SPIEGLEIN politisches Jahrbuch 2020. Thomas Röper

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SPIEGLEIN politisches Jahrbuch 2020 - Thomas Röper

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      14 https://twitter.com/BenjaminNorton/status/1193715544949694464

      15 https://twitter.com/BenjaminNorton/status/1193720821858127873

      16 https://twitter.com/BenjaminNorton/status/1193749498129989632

      17 https://twitter.com/redfishstream/status/1194261063115722752

      18 https://www.spiegel.de/politik/ausland/boliviens-uebergangspraesidentin-jeanine-anez-droht-evo-morales-a-1296820.html

      Demo Moskau

      Im Sommer war es in Moskau zu Demonstrationen gekommen, über die in Deutschland intensiv berichtet wurde. Um zu verstehen, was in Moskau vor sich gegangen ist und um die Berichte der deutschen Medien einordnen zu können, müssen wir uns zunächst mit den Hintergründen beschäftigen. Danach kommen wir zu den deutschen Medien.

      In Moskau fanden im September Wahlen zum Stadtparlament statt. Russland ist wie Deutschland ein föderaler Bundesstaat. Die Bundesländer heißen „Oblast“ (auf Deutsch: Region). So wie in Deutschland gibt es auch in Russland Stadtstaaten, also Städte, die gleichzeitig auch ein Oblast sind: Moskau und St. Petersburg.

      Allerdings funktionieren die Wahlen in Russland anders. Zu den Oblast-Parlamenten werden keine Parteilisten gewählt, sondern Direktkandidaten. Um als unabhängiger Kandidat zugelassen zu werden, braucht es eine bestimmte Anzahl an Unterschriften, die von der Bevölkerung im Wahlkreis abhängt. Es sind einige tausend Unterschriften pro Kandidat, die man einreichen muss. Dabei dürfen höchstens zehn Prozent der Unterschriften fehlerhaft sein.

      Bei einigen der Kandidaten hat die Wahlkommission mehr als zehn Prozent Fehler gefunden, so unter anderem auch Unterschriften von Verstorbenen, und ihnen deshalb die Zulassung verweigert. Das kann man trefflich kritisieren, nur muss es ja irgendwelche Regeln geben. Und während die deutschen Medien solche Formfehler in Russland lautstark kritisieren, sehen sie es in Deutschland anders.

      In Sachsen ist der AfD 2019 das Gleiche passiert: Wegen eines Formfehlers wurden Dutzende Kandidaten von der Parteiliste gestrichen, und möglicherweise bekommt die AfD am Ende weniger Abgeordnete, als ihr dem Wahlergebnis nach zustehen.

      Es geht hier nicht um Sympathie für die AfD oder die russischen Kandidaten, ich will lediglich aufzeigen, wie unterschiedlich die deutschen Medien auf vergleichbare Vorgänge reagieren. Putin und Russland sind für sie böse, da wird ein solcher Vorgang lautstark kritisiert. Die AfD hingegen mögen die deutschen Medien nicht, und ein solcher Vorgang wird mit einer gewissen Häme zur Kenntnis genommen. Wenn die Medien sich als objektive Beobachter und Berichterstatter verstehen würden, müssten sie in beiden Fällen gleich reagieren.

      „Wegen eines Formfehlers umfasst die Landesliste der AfD für die Wahl in Sachsen nur noch 18 Plätze — die Partei wird aber wahrscheinlich mehr Mandate gewinnen. Was bedeutet das für die Rechtspopulisten?“

      „Russlands Regierungspartei ist im Umfragetief. Vor den Regionalwahlen im September werden Oppositionelle deshalb erst gar nicht zugelassen — wie in der Hauptstadt Moskau.“

      Dabei könnte diese Einleitung auch für Sachsen gelten, denn dort wird die Wahlkommission von den etablierten Parteien dominiert, die gerade im Umfragetief sind und ihren, in den Umfragen führenden, Gegner aus der Opposition enorm geschwächt haben.

      Wie gesagt, ich unterstütze keine Partei und stehe keiner Partei nahe, aber dieses Beispiel macht deutlich, wie in den deutschen Medien ein Formfehler mal okay ist und mal ein Skandal.

      Nun könnten die Oppositionellen in Moskau, so wie in Sachsen auch, zum Gericht laufen und die Entscheidung anfechten. Tun sie aber nicht. Stattdessen riefen sie zu Protesten auf.

      Und wie reagiert der böse russische Staat? Er lässt die Demonstration zu. Nur eben nicht dort, wo die Organisatoren es wollten.

      Moskau ist eine Zwölfmillionen-Metropole mit Staus wie in New York. Die Demonstranten wollten auf dem Gartenring demonstrieren, einem innerstädtischen Autobahnring rund um das Moskauer Stadtzentrum. Er ist zwölfspurig und eine der wesentlichen Verkehrsadern der Innenstadt. Ihn zu blockieren, würde zum Verkehrsinfarkt führen.

      Daher schlugen die Behörden eine andere wichtige Hauptstraße im Moskauer Zentrum für die Demo vor. Aber das lehnten die Organisatoren ab. Der Grund ist einfach: Es finden in Russland immer wieder genehmigte Demonstrationen gegen die Regierung statt, nur sind diese für die westlichen Medien uninteressant, weil es dabei zu keinen kamerawirksamen Zwischenfällen kommt. Daher wird selbst über große Demonstrationen in Moskau in den westlichen Medien nicht berichtet. Dass die Opposition in Moskau ungestört demonstrieren kann, würde die Legende vom Unterdrückungsstaat Russland beschädigen. Das muss der Zuschauer der Tagesschau also auch nicht erfahren.

      Statt also am genehmigten Ort zu demonstrieren, versammelten sich die Demonstranten am 3. August an verschiedenen Orten und versuchten, zum Gartenring durchzukommen, um sich dort zu vereinen.

      Warum haben die Demonstranten im Unterdrückungsstaat Russland keine Angst, zu einer nicht genehmigten Demonstration zu gehen?

      Der Grund liegt — das wird viele überraschen — im liberalen Versammlungsrecht Russlands. Während in Deutschland Verstöße gegen das Versammlungsrecht Straftaten sind und mit bis zu zwei Jahren Gefängnis bestraft werden können, sind das in Russland nur Ordnungswidrigkeiten — also wie Falschparken.

      Wer bei so einer nicht genehmigten Demonstration festgenommen wird, der wird nur zur Feststellung der Personalien auf die Wache gebracht und ist nach ein paar Stunden mit einem Bußgeldbescheid wieder auf dem Weg nach Hause. Erst im Wiederholungsfall drohen bis zu 30 Tage Ordnungshaft. Auch das ist aber keine Straftat und gilt nicht als Vorstrafe. Es bleibt eine Ordnungswidrigkeit. Wer es sich also leisten kann, mal 30 Tage lang nicht erreichbar zu sein, hat auf einer nicht genehmigten Demonstration in Russland nichts zu befürchten und kann immer wieder gegen das Versammlungsrecht verstoßen, zum Beispiel als Student in den Semesterferien.

      Oder auch als „Oppositionspolitiker“, der diese Festnahmen medial ausschlachten kann.

      Das zeigen auch Fotos von Demonstranten, die von der Polizei am 3. August abgeführt wurden. Sie scheinen das Ganze recht lustig zu finden. Solange man keinen Widerstand gegen die Staatsgewalt leistet, kann einem nichts passieren.

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