Tod einer Bikerin. Klaus Heimann
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Tod einer Bikerin - Klaus Heimann страница 11
»Tag, Sigi. Zeitung gelesen?«
Ertappt. Möhrchen konnte ich natürlich nichts vormachen. Die kleine Rote übertraf manchmal sogar Lotte darin, in meinen Gedanken zu lesen.
»Guten Tag, meine Beste. Wo steckt denn der Herr Gemahl?«
»Mein Göttergatte ist beim Chef. Unter anderem genau wegen diesem Zeitungsbericht.«
»Armer Kerl. Er tut mir echt leid.«
»Leidtun darf er einem wirklich. Bist du deshalb hier, um ihm das zu sagen?«
Die saphirblauen Augen der kleinen Roten blickten tief in mich hinein. Die beiden Klunker sahen wahrscheinlich mehr von meinem tatsächlichen Grund, was mich hergezogen hatte, als mir selbst bewusst war. Eine vernünftige Antwort fiel mir jedenfalls auf die Schnelle nicht ein.
»Ehrlich, Möhrchen? Ich bin überfragt. Erich tut mir leid, ich bin neugierig, der alte Ermittlerfunke ist in mir aufgeflackert, ich möchte eine Zeugenaussage machen, denn es hat sich herausgestellt, dass ich Arnfried Nußbaum kenne. Ein Brei aus dem allen, denke ich.«
Die kleine Rote schenkte mir ein undefinierbares Lächeln. »Kaffee? Schön schwarz?«
Die Beklommenheit, mit der ich hier eingedrungen war, fiel mit einem Schlag von mir ab. »Na, sicher. Wie früher!«
»Wie früher. Kommt gleich!«
Ich wagte nicht, mich auf Erichs Stuhl niederzulassen. Es war mein alter Platz, den er direkt nach meinem Ausscheiden für sich reklamiert hatte. Stattdessen setzte ich mich gegenüber an seinen ehemaligen Schreibtisch. Heute war ich hier der Benjamin. Merkwürdig, dass niemand in dieses Büro nachgerückt war. Sogar sein neuer Kollege nicht. Als ob dieser Stuhl auf mich wartete.
Möhrchen kam mit einer dampfenden Besuchertasse herein. Sie stellte den Kaffee vor mich hin und blieb bei mir stehen.
»Offiziell kann ich dein Erscheinen natürlich nur wegen der Zeugenaussage gutheißen. Aber ganz persönlich freue ich mich darüber. Du kommst viel zu selten.«
»Das tut gut, dass du das sagst. Ich möchte euch unter keinen Umständen auf den Geist gehen.«
»Woher kennst du Nußbaum?«
»Das geht auf Schulzeiten zurück. Ein langweiliger Typ, ein Streber, wahrscheinlich angetrieben durch seine Eltern. Seit diesen fernen Tagen habe ich nichts mehr von ihm gehört.«
»Das ist deine Zeugenaussage?«
»Ja.«
»Recht dürftig. Deswegen bist du nicht hier.«
Teufelsbraten! Sie durchschaute mich immer wieder. Unheimlich konnte einem das werden.
Ich wand mich. »Auf eine Art schon. Neben meinem Schnüffler-Trieb, der mich dieser Tage stark heimsucht, interessiert es mich, welches Schicksal ihm widerfahren ist. Ob sein Leben Baustein ist für die Katastrophe. Ob er zum Mörder oder Mittäter wurde.«
»Er ist es offensichtlich nicht gewesen. Zumindest kann Erich ihm nichts beweisen.«
»Und er hat keine brauchbaren Aussagen zum fraglichen Abend gemacht?«
»Nein. Erich hat gesagt, immer wenn der Mord zur Sprache kam, hat er gebetsmühlenhaft wiederholt: Ich war volltrunken.«
»Was einerseits den Tatsachen entspricht, sich andererseits ziemlich einstudiert anhört.«
»Genau.«
»Keine Indizien, keine kleinen Hinweise?«
»Was wird das hier Sigi? Du bist draußen!«
Beschämt fixierte ich den schwarzen, dampfenden Spiegel in der Besuchertasse. »Logisch. War nur Neugier.«
Möhrchen setzte sich mir gegenüber auf meinen alten Stuhl. Sie stieß einen kleinen Seufzer aus. »Irgendwie ist Nußbaum in die Sache verwickelt. Das hat Erich im Gespür. Aber er hat nicht geschossen. Beihilfe kommt für seinen Geschmack unverändert infrage.«
Die plötzliche Diskussionsbereitschaft der kleinen Roten wirkte auf mich als Ermutigung, mich in kleinen Schritten vorzutasten. »Hat außer dem Schuss wirklich niemand im Haus etwas bemerkt? Einen Flüchtenden zum Beispiel?«
»Nix und wieder nix. Stell deine Bemühungen bitte ein, Sigi. Ich behalte den Rest für mich. Hab eh schon zu viel verraten.«
Ich beschloss, alles auf eine letzte Karte zu setzen. »Ob ich deinem Mann behilflich sein könnte. Undercover sozusagen?«
Ich las in ihrer Miene, dass es in Möhrchen arbeitete. Ihr Blick wurde unruhig und die Nase zuckte nervös. Ich hatte den richtigen Knopf gedrückt. Es bestand eine leise Chance, ihre Zustimmung einzuheimsen. Das war für mich wirklich wichtig.
»Wie willst du das anstellen?«
Aha. Abgeneigt schien sie nicht zu sein. Der erste Schritt auf meine Wiese.
»Ich könnte mich Arnfried Nußbaum ganz anders nähern als Erich. Als ehemaliger Schulfreund. Sein Vertrauen gewinnen. Vielleicht verrät er sich.«
Der kleinen Roten entfuhr ein trockenes Lachen. »Sigi, du alter, gerissener, grauer Wolf. Schleichst dich hier einfach in mein Mitleid mit Erich rein. Dass du dich nicht schämst, die Gefühle einer Ehefrau derart zu missbrauchen!«
Ihr Tonfall war zum Glück eher liebevoll, drückte Sympathie aus. Eine Antwort lag weder darin, noch in ihren Worten. Könnte ich sie knacken?
Ich fasste nach. »Sag schon. Was hältst du davon?«
Möhrchen grinste mich an. Ich kannte sie gut genug, um zu wissen, dass aus ihrem Mund etwas Doppelsinniges zu erwarten war.
»Als Kriminalbeamtin muss ich dich ermahnen, bloß keinen Schritt in diese Richtung zu unternehmen. Als jemand, der dich wirklich mag, muss ich dir dringend abraten. Du könntest dich in Gefahr bringen. Groß schätze ich die zwar nicht ein, aber immerhin. Warum solltest du? Als Ehefrau eines Mannes, der nicht mehr schläft, weil ihm zu viel Druck gemacht wird, der fahrig ist, der sich abrackert und quält, sehe ich das anders. In dieser Rolle muss ich dich sogar um deine Hilfe bitten!«
War das ehrlich gemeint? Die beiden blauen Ozeane musterten mich prüfend. Ob sie meinen inneren Triumpf erspürten?
Mir wurde schlagartig klar, dass ich mir genau diese Ermutigung seitens meiner Ex-Kollegin erhofft hatte. Eine zweifelhafte Legimitation, gewiss. Das blendete ich einfach aus.
»Ich werde dir jetzt nicht sagen, was ich tue. Dieser Gedankenaustausch hat nie stattgefunden«, sicherte ich Möhrchen zu.
»Ich bitte dich herzlich darum, Erich nichts davon zu verraten. Er wirft dich achtkantig raus, wenn du ihm den Vorschlag machst, dich an Arnfried Nußbaum zu kleben. Mein Göttergatte war neulich, nach dem Abend bei Guido, schon wütend, dass du dich wie der erfahrene, clevere Cop aufspielst. Er will sich da alleine durchbeißen. Und ich sitze nebenan, weil bei den Drogen kein Platz ist, und bin gezwungen, tatenlos dabei zuzusehen, wie er leidet. Schöner Mist!«