SPIEGLEIN politisches Jahrbuch 2020. Thomas Röper

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу SPIEGLEIN politisches Jahrbuch 2020 - Thomas Röper страница 12

Автор:
Серия:
Издательство:
SPIEGLEIN politisches Jahrbuch 2020 - Thomas Röper

Скачать книгу

Jahre komplett gescheitert, anders kann man diese Zahlen nicht interpretieren, und über zwei Drittel Unzufriedene im ärmsten Teil der Bevölkerung ist ein Wert, der einem Angst machen sollte. Damit steht Deutschland nicht gut da, und das Mantra vom „reichen Deutschland“ scheinen viele nur noch als Hohn zu empfinden, wie man aus den Zahlen interpretieren kann.

      Der Spiegel konzentrierte sich in seinem kurzen Artikel jedoch nur auf der Demokratiezufriedenheit und hat diese Zahlen lediglich nach Parteienpräferenz seziert. Die soziale Komponente und die soziale Spaltung der Gesellschaft, die die Umfrage deutlich aufgezeigt hat, verheimlichte der Spiegel seinen Lesern komplett.

      Wenig überraschend ist, dass die Anhänger der etablierten Parteien mit der Demokratie in Deutschland zu ungefähr 60 % zufrieden sind, während die Anhänger der Linken nur zu 33,7 % und die Anhänger der AfD sogar nur zu 7,2 % mit der Demokratie in ihrer jetzigen Form mehr oder weniger zufrieden sind.

      Man sieht auch, wo die Menschen in Deutschland die Lösung sehen. Bei der Frage nach alternativen Regierungsmodellen wollten 42,2 %, dass die Bürger in regelmäßigen Volksentscheiden die wesentlichen Entscheidungen über Gesetze treffen. Für gewählte Abgeordnete als Entscheidungsträger sprachen sich 40,1 % aus. Die Menschen sind also keineswegs – ich wiederhole es – mit der Demokratie selbst unzufrieden, sondern vor allem damit, wie sie in Deutschland umgesetzt wird. Die Menschen wollen an mehr Entscheidungen demokratisch beteiligt werden. Das zeigt sich auch daran, dass nur 16,2 % dafür waren, dass „neutrale Experten oder Verfassungsgerichte“ über die Gesetze entscheiden, und eine „einzelne Führungspersönlichkeit mit umfassender Entscheidungsmacht“ wollten nur 1,3 % der Deutschen.

      Über all das – mit Ausnahme der sozialen Frage – hat der Spiegel auch berichtet. Nun kommen wir dazu, was der Spiegel weggelassen hat. Und das ist eine Menge.

      Es ging als nächstes in der Umfrage um das Vertrauen zu verschiedenen Institutionen und Organisationen. Wenig überraschend war die Unzufriedenheit mit den Medien groß: 64,9 % misstrauten den Medien in Deutschland mehr oder weniger stark. Darüber berichtete der Spiegel „überraschenderweise“ nicht. Schlechter kamen nur wenige weg, unter anderem die Parteien, denen misstrauten 77,5 % der Deutschen. Das ist eine deutliche Klatsche sowohl für die etablierten Medien als auch für das deutsche Parteiensystem der repräsentativen Demokratie.

      Ein weiteres Armutszeugnis für die heutigen Politiker ist, dass nur eine Minderheit von 43 % der Meinung war, die Politiker hätten „das Beste für unser Land im Sinn“. Die Menschen hielten also die Politiker noch nicht einmal wirklich für unfähig, sondern sie glaubten nicht, dass die Politiker sich überhaupt um das Land und die Menschen sorgen.

      Noch deutlicher wurde dies bei der Frage, ob die Politiker sich „um die Sorgen von Menschen wie mir kümmern“. Nur ein Viertel (25,5 %) war dieser Meinung, aber ganze 74,5 % waren der Meinung, dass die Politiker sich nicht um sie und ihre Sorgen kümmern. Revolutionen sind in anderen Ländern schon bei besseren Umfragewerten ausgebrochen. Man muss objektiv feststellen, dass es in Deutschland offensichtlich unter der Oberfläche kocht.

      Wenig überraschend sind auch die Antworten, wenn man die Höhe des Einkommens der Befragten betrachtet. Dass die Politiker sich kümmern, meinten immerhin 37,4 % der Oberschicht, aber nur 16,5 % der Unterschicht. Und dass die Politiker das Beste für das Land wollen, meinten 52,8 % der Oberschicht, aber nur 30,1 % der Unterschicht.

      Dieses Ergebnis war zu erwarten. Während die Politiker in der Tagesschau stets beklagen, die Schere zwischen Arm und Reich ginge in Deutschland immer weiter auseinander, haben sie dieses Problem in Wirklichkeit selbst geschaffen. Alle Gesetze der letzten 20 Jahre haben genau diese Entwicklung gefördert, denn während für die Oberschicht die Steuersätze gesenkt wurden, wurden bei der Unterschicht Sozialleistungen und Renten gekürzt und im Gesundheitssystem Eigenbeteiligungen der Patienten eingeführt. Da ist es verständlich, dass die Oberschicht eine deutlich bessere Meinung über die Politiker egal welcher Partei hat, denn ganz gleich, welche der etablierten Parteien in den letzten 20 Jahren regiert hat (und es waren ja alle einmal am Ruder), sie haben in dieser Frage alle die gleiche Politik gemacht.

      Auch die Probleme der „parlamentarischen Parteiendemokratie“, wie die Studie es selbst nennt, bestätigen all das. Als größtes Problem wurde genannt, dass ärmere Menschen sich seltener an Wahlen beteiligen als reichere. 75,5 % gaben das an, und das bestätigt, was vorher gesagt wurde: Die Armen haben jedes Vertrauen in diese „parlamentarische Parteiendemokratie“ verloren, denn egal, wer in den letzten 20 Jahren regiert hat, für sie wurde die Lage immer schlechter. Es hilft ja auch nichts mehr, die „linken“ oder „sozialen“ Parteien zu wählen. Den Anstoß zu der Misere haben ja ausgerechnet sie sozialen Kahlschläge der rot-grünen Koalition unter Schröder und Fischer eingeleitet. Davon hat sich die SPD nie wieder erholt, und vermutlich wird sie demnächst darum kämpfen müssen, bundesweit überhaupt noch zehn Prozent zu erreichen.

      Und die ehemaligen SPD-Wähler, die „kleinen Leute“ also, haben niemanden mehr, den sie noch wählen können, denn die Linke ist vielen vor allem im Westen noch immer suspekt. Und so gehen sie eben entweder nicht mehr zur Wahl oder machen ihr Kreuz aus Protest bei der AfD, obwohl deren Parteiprogramm auch nicht gerade vor sozialen Komponenten strotzt. Viele lassen sich von den Medien einlullen und halten die Grünen für eine linke oder soziale Partei, dabei haben sie inzwischen weitgehend die Positionen der FDP übernommen und sind eine Partei der Besserverdiener geworden, die mit ihrem Kreuz ihr „soziales und grünes Gewissen“ beruhigen wollen. Außerdem gehen bei den Grünen die Dinge, die sie in der Tagesschau erzählen, und das, wofür sie dann abstimmen, weit auseinander. Aber die Medien lassen es der Partei durchgehen.

      Auch bei der nächsten Frage zeigte sich, dass die Deutschen keineswegs die Demokratie satt haben, sondern im Gegenteil mehr Demokratie wollen. 83,5 % wollten, dass der Bundestag durch Volksinitiativen dazu aufgefordert werden kann, sich mit bestimmten Themen zu befassen. 64,% befürworteten das Schweizer System der direkten Demokratie, in dem die Bürger Entscheidungen des Bundestages durch Volksentscheide ändern können.

      Das Hauptproblem der deutschen „parlamentarischen Parteiendemokratie“ ist ja, dass man vor der Wahl nicht weiß, wer am Ende mit wem eine Koalition eingeht und welche Themen dann tatsächlich umgesetzt werden. Man gibt also bei der Wahl seine Stimme ab und weiß im Grunde nicht, was man danach bekommt. 63,9 % der Deutschen wollten daher bei der Wahl auch gleich entscheiden können, wer mit wem danach die Regierung bildet.

      Danach kam die Umfrage wieder zur wirtschaftlichen Entwicklung, und auch hier fand sich eine große Diskrepanz zu dem, was wir in den Medien lesen und was die Menschen empfinden. Während die Medien vom „reichen Deutschland“ berichten und uns ständig damit glücklich machen wollen, dass die Wirtschaft wächst, kommt davon bei den Menschen nichts an. 65,4 % sind der Meinung, dass die Menschen von der „guten wirtschaftlichen Entwicklung nicht profitiert“ haben.

      Dass all diese Dinge am Ende die Gesellschaft spalten, kann nicht überraschen. Und so beklagten 75,9 % der Deutschen, dass der gesellschaftliche Zusammenhalt zurückgegangen ist. Dieser Punkt ist auch überhaupt nicht strittig. In allen Bevölkerungsgruppen, nach denen die Umfrage differenziert hat, beklagten das zwischen 67 % und 85 %. Noch vor wenigen Jahren wurde in Deutschland von einer „Solidargemeinschaft“ unserer Gesellschaft gesprochen. Diese Zahlen zeigen, dass dies inzwischen nicht mehr zutrifft. Der Sozialstaat, der der Spaltung der Gesellschaft entgegenwirken sollte, hat inzwischen auf ganzer Linie versagt.

      Wenn

Скачать книгу