Gesammelte Werke. Джек Лондон
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»Was war denn nur?«
»Der Stuart ist aufgebrochen. Sein Eis schiebt sich unter die Yukon-Eisdecke. Wir haben es deutlich scheuern hören.«
»Es war skreckerlick!« gestand der Baron. »Aber skreckerlicker noch, dass wir nicht könne retten diese unglücklike Mensch! Le misérable!«
»Sobald wir etwas gegessen haben, versuchen wir es mit den Hunden«, erklärte Welse. »Mach schnell, Frona!«
Aber die Hunde versagten. Sie wählten die Leithunde als die klügsten aus, bepackten sie mit Proviant und schickten sie auf den Fluss hinaus. Jedes Mal, wenn sie umzukehren versuchten, wurden sie mit Erdklumpen und Flüchen wieder aufs Eis getrieben. Aber sie verstanden gar nicht, was man von ihnen verlangte. Sobald sie außer Reichweite waren, blieben sie stehen, hoben die nassen, kalten Pfoten und heulten kläglich. Zuletzt fingen sie an, einer des anderen Proviantlast aufzureißen und leer zu fressen. Da gab man den Versuch auf und rief sie zurück.
Von Stunde zu Stunde wuchs das Getöse. Während der Nacht wurde es ein ununterbrochenes Donnern; gegen Morgen ließ es nach. Der Fluss war um zwei Meter gestiegen. An vielen Stellen stand das Wasser auf dem Eise. Es knurrte und krachte unaufhörlich; in allen Richtungen bildeten sich Risse. Als es heller wurde, hielten sie nach dem Mann am anderen Ufer Ausschau. Er regte sich nicht. Aber als sie ihre Gewehre abschossen, winkte er schwach.
»Es ist nichts zu machen, ehe das Eis aufbricht«, erklärte Welse. »Dann müssen wir es mit dem Boot versuchen. St. Vincent, holen Sie sich Ihre Decken und schlafen Sie heute Nacht hier. Wir müssen zu dreien paddeln, Sie und ich … ich denke, dass wir den alten Phillip noch dazukriegen können.«
*
»Steht auf, die Vöglein zwitschern schon! Die Sonne scheint! Wacht auf!«
Es war erst drei Uhr morgens und noch tiefdunkle Nacht, als Del Bishop mit gurgelndem Bass diesen Ruf ausstieß. Frona fuhr aus dem Schlafsack, steckte ihre bloßen Füße in die Mokassins und warf sich einen Rock über. Im selben Augenblick hatte auch schon ihr Vater, der auf der anderen Seite eines Vorhanges schlief, die Zeltzipfel zurückgeschlagen und war hinausgetaumelt.
Der Strom war aufgebrochen! Seine Flut scheuerte gegen den höchsten Rand des Ufers. Er war mächtig im Steigen, und von Minute zu Minute konnte er die Insel überfluten. Manchmal schleuderte er gewaltige Eisschollen ins Land hinein. Als das erste Tageslicht matt erwachte, sah man auf hundertfünfzig Schritt Abstand sein weißes Feld mit dem grauen Himmel verschmelzen, das Plätschern seiner Wellen mischte sich mit dem Scheuern der gesprengten Eismassen. Del Bishop war weitergelaufen, um die Leute auf »Split-up-Island« zu wecken.
»Holen Sie den Phillip«, befahl Jacob Welse. »Er soll sich bereit halten, in spätestens einer Stunde brechen wir auf!« Dann wandte er sich an Frona: »Es wäre Zeit, dass St. Vincent über den Kanal kommt. Wir nehmen das Kanu vom Baron. Es ist das beste.«
Der Baron, barfüßig und vor Kälte zitternd, sagte: »Sie wollen mit meine Bott fahren? Warum mich nicht mitnemme? Man braucht dann keine Vincent!«
»Weil Sie nicht paddeln können!« antwortete Welse. »Zum Üben ist das heute kein Tag.«
»Jedenfalls hätten Sie Zeit, sich die Mokassins anzuziehen«, ergänzte Frona. »Sonst retten wir den Burschen da drüben vorm Verhungern, und inzwischen gehen Sie uns am Schnupfen ein.«
»Serr schade, dass mich nicht nemmen! Das bisken Rudern ich ätte schonn gelernt.« Damit sprang er auf eine große Eisscholle, die geräuschlos vorbeiglitt.
»Zum Teufel! Sind Sie wahnsinnig geworden?« rief Welse und streckte die Hand nach ihm aus, aber er war schon abgetrieben.
Die Bewegung im Eise wurde immer stärker, das scheuernde Geräusch immer lauter und drohender. Gewandt wie ein Zirkusreiter und kaltblütig wie ein Hurone, ließ sich der Franzose am Ufer entlang wirbeln. Seine Eisscholle bockte und bäumte sich wie ein störrisches Pferd. Er hielt sich etwa dreißig Meter weit, dann kam er mit einem eleganten Sprung wieder ans Ufer. Lachend kam er zurück, aber sein Reiterstück trug ihm nur ein paar auserwählte Namen aus dem allermännlichsten Teil von Jacob Welses Wortschatz ein.
»Warum Sie nenne mich ein zehnmal vernageltes Nass-Orn?« fragte er beleidigt.
»Darum!« antwortete Welse und wies zornig auf den schimmernd dahingleitenden Strom. Dort hatte gerade eine große Scholle sich mit dem vorderen Ende in das Flussbett hineingejagt, und nun richtete sie sich senkrecht empor. Rings um sie kräuselte sich treibendes Eis wie Papier, dann kippte die festgeratene Scholle plötzlich hoch, bohrte sich mit dem Schwanzstück in den Grund und reckte die schmutzige Schnauze in die Luft. Weiter abwärts prallte sie auf die treibende Masse, zerschellte zu tausend Trümmern, und losgerissene Eisstücke flogen wie aus einer Explosion bis zu den Füßen der Menschengruppe.
»Sie abbe rekt!« Tiefe Andacht vor diesem ungeheuren Schauspiel lag in der Stimme des Barons.
Die ganze Fläche des ungeheuren Stromes bog und bäumte sich jetzt, als seien riesige Minen auf seinem Grunde zur Entladung gekommen. Es war wie ein Kampf zwischen den Eisbergen und Eisklötzen, ein Kampf, in dem jedes Partikel Natur gegen das andere wütete, und jedes organische Wesen, das in dieses Gewühl geriet, musste verloren sein.
Je höher der Tag stieg, umso majestätischer wurde das Bild. Frona war hingerissen:
»Ich hätte nie geahnt, dass es auf Erden so etwas Herrliches gibt!«
St. Vincent war noch immer nicht eingetroffen.
»Jetzt fällt der Fluss!« verkündete Welse eine gute Stunde später. Die Eisschicht war gefallen, sie lag jetzt zwei Meter tief unter dem Hang, und Baron Courbertin zeichnete die Stelle mit seinem Stock an. Nun war es auch hell genug, um wieder mit dem Feldstecher das ferne Dickicht abzusuchen. Dort lag der Verwundete, der sicher verloren war, wenn nicht heute noch Rettung kam.
»Er liegt noch da, aber er bewegt sich nicht mehr.«
Zwei Stunden später