SPIEGLEIN politisches Jahrbuch 2020. Thomas Röper

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SPIEGLEIN politisches Jahrbuch 2020 - Thomas Röper

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In dem Urteil heißt es auf Juristendeutsch:

      „Der Begriff ‚ausstellende Justizbehörde‘ (…) über den Europäischen Haftbefehl und die Übergabeverfahren zwischen den Mitgliedstaaten (…) ist dahin auszulegen, dass darunter nicht die Staatsanwaltschaften eines Mitgliedstaats fallen, die der Gefahr ausgesetzt sind, im Rahmen des Erlasses einer Entscheidung über die Ausstellung eines Europäischen Haftbefehls unmittelbar oder mittelbar Anordnungen oder Einzelweisungen seitens der Exekutive, etwa eines Justizministers, unterworfen zu werden.“

      „Bund und Länder sehen im Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zum Europäischen Haftbefehl keinen Anlass, das politische Weisungsrecht gegenüber Staatsanwälten anzutasten. ‚Der einzige konkrete Handlungsbedarf, der sich aus dem Urteil ergibt, liegt darin, die Wirksamkeit Europäischer Haftbefehle sicherzustellen, indem diese künftig von Richterinnen und Richtern erlassen werden‘, sagte der rheinland-pfälzische Justizminister Herbert Mertin (FDP) dem Handelsblatt. Mehr sei ‚nicht veranlasst‘.“

      Besonders bemerkenswert ist folgende Argumentation, die man in dem Artikel lesen kann:

      „Das Bayerische Staatsministerium der Justiz teilte auf Anfrage mit: ‚Das Weisungsrecht ist verfassungsrechtlich notwendig, weil nach dem Grundgesetz jede staatlich ausgeübte Hoheitsgewalt einer demokratischen Legitimation bedarf.‘“

      Das ist Realsatire, denn „demokratische Legitimation“ hat nichts damit zu tun, dass ein Justizminister entscheiden darf, wer ungestraft gegen Gesetze verstoßen darf. Das ist aber heute der Fall, wenn Justizminister entscheiden dürfen, in welchen Fällen die Staatsanwaltschaft ermitteln darf und in welchen nicht. Besonders deutlich wird das, wenn man sich an den November 2016 erinnert. Damals wurde bekannt, dass es bei der SPD eine Preisliste für Treffen mit Ministern gab. Lobbyisten mussten nur eine bestimmte Summe an die SPD überweisen und schon hatten sie Zugang zu einem SPD-Minister ihrer Wahl.

      Das erfüllt mindestens den Anfangsverdacht der Korruption und der illegalen Parteienfinanzierung. Nur ermitteln durften die Staatsanwaltschaften nicht, weil der damalige Justizminister Heiko Maas es nicht wollte. Wenig verwunderlich, war er doch selbst ein Betroffener, der sich für Geld mit Lobbyisten getroffen hat. So hat die „demokratische Legitimation“ dafür gesorgt, dass der Justizminister strafrechtliche Ermittlungen gegen sich selbst verbieten konnte.

      Natürlich liest man das nie in den deutschen „Qualitätsmedien“. Das Handelsblatt hat das Problem zwar angesprochen, aber nicht aufgezeigt, dass es tatsächlich ein in der täglichen Praxis existierendes Problem ist:

      „Das Weisungsrecht ist umstritten. Die Befürchtung: Bei Regierungskriminalität oder in anderen Fällen könnte der Justizminister die Staatsanwaltschaft anweisen, nicht so genau hinzuschauen. Dies wäre auch indirekt und informell auf Zuruf möglich. Oder der Minister könnte ein Ermittlungsverfahren anordnen, wo gar keines nötig wäre.“

      Und diesen Zustand will Deutschland auch nicht ändern, wie man im Handelsblatt lesen konnte:

      „Deutschland will also nicht die Ursache für das Urteil beseitigen, sondern lediglich das Prozedere für das Fahndungsinstrument ändern. Möglich macht das die Strafprozessordnung. Sie lässt offen, ob ein Richter oder die Staatsanwaltschaft eine ‚Ausschreibung zur Festnahme‘ veranlasst.“

      In Deutschland ist lediglich die Unabhängigkeit der Richter gesetzlich festgeschrieben. Der Trick ist also, dafür zu sorgen, dass ein Verbrechen nicht vor Gericht kommt, indem man dem Staatsanwalt verbietet, ein Verfahren zu eröffnen oder in einem Fall auch nur zu ermitteln. Und genau das wird mit der in den Paragrafen 146 und 147 GVG getroffenen Regelung erreicht.

      Übrigens sind die Richter von dieser Regelung gar nicht begeistert, wie man ebenfalls im Handelsblatt lesen kann:

      „Der Deutsche Richterbund (DRB) hält das Vorgehen von Bund und Ländern für eine ‚schnelle Notlösung‘, bei der die Justizminister aber nicht stehen bleiben dürften. ‚Die richtige Reaktion darauf muss sein, das ministerielle Weisungsrecht gegenüber Staatsanwälten aufzugeben‘, sagte DRB-Bundesgeschäftsführer Sven Rebehn dem Handelsblatt.“

      Doch das wollen die Politiker nicht, weil sie dann befürchten müssten, dass man gegen sie selbst ermitteln kann. Das würde nämlich dazu führen, dass die Mehrheit der Bundestagsabgeordneten, die seit 1998 im Bundestag saßen, wegen Verstoßes gegen Paragraf 80 StGB bzw. Paragraf 13 VStGB lebenslang ins Gefängnis wandern würden.

      In diesen Paragrafen geht es um das Verbot von Angriffskriegen. Wer einen Angriffskrieg plant, wird laut diesen Paragrafen zu lebenslanger Haft verurteilt. Es ist beispielsweise unstrittig, dass der Krieg gegen Jugoslawien ein solcher illegaler und völkerrechtswidriger Angriffskrieg war, und jeder Abgeordnete, der dafür gestimmt hat, müsste ins Gefängnis. Wenn die Staatsanwälte denn ihre Arbeit machen dürften, was die Justizminister jedoch verhindern.

      Das Gleiche gilt für viele andere Einsätze der Bundeswehr, denen der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages attestiert hat, dass sie gegen das Völkerrecht verstoßen und damit eine Beteiligung an illegalen Angriffskriegen sind. Zu nennen wäre zum Beispiel der Einsatz der Bundeswehr-Tornados in Syrien.

      Da Politiker aber nicht für ihr Abstimmungsverhalten ins Gefängnis wollen, ist es ausgeschlossen, dass Deutschland in absehbarer Zeit zu einem vollwertigen Rechtsstaat wird.

      Willkommen in der Bananenrepublik Deutschland (BRD)!

      Die Mehrheit der Deutschen misstrauen dem politischen System in Deutschland

      Der Spiegel hatte im August von einer repräsentativen Umfrage von Infratest dimap im Auftrag der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung berichtet und natürlich wieder einmal weggelassen, was ihm nicht in den Kram passt. Daher habe ich mir diese Umfrage genauer angesehen.

      Die Deutschen blicken mit großem Pessimums in die Zukunft, denn auf die Frage „Wird es künftigen Generationen in Deutschland besser gehen?“ antworteten 21,6 % mit „wesentlich schlechter“ und 44,7 % mit „etwas schlechter“. Das bedeutet, dass genau zwei Drittel der Deutschen pessimistisch in die Zukunft blicken. Darüber fand sich im Spiegel-Artikel aber kein Wort.

      Die Umfrage zeigt auch indirekt auf, wie sehr Deutschland auseinanderdriftet. Während die Oberschicht zu 57,5 % mehr oder weniger zufrieden mit dem Funktionieren der Demokratie ist, ist es bei der Mittelschicht fast ausgeglichen, denn dort sind 54,1 % damit zufrieden. Aber die Unterschicht ist abgehängt und hat offenbar keinerlei Vertrauen mehr in dieses heutige politische System, denn in der Unterschicht sind ganze 70,1 % mit dem

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