Gesammelte Werke von Dostojewski. Федор Достоевский

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Gesammelte Werke von Dostojewski - Федор Достоевский

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lautete, starb aber einmal beinahe vor Angst, als Natascha erkrankt war; ja, sie war nahe daran, selbst zu ihr hinzugehen. Aber das war ein ganz besonderer Fall gewesen. Anfänglich mochte sie nicht einmal mir gegenüber den Wunsch nach einem Wiedersehen mit der Tochter aussprechen, und am Ende unserer Gespräche, wenn sie alles aus mir herausgefragt hatte, hielt sie es fast immer für notwendig, sich mir gegenüber zu verhärten und sich mit aller Bestimmtheit dahin auszusprechen, sie interessiere sich zwar für das Schicksal ihrer Tochter, aber Natascha habe sich doch so vergangen, daß Verzeihung ein Ding der Unmöglichkeit sei. Aber das war alles nur Verstellung. Es kam vor, daß Anna Andrejewna in meiner Gegenwart sich nach ihrer Tochter fast totsehnte, weinte, ihr die zärtlichsten Namen gab, sich bitter über Nikolai Sergejewitsch beklagte und in seiner Gegenwart, wiewohl nur mit der größten Vorsicht, Andeutungen folgender Art machte: die Menschen seien gar zu stolz und hartherzig; wir verständen nicht, eine Beleidigung zu verzeihen, und denen, die selbst nicht verziehen, werde auch Gott nicht verzeihen. Aber deutlicher sprach sie sich ihm gegenüber nicht aus. In solchen Fällen machte der Alte sofort ein strenges, finsteres Gesicht und schwieg mürrisch, oder aber er begann auf einmal, meist in recht ungeschickter Weise, sehr laut von etwas anderem zu reden, oder endlich er ging auf sein Zimmer, ließ uns allein und gab so seiner Frau die Möglichkeit, mir ihren Kummer rückhaltlos in Tränen und Klagen auszuschütten. Ganz ebenso pflegte er bei meinen Besuchen, sowie er mich begrüßt hatte, alsbald auf sein Zimmer zu gehen, damit ich Zeit hätte, seiner Frau die letzten Neuigkeiten über Natascha mitzuteilen. So machte er es auch jetzt.

      »Ich bin ganz durchnäßt«, sagte er zu ihr, gleich nachdem er ins Zimmer getreten war; »ich werde erst einmal auf mein Zimmer gehen, und du, Wanja, bleib hier! Er hat etwas Merkwürdiges mit seiner Wohnung erlebt. Erzähle es ihr; ich komme gleich wieder.«

      Und er ging eilig hinaus, wobei er es sogar vermied, uns anzusehen, wie wenn er sich darüber schämte, daß er selbst uns allein zusammen ließ. In solchen Fällen, und besonders wenn er zu uns zurückkehrte, war er immer sehr finster und mürrisch, sowohl mir als auch seiner Frau gegenüber, ja sogar händelsüchtig; es machte den Eindruck, als ärgere er sich über seine eigene Weichheit und Nachgiebigkeit.

      »Ja, so ist er nun«, sagte die alte Frau, die in der letzten Zeit im Verkehr mit mir alle Zurückhaltung und Verstellung aufgegeben hatte; »so benimmt er sich immer gegen mich, und dabei weiß er, daß wir seine List alle durchschauen. Wozu sucht er mir etwas vorzumachen? Bin ich ihm denn eine Fremde? Und so benimmt er sich auch, was die Tochter angeht. Er könnte ihr ja verzeihen; vielleicht wünscht er es sogar; Gott mag’s wissen. Er weint nachts; das habe ich selbst gehört! Aber nach außen hin spielt er den Unerbittlichen. Der Stolz betört ihn. Lieber Iwan Petrowitsch, erzähle mir schnell: wo ist er gewesen?«

      »Nikolai Sergejewitsch? Ich weiß es nicht; ich wollte Sie danach fragen.«

      »Ich habe mich halbtot geängstigt, als er wegging. Er ist ja krank, und nun bei solchem Wetter, und wo die Nacht vor der Tür steht! »Na«, dachte ich, »gewiß hat er etwas Wichtiges vor; und was gibt es für uns Wichtigeres als die bewußte Angelegenheit?« So dachte ich bei mir, wagte aber nicht, ihn zu fragen. Ich wage ihn ja jetzt überhaupt nach nichts zu fragen. Herrgott, was habe ich mich geängstigt um ihn und um sie! »Nun«, dachte ich, »er wird zu ihr gegangen sein; ob er sich wohl entschlossen hat, ihr zu verzeihen?« Er hat ja alles in Erfahrung gebracht; auch die neuesten Nachrichten von ihr kennt er alle; ich glaube bestimmt, daß er sie weiß; aber woher er diese Kenntnis hat, das kann ich nicht erraten. Gestern hat er sich schrecklich gegrämt und heute auch. Aber warum schweigst du denn? Erzähle mir, lieber Freund, was da noch weiter vorgefallen ist! Ich habe auf dich gewartet wie auf einen Engel Gottes; fortwährend habe ich durchs Fenster gesehen. Nun also, verläßt der Bösewicht Natascha?«

      Ich erzählte ihr sogleich alles, was ich selbst wußte. Ich war gegen sie immer vollständig offenherzig. Ich teilte ihr mit, daß es zwischen Natascha und Aljoscha in der Tat zum Bruch zu kommen scheine, und daß dies ernster sei als ihre früheren Mißhelligkeiten; daß Natascha mir gestern ein Briefchen geschickt habe, in dem sie mich bitte, heute abend um neun Uhr zu ihr zu kommen und daß ich daher auch gar nicht vorgehabt hätte, heute bei ihnen vorzusprechen; Nikolai Sergejewitsch selbst habe mich hergebracht. Ich setzte ihr eingehend auseinander, daß die Lage jetzt kritisch geworden sei; daß Aljoschas Vater, der vor vierzehn Tagen von einer Reise zurückgekehrt sei, von nichts hören wolle und gegen seinen Sohn mit aller Strenge verfahre und daß, was das Wichtigste sei, Aljoscha anscheinend selbst dem für ihn in Aussicht genommenen Mädchen nicht abgeneigt sei und dem Vernehmen nach sich sogar in sie verliebt habe. Ich fügte noch hinzu, daß Nataschas Brief, soweit man darüber etwas vermuten könne, in großer Aufregung geschrieben sei; sie schreibe, heute abend werde sich alles entscheiden; aber was eigentlich, das sage sie nicht; sonderbar sei auch, daß sie vom gestrigen Tage schreibe, aber mich auffordere, heute zu kommen, und eine bestimmte Stunde, neun Uhr, bezeichnet habe. Deshalb müsse ich unbedingt hingehen, und zwar so bald wie möglich.

      »Geh hin, geh hin, lieber Freund, geh unbedingt hin!« sagte die alte Frau eifrig. »Sobald mein Mann wieder hereinkommt, trink eine Tasse Tee mit uns!… Ach, der Samowar ist ja noch nicht gebracht! Matrjona! Wo bleibt denn der Samowar! Bist du eine nachlässige Person! … Na, wenn du also ein Täßchen Tee getrunken hast, dann erfinde einen anständig aussehenden Vorwand und geh weg! Morgen aber komm unter allen Umständen zu mir und erzähle mir alles! Und komm nur ja recht früh! O Gott, wenn nur da kein Unglück vorgefallen ist! Man weiß freilich nicht, was noch schlimmer sein könnte, als wie es jetzt schon ist! Nikolai Sergejewitsch hat offenbar schon alles erfahren; das sagt mir mein Herz. Ich für meine Person erfahre ja vieles durch Matrjona, und die durch Agascha; Agascha aber ist ein Patenkind von Marja Wassiljewna, die bei dem Fürsten im Haus wohnt… na, das weißt du ja alles selbst. Heute war mein Nikolai furchtbar zornig. Ich wollte von diesem und jenem zu reden anfangen, aber er fuhr mich ordentlich an. Nachher tat es ihm leid, und er sagte, wir hätten so wenig Geld; er wollte den Anschein erwecken, als habe er mich des Geldes wegen so angefahren. Na, du weißt ja, in welcher Lage wir uns befinden. Nach dem Mittagessen ging er auf sein Zimmer, als wenn er schlafen wollte. Ich blickte durch eine Ritze zu ihm hinein (es ist da so eine Ritze in der Tür, er weiß nichts davon); da lag mein lieber Mann vor dem Heiligenschrein auf den Knien und betete. Als ich das sah, wäre ich fast umgesunken. Ohne geschlafen und ohne Tee getrunken zu haben, nahm er seinen Hut und ging weg. Zwischen vier und fünf ging er. Ich wagte nicht, ihn zu fragen; er hätte mich doch nur angefahren. Er fährt einen jetzt überhaupt häufig an, am meisten Matrjona, aber auch mich; und wenn er mich anfährt, knicken mir immer gleich die Beine ein, und das Herz wird mir schwach. Es ist ja bei ihm nur äußerlich; ich weiß, daß es nur äußerlich ist; aber es ist doch schrecklich. Als er weggegangen war, habe ich eine ganze Stunde lang gebetet, Gott möge ihm gute Gedanken eingeben. – Wo ist denn ihr Brief? Zeig ihn doch her!«

      Ich zeigte ihn ihr. Ich wußte, daß Anna Andrejewna einen heißen Wunsch hatte: Aljoscha, den sie bald einen Bösewicht, bald einen gefühllosen, dummen Jungen nannte, möchte endlich Natascha heiraten, und sein Vater, Fürst Pjotr Alexandrowitsch, möchte es ihm erlauben. Sie hatte diesen Wunsch sogar vor meinen Ohren unversehens ausgesprochen, es aber später bereut und ihre Wort geleugnet. Aber um keinen Preis hätte sie gewagt, ihre Hoffnungen in Nikolai Sergejewitschs Gegenwart auszusprechen, obgleich sie wußte, daß der Alte diese ihre Hoffnungen mutmaßte und ihr sogar mehrmals in versteckter Weise deswegen Vorwürfe gemacht hatte. Ich glaube, er hätte Natascha unwiderruflich verflucht und sie für immer aus seinem Herzen gerissen, wenn er erfahren hätte, daß eine solche Ehe möglich sei.

      So dachten wir damals alle. Er ersehnte die Rückkehr seiner Tochter von ganzem Herzen; aber sie sollte allein kommen, als eine Reuige, die alle Erinnerungen an ihren Aljoscha aus ihrem Herzen gerissen hatte. Das war die unerläßliche Bedingung der Verzeihung; er sprach diese Bedingung zwar nicht aus, aber wenn man ihn ansah, so erkannte man das in zweifelloser Weise. »Er ist charakterlos, ein charakterloser Knabe, charakterlos und hartherzig; das habe ich immer gesagt«, begann Anna Andrejewna wieder. »Und sie haben auch nicht verstanden, ihn zu erziehen; da ist er denn ein solcher windiger Patron geworden; zum Dank für soviel Liebe läßt

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