte sie ihn unverwandt angesehen; aber ihr Blick war immer trüber und starrer geworden, ihr Gesicht immer blasser und blasser. Es kam mir vor, als ob sie zuletzt gar nichts mehr vernähme, sondern sich in einem Zustand der Geistesabwesenheit befände. Aljoschas Ausruf schien sie plötzlich aufzuwecken. Sie kam zur Besinnung, blickte um sich und stürzte plötzlich auf mich zu. Schnell und hastig, und wie wenn sie es vor Aljoscha verbergen wollte, zog sie einen Brief aus der Tasche und reichte ihn mir. Der Brief war an ihre Eltern gerichtet und schon am vorhergehenden Abend geschrieben. Während sie ihn mir gab, blickte sie mich starr an, als ob sie ihren Blick nicht von mir losreißen könne. In diesem Blicke sprach sich die vollste Verzweiflung aus; ich werde diesen furchtbaren Blick nie vergessen. Eine namenlose Angst packte mich; ich sah, daß ihr erst jetzt die Tragweite ihres Schrittes in seiner ganzen Furchtbarkeit zum Bewußtsein kam. Sie machte Anstrengungen, mir etwas zu sagen, und begann auch wirklich zu reden, fiel aber auf einmal in Ohnmacht. Ich konnte sie noch auffangen. Aljoscha wurde blaß vor Schrecken; er rieb ihr die Schläfen, küßte ihr die Hände und den Mund. Nach etwa zwei Minuten kam sie wieder zu sich. Nicht