Gesammelte Werke. Джек Лондон
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Sie zeigte ihm ihr liebenswürdigstes Lächeln, aber dann fragte sie rasch:
»Ist das vornehm, wie man uns behandelt? Sagen Sie selbst, als Gegner, muss man uns nicht Zeit lassen, die Verteidigung vorzubereiten? Ich weiß doch nichts von der Sache, als was Ihre beiden Zeugen vorgebracht haben. Als gerechter und vornehmer Gegner, Herr Brown, finden Sie nicht, man müsste die Verhandlung bis morgen aussetzen? Wollen Sie Ihr Plädoyer gegen einen Mann führen, der keine Gelegenheit hatte, sich so zu verteidigen, wie es jedes Gesetz verlangt?«
Er sah auf die Uhr und sagte nachdenklich: »Das ist keine schlechte Idee. Außerdem ist es schon fünf Uhr, wir müssen alle an unser Nachtessen denken.«
Wie sie ihm dankte! So kann, ohne ein Wort zu sprechen, nur eine Frau danken. Er sah ihr in die Augen und fühlte sich mehr belohnt als durch viele Worte. Dann trat er auf seinen Platz zurück und wandte sich an die Versammlung:
»Nach Beratung zwischen Ankläger und Verteidiger, in Anbetracht der vorgerückten Zeit, angesichts der Tatsache, dass die Verhandlung heute zu keinem gerechten Abschluss mehr gebracht werden kann, beantrage ich die Vertagung auf morgen Vormittag.«
»Dem Antrag wird stattgegeben«, erklärte der Vorsitzende, als kein Protest sich erhob. Dann stieg er von seinem Richterstuhl herab und machte sich eilig daran, das Feuer zu schüren und Kessel zuzusetzen. Er war ein Bewohner dieser Hütte und hatte an diesem Tag Küchendienst.
*
»Ich kann dir nichts erklären, Frona«, sagte Vincent, als sie jetzt unter vier Augen waren. »Ich fühle, dass mein Verstand stillsteht. Du musst mir einfach glauben, dass ich unschuldig bin. Schwöre mir, Frona, dass du mir glaubst!« In ihrem Gesicht flammte das Blut auf.
»Du bist ein Mann und musst dich wehren! Was nützt es dir, wenn ich an deine Unschuld glaube? Du musst mir Waffen geben, um dich zu verteidigen! Vor allem musst du dich selbst verteidigen! Nicht einen Schritt darfst du freigeben ohne Kampf!«
»Mit mir ist es aus, Frona!«
»Nichts ist aus, solange man kämpft! Erzähle mir alles.«
»Sie hat gelogen, Frona. Diese Unglückliche, diese Bella, sie hat gelogen! Vielleicht ist sie wahnsinnig gewesen. Aber wie konnte sie mich beschuldigen! Ich habe doch für sie und Borg gekämpft – und wie ich gekämpft hab’! Nein, sie war wahnsinnig.«
»Fang beim Anfang an, Vincent! Ruf dir alles ins Gedächtnis zurück. Jeden Schritt muss ich wissen. Da … ich hol’ dir Wasser … dreh dir eine Zigarette, komm, Lieber, das wird dir guttun. Dass deine Lippen nicht mehr so beben! Jetzt brauchst du alle Kraft. Nimm dich zusammen.«
Er setzte sich zurück und rauchte. Fronas machtvollem Zuspruch war es wirklich gelungen, seine Gedanken wieder in klarere Bahnen zu bringen.
»Es muss gegen ein Uhr nachts gewesen sein. Ich schlief. Auf einmal bin ich aufgewacht. Jemand hat die Lampe angezündet. Ich dachte, dass es Borg wäre. Das geht mich nichts an, dachte ich, und wollte wieder einschlafen. Auf einmal waren zwei fremde Männer in der Hütte. Beide trugen Masken. Sie hatten die Ohrenklappen heruntergezogen. Ich konnte nichts sehen als ihre Augen. Da ist eine Gefahr, dachte ich. Das war alles, was ich im ersten Augenblick dachte. Eine Sekunde lang blieb ich ganz still liegen und überlegte. Borg hatte sich meine Pistole geliehen, ich hatte keine Waffe. Mein Gewehr stand an der Tür. Ich muss zu meinem Gewehr, das war mir klar. Ganz leise setze ich den Fuß auf den Boden, aber da dreht der eine Mann sich zu mir um und knallt seinen Revolver ab. Das war der erste Schuss, weißt du, der, den La Flitche nicht gehört hat. Dann ging der Kampf los, dabei wurde die Tür aufgerissen, und so kam es, dass er die drei letzten Schüsse gehört hat. Der Mann stand mir ganz nah; ich bin so plötzlich aus der Koje herausgesprungen, so unerwartet, dass sein Schuss fehlging. Dann haben wir uns gepackt, dann wälzten wir uns auf der Erde. Plötzlich war Borg dabei, aber der andere Mann griff ihn und Bella an. Dieser andere Mann, der war es, der sie beide ermordet hat. Mein Gegner hatte mit mir genug zu tun, und ich … ich … Himmel, war das ein Kampf! Du hast gehört, was der eine Zeuge gesagt hat, wie die Hütte zerstört war. Wir haben uns gewälzt und miteinander getobt, bis der Tisch und die Stühle und alles zerschlagen war. Ach, Frona, es war schrecklich. Dieser Borg hat sein Leben auch nicht billig verkauft, und Bella hat ihm tapfer geholfen. Sie war gleich verwundet und hat laut gestöhnt. Aber ich konnte ihnen nicht beistehen. Der Kerl, mit dem ich zu tun hatte, war nicht so leicht unterzukriegen. Aber endlich war ich doch der Stärkere. Ich hatte ihn auf den Rücken gekriegt, mit meinen Knien lag ich fest auf seinen Armen und hatte die Hand an seiner Kehle, fest, fest genug! Aber da war der andere Mann mit seiner Arbeit fertig geworden, und jetzt fiel er auch über mich her. Was soll ich tun? Einer gegen zwei! Und ich war doch ganz am Ende, keinen Wind mehr in der Lunge, ganz am Ende … Sie schmetterten mich in eine Ecke, dass mir der Schädel dröhnte, und dann sind sie entkommen. Ein paar Minuten habe ich gebraucht, bis ich wieder zu mir kam. Ich war so von Sinnen, dass ich ihnen dann nachgerannt bin, ohne Waffe, wie ein Selbstmörder. Dass ich selbst in Verdacht kommen könnte, daran habe ich ja gar nicht gedacht. Aber ich wollte diese Verbrecher nicht entfliehen lassen. Sie sollten ihre Strafe finden. Dabei bin ich auf La Flitche und John gestoßen, und dann … dann weißt du ja alles. Nur das!« stieß er heraus, halb brüllend, halb schluchzend, und dabei schlug er sich mit der Faust vor die Stirn – »nur das begreife ich nicht, und das werde ich nie begreifen: warum Bella mich angeklagt hat! Mich! Mich!!«
Er sah sie flehend an, sie rang die Hände. Es war ihr, als tastete sie mit verbundenen Augen durch eine Wildnis.
»Denk nach, Gregory! Denk nach! Es muss dir noch etwas einfallen. Das sind ja alles keine Beweise. Ich glaube dir’s, aber sie glauben dir nicht …«
»Frona, ich bin doch unschuldig! Ich bin kein Heiliger gewesen, mein Leben lang. Oft bin ich kein guter Mensch gewesen, das weiß ich. Ein Sünder! Ein Sünder! … Aber schau dir diese Hände an: glaubst du, dass diese Hände mit Blut befleckt sind? Frona, du kannst doch nicht denken, dass ich ein Mörder bin.«
»Das Blut auf deinem Ärmel spricht gegen dich.«
»Bedenk doch, die ganze Hütte hat von Blut gedampft! Ich sage dir, von Blut gedampft! Ich habe um mein Leben gekämpft. Wir haben uns durch die ganze Hütte durchgewälzt, aus einer Ecke in die andere, aus einer Blutlache in die andere! Wenn du mir auf mein heiliges Ehrenwort nicht glauben kannst …«
»Gregory, wenn ich es wäre,