Sprachwitze. Robert Sedlaczek

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Sprachwitze - Robert Sedlaczek страница 20

Sprachwitze - Robert Sedlaczek

Скачать книгу

ist. Ausschlaggebend ist die Assoziationstechnik, der ich später ein eigenes Kapitel widme (siehe S. 192 ff.).

      Ein Student bei der Prüfung in Geschichte. „Wie heißt der Franzose, der General war, dann Erster Konsul und später Kaiser?“ Der Kandidat denkt angestrengt nach, schüttelt den Kopf und sagt: „Weiß nicht.“ – „Napoleon Bonaparte!“, brüllt der Professor. Der Kandidat steht auf und geht zur Tür. „Halt, wo wollen Sie hin?“, ruft der Professor. „Ach so, Verzeihung“, murmelt der Kandidat, „ich habe geglaubt, sie wollen schon den nächsten aufrufen.“ (Hirsch, S. 144)

      Aktives Wissen ist ständig und dauerhaft abrufbar, wenn man gefragt wird. „Wie heißt der Franzose, der General war, dann Erster Konsul und später Kaiser?“ Mit dieser Frage will der Professor das aktive Wissen des Studenten prüfen. Passives Wissen bedeutet, dass man etwas zwar nicht sagen oder erklären kann, wenn man danach gefragt wird, es jedoch erkennt, wenn man es hört. Eigentlich wäre zu erwarten gewesen, dass der Student „Napoleon Bonaparte“ als richtige Antwort erkennt, sobald der Name gefallen ist.

      Zwei Mütter unterhalten sich. „Mein Sohn wird gemobbt.“ – „Oh wirklich? Meiner kann sich selbst waschen.“

      Das ist ein moderner Flachwitz, er könnte genauso gut aus dem Repertoire der Frau Pollak von Parnegg stammen.

      Schüttelreime sind eine Unterkategorie jener Sprachwitze, bei denen Laute ausgetauscht werden. In den Witzen rund um die Wörter „Schirm“, „Scharm“ etc. sind es die Vokale im Wortinneren (siehe S. 98, 203 f.), bei den Schüttelreimen die Konsonanten der letzten und der vorletzten Silbe.

      Und weil er Geld in Menge hatte, / Lag stets er in der Hängematte.

      Dieses Beispiel bringt Sigmund Freud in seinem Buch über den Witz (S. 105). Wir sehen, dass nicht die Schriftform entscheidend ist, es geht um die gesprochene Sprache: „Menge hatte“ – „Hängematte“. Bei einem Schüttelreim reimt sich also nicht nur der Schluss („hatte“ und „Matte“), es reimen sich auch Silben davor („Menge“ und „Hänge“), wobei zusätzlich Buchstaben ausgetauscht werden.

      Dabei können auch Wörter zerteilt werden. Im Folgenden einige Beispiele aus Benno Papentrigk’s Schüttelreime wie er sie seiner Freundschaft auf den Ostertisch zu legen pflegte, erschienen 1939:

      Bello die Wurst vom Teller schnappt; / Der Bösewicht wird schnell ertappt.

      ◊

      Nackt tanzen auf dem Rasen Nymphen, / die Neider ihre Nasen rümpfen.

      ◊

      Der Juchzer von den Höhn erschallt / Des Jägers Jagdhorn schöner hallt.

      Schüttelreime sind im deutschen Sprachraum seit dem 13. Jahrhundert eine bekannte Gedichtform. So richtig popularisiert wurden sie 1882 in Berlin vom Juxclub „Allgemeiner Deutscher Reimverein“, ein Vordenker war der Ingenieur und Schriftsteller Heinrich Seidel (1842–1906). Es galt als große Kunst, lange Texte in Schüttelreimen zu verfassen, sogar ganze Bücher wurden in Schüttelreimform herausgegeben, zum Beispiel Versionen von Goethes Faust. Später waren Schüttelreime vor allem witzige Zweizeiler.

      Für Freud sind Schüttelreime „die harmlosesten aller Witze“ (Freud, S. 105). Ihre Technik sei „die mehrfache Verwendung desselben Materials mit einer ganz eigenartigen Modifikation“.

      Schüttelreime haben also keine jüdischen Wurzeln, aber das Schütteln wurde von Juden besonders gepflegt, erinnert es doch frappierend an eine Methode zur Exegese der heiligen Schriften der Juden. Darauf werde ich später zurückkommen (siehe S. 98 ff.).

      Die vielleicht berühmteste Sammlung von Schüttelreimen ist jene von Felix Mittler, er war Pianist bei den Vorträgen von Karl Kraus. Friedrich Torberg hat diese gesammelten Schüttelreime von allhöchster Qualität herausgegeben.

      Du glaubst, dir ist die Lotte treu? / Das ist die ärgste Trottelei.

      ◊

      Nur Kindern droht der Spuk des Erlkönigs / Erwachsenen tut dieser Kerl eh nix.

      ◊

      Was einstmals war des Ghettos Brut, / Verdient heut’ an Librettos gut.

      Ein Kapitel des Buches ist mit dem Titel Leicht dialektgefärbt versehen.

      Nur wegen dieser schiachen Katz / Vergriff er sich am Kirchenschatz.

      ◊

      Was ist’s mit dir, du stierer Hund? / Auf dich wart’ ich schon hier a Stund!

      ◊

      Mein Lieber, ohne Dritten sama / Zu wenig für ein Sittendrama.

      Die „leichte Dialektfärbung“ trägt dazu bei, dass Schüttelreime möglich werden, die in der Standardsprache nicht funktionieren würden: „schiachen“ (= hässlichen) und „Kiachn“, „stiera“ (= sturer) und „hier a“ (= hier eine), „sama“ (= sind wir) und „Drama“.

      Große Anerkennung und Bewunderung unter den Schüttelreimen genießen die Vierzeiler.

      Macht man denn aus Kalk die Terzen?! / Nein, man macht aus Talg die Kerzen. / Also heißt’s kerziärer Talg? / Nein, mein Kind: tertiärer Kalk!

      In dem Sketch Urlaubssorgen spielt Karl Farkas in gereimter Form auf ein politisches Ereignis aus den 1920er Jahren an.

      Und in Frankfurt ward mir auf ein Haar / Der Unterschied zwischen Wienern und Frankfurtern klar. / Denn die Frankfurter werden mit Senf garniert / Und die Wiener, die werden in Genf saniert.

      Dieser Schüttelreim hatte damals einen aktuellen Bezug. Im Jahr 1922 übernahmen mit der „Genfer Anleihe“ einzelne Völkerbundstaaten Garantien für österreichische Auslandskredite, um einen Kollaps des Staatshaushalts und der Wirtschaft zu verhindern. Diese Anleihe war mit scharfen Auflagen verbunden, wogegen die Opposition begreiflicherweise polemisierte.

      Wer einmal schüttelt, der schüttelt immer. Das folgende Beispiel stammt aus einer Doppelconférence vom 30. Juni 1970, zu der Karl Farkas seinen kabarettistischen Konkurrenten Gerhard Bronner eingeladen hatte. Farkas nennt seinen Schüttelreim Song im Iglu.

      Der Eskimo hat fahle Wangen, / Wie gerne möchte er Wale fangen. / Seit Wochen gab’s – zum Weinen – Aal, / Doch endlich sieht er einen Wal. / Der Eskimo führt leicht das Ruder, / Doch nimmer er erreicht das Luder. / Das schwimmt um die polarsche Eckn / Und denkt: Kannst mich am …

      Schüttelreime sind also besonders schräge Reime, und schräge Reime sind auch dann witzig, wenn nicht geschüttelt wird.

      Der folgende Dialog aus einer Kabarettnummer der Zwischenkriegszeit wurde von Karl Farkas und Franz Engel dargeboten. Farkas gab vor, ein Blitzdichter zu sein. Man müsse ihm nur ein Stichwort zurufen, und schon könne er aus dem Stegreif einen Reim daraus machen. Dass die Zurufe spontan aus dem Publikum kamen, ist eine Legende, worauf Gerhard Bronner in Interviews später hingewiesen hat. Entweder saß ein zuvor ausgewählter Zurufer versteckt im Publikum oder der Stichwortgeber war ein Schauspielerkollege auf der Bühne. In beiden Fällen war vorher ausgemacht, wie die Stichwörter lauteten.

      Engel: Machen Sie einen Reim auf folgenden

Скачать книгу