Philosophische und theologische Schriften. Nicolaus Cusanus

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Philosophische und theologische Schriften - Nicolaus Cusanus страница 23

Philosophische und theologische Schriften - Nicolaus Cusanus Kleine philosophische Reihe

Скачать книгу

der absoluten Notwendigkeit, aus der es ist, und der Zufälligkeit, ohne die es nicht ist, zugleich denkt, ihr Sein begreifen? Scheint es nicht, als ob das Geschöpfliche, das weder Gott noch auch Nichts ist, gleichsam nach Gott und vor dem Nichts ist, zwischen Gott und dem Nichts, wie ein Philosoph sagt: Gott ist der Gegensatz des Nichts durch Vermittlung des Seins (Deus est oppositio nihil mediatione entis); und doch kann das Geschöpfliche nicht aus dem Sein und Nichtsein zusammengesetzt sein. Es scheint also weder zu sein, weil es aus dem Sein herabsteigt, noch auch nicht zu sein, weil es vor dem Nichts ist, und nicht aus jenen beiden zusammengesetzt. Unser Verstand, der über Gegensätze nicht hinauskommt, er mag diese getrennt oder verbunden auffassen (divisive aut compositive), erfaßt das Sein des Geschöpflichen nicht, obwohl er weiß, daß dessen Sein nur aus dem Sein des Größten stamme. Das Sein des Geschöpflichen ist demnach nicht zu begreifen, da das Sein, aus dem es ist, nicht zu begreifen ist, sowie auch das Dasein des Akzidens nicht zu begreifen ist, wenn die Substanz, an der es ist, nicht begriffen wird. Weil aber das Geschöpfliche durch das Sein des Größten erschaffen ist und in dem Größten Sein, Machen und Erschaffen identisch sind, so scheint das Erschaffen nichts anderes zu sein, als daß Gott alles ist. (Quoniam vero creatura per esse maximi creata est, in maximo vero idem est esse, facere et creare, tunc non aliud videtur esse creare, quam Deum omnia esse.) Ist aber Gott alles und heißt dieses Erschaffen, wie läßt sich denken, daß das Geschöpfliche nicht ewig ist, da das Sein Gottes ewig, ja die Ewigkeit selbst ist? Es mußte im Sein selbst in der Ewigkeit sein, und konnte auch nicht vor der Zeit sein, weil es vor der Zeit kein Vorher gab; und so war es denn immer, seit es sein konnte (et ita semper facit, quando esse potuit). Sodann wer kann es begreifen, daß Gott das bildende Prinzip des Seins (essendi formam) ist, und doch sich nicht mit dem geschöpflichen Sein vermischt (nec tamen immisceri creaturae)? Denn es kann nicht aus der unendlichen Linie und der endlichen krummen ein Zusammengesetztes entstehen, das ohne Verhältnisbestimmung (absque proportione) nicht denkbar ist. Daß aber zwischen Unendlichem und Endlichem kein Verhältnis besteht, bestreitet niemand. Wie kann also der Verstand es begreifen, daß das Sein der krummen Linie aus der unendlich geraden stamme, wenn doch diese jene nicht bildet als ihr bildendes Prinzip, sondern als ihre Ursache und Grund (quae tamen ipsam non informat ut forma, sed ut causa et ratio)? An diesem ihrem Grunde kann sie nicht so partizipieren, daß sie einen Teil davon ausmacht (non potest participare partem capiendo), da derselbe unendlich und unteilbar ist, also nicht wie die Materie an der Form partizipiert, oder Sokrates und Plato an der Menschheit oder die Teile am Ganzen, die Teile des Universums am Universum oder mehrere Spiegel an derselben Gestalt, die sie abspiegeln, da das Sein der Kreatur nicht vor dem Dasein derselben41 ist; denn sie ist wie ein Spiegel; nun ist aber der Spiegel da, ehe er das Bild eines Gegenstandes in sich aufnimmt. Wer will es also begreifen, wie ein unendliches Bildungsprinzip (forma) von verschiedenen Geschöpfen verschieden partizipiert wird, da doch das Sein des Geschöpflichen nur der Widerschein ist, der nicht in einem andern positiv aufgefaßt wird, sondern zufälligerweise ein verschiedener ist (cum creaturae esse non possit aliud esse, quam ipsa resplendentia, non in aliquo alio positive recepta, sed contingenter diversa)? Gleichwie ein vollendetes Kunstwerk, das ganz von der Idee des Künstlers abhängig ist, kein anderes Sein hat, als das der Abhängigkeit von dem, aus dem es das Sein hat, und durch dessen Einfluß es erhalten wird, oder wie eine Gestalt, die in einem Spiegel sich abspiegelt, der vorher und nachher an sich und in sich nichts ist. Ebensowenig läßt es sich begreifen, wie Gott durch sichtbare Geschöpfe uns offenbar werden kann, denn es ist da nicht wie bei unserem Geiste. Wenn dieser zu denken anfängt, so nimmt er, der zuerst formlos (informis) ist, aus gewissen Anschauungen ein Bild einer Farbe, eines Tones u. dgl. in das Gedächtnis auf, nachher nimmt er wieder ein anderes Bild von andern Zeichen, Stimmen oder Buchstaben in sich auf und versenkt sich in sie (se aliis insinuat). Anders ist es bei Gott; denn obwohl Gott zur Offenbarung seiner Güte (vom religiösen Standpunkte betrachtet – ut pii volunt) oder weil er die größte absolute Notwendigkeit ist, die Welt erschaffen hat, auf daß sie ihm gehorche oder damit Wesen da sind, die seine Befehle annehmen und ihn fürchten, die er einst richte u. dgl., so ist doch klar, daß er keine andere Form annehmen kann, da er die Form aller Formen ist, noch auch in positiven Zeichen erscheinen kann, da diese Zeichen als solche notwendig wieder andere Zeichen zu ihrer Vermittlung und so ins Unendliche fort erforderten. Wer wollte es begreifen, daß alles ein Abbild des einen unendlichen Bildungsprinzips sei, und die Verschiedenheit nur zufällig (ex contingenti) habe, gleichsam als wäre das geschöpfliche Sein Gott aus Zufall, wie man das Akzidens Substanz aus Zufall, das Weib Mann aus Zufall nennen könnte (quasi creatura sit Deus occasionatus, sicut accidens substantia occasionata, et mulier vir occasionatus), weil das unendliche Prinzip nur endlich rezipiert ist, so daß das ganze geschöpfliche Sein gleichsam eine endliche Unendlichkeit oder ein geschaffener Gott ist, auf daß es so auf die bestmögliche Weise existiere (ut omnis creatura sit quasi infinitas finita aut Deus creatus, ut sit eo modo, quo hoc melius esse possit); als wenn der Schöpfer gesagt hätte: Es werde! Und weil Gott, der die Ewigkeit selbst ist, nicht werden konnte, so ist geworden, was Gott am ähnlichsten werden konnte. Eine Folgerung aus dem Bisherigen ist, daß jedes Geschöpf als solches vollkommen ist, wenn es auch im Verhältnisse zu einem andern weniger vollkommen zu sein scheint; denn der gütige Gott teilt das Sein allen in der Weise mit, in der es aufgefaßt werden kann. Da Gott ohne Verschiedenheit und Mißgunst das Sein mitteilt, und es in der Art aufgenommen wird, daß es anders nicht aufgenommen werden könnte, so ruht jedes erschaffene Sein in der Vollkommenheit, die es auf das Reichlichste (liberaliter) von dem göttlichen Sein erhalten hat, und begehrt kein anderes Geschöpf zu sein, als wäre es dann vollkommener, sondern hat eine Vorliebe (praediligens) zu dem Sein, das es von dem Größten hat, als zu einem göttlichen Geschenk, das es unzerstörlich zu erhalten und zu vervollkommnen sucht.

      DRITTES KAPITEL

      Das Größte ist auf eine uns unbegreifliche Weise42 der Inbegriff und die Entfaltung des Alls

      Nichts läßt sich über die unerforschliche Wahrheit, von der im ersten Buche die Rede war, aussagen oder denken, was nicht in der ersten Wahrheit enthalten ist. Denn was mit dem, was dort von der ersten Wahrheit gesagt wurde, übereinstimmt, ist wahr, was nicht übereinstimmt, falsch. Nun aber ist dort gezeigt, es gebe nur ein Größtes von allen Größen. Das Größte ist, das keinen Gegensatz hat, wo auch das Kleinste das Größte ist. Die unendliche Einheit ist also der Inbegriff (complicatio) von allem. Das nennt man Einheit, was alles einet, nicht nur wie die Einheit der Zahl, sondern des Alls. Wie man in der Zahl als der Entfaltung der Einheit nichts als die Einheit findet, so findet sich in allem, was ist, nur das Größte wieder. In der Quantität ist die Einheit der Punkt; daher finden wir in der Linie, Oberfläche und dem Körper nichts als den Punkt. Und es ist nicht mehr als ein Punkt, der der Inbegriff alles Quantums ist. So ist die Ruhe der einheitliche Inbegriff der Bewegung, die, genau betrachtet, nichts anderes ist, als die Reihenfolge der Ruhe (motus est quies seriatim ordinata). Die Bewegung ist mithin die Entfaltung der Ruhe. Das Jetzt oder die Gegenwart ist der Inbegriff der Zeit. Die Vergangenheit war Gegenwart, die Zukunft wird Gegenwart sein. Die Zeit ist daher die aneinander gereihte Gegenwart. Es gibt also nur eine Gegenwart, als der Inbegriff aller Zeiten, und diese Gegenwart ist die Einheit selbst. So ist die Identität der Inbegriff der Verschiedenheit, die Gleichheit der der Ungleichheit. Gott ist demnach der Inbegriff von allem, in dem Sinne, daß alles in ihm ist; er ist die Entfaltung von allem, sofern er in allem ist (Deus ergo est omnia complicans, in hoc, quod omnia in eo, est omnia explicans, in hoc, quia ipse in omnibus). Und wie aus unserm Geiste dadurch, daß wir vieles einzelne als einem Gemeinsamen zugehörig erkennen, die Zahl entsteht, so entsteht die Vielheit der Dinge aus dem göttlichen Geiste, in dem das Viele ohne Vielheit ist, weil in der zusammenfassenden Einheit; deshalb nämlich, weil die Dinge an der Gleichheit des Seins nicht auf gleiche Weise partizipieren können, hat Gott in der Ewigkeit das eine so, das andere anders gedacht, woraus die Vielheit, die in ihm Einheit, entstanden ist. Die Art und Weise dieses Insichfassens und Entfaltens geht über unsern Verstand. Wer sollte es begreifen, daß aus dem göttlichen Geiste die Vielheit der Dinge entsteht, da das Denken Gottes sein Sein und dieses die unendliche Einheit ist? Ziehst du die Vergleichung mit der Zahl, dem Vielfachen der Einheit herbei, so scheint Gott gleichsam in den Dingen vervielfältigt, da sein Denken

Скачать книгу